Rabiate Razzia bei G-20-Gegnern: Jetzt wird der Staat wütend
Der Staatsschutz durchsucht die Wohnung von zwei Aktivisten. Sie sollen im taz-Interview einen Brandanschlag auf die Messehallen gebilligt haben.
Auf taz-Anfrage will sich die Polizei mit Verweis auf ermittlungstaktische Gründe nicht zum Hergang äußern. In einer Pressemitteilung erklärt sie: „In allen Objekten wurden EDV-Geräte, Datenträger und schriftliche Unterlagen zur Durchsicht sichergestellt.“ Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Carsten Rinio, erklärt, „wir ermitteln wegen des Verdachts der Billigung einer Straftat“.
Den beiden Männern wird vorgeworfen, sie könnten die beiden Gipfelgegner „Ernst Henning“ und „Timo Schmidt“ gewesen sein, die die taz für die Ausgabe am 2. Dezember 2016 zu den möglichen G-20-Gipfelprotesten anonymisiert interviewt hatte. In dem Interview war auch die Brandattacke zwei Wochen vor dem OSZE-Treffen auf den G-20-Tagungsort Messehallen angesprochen worden, für die die beiden als „legitime Form des Widerstands“ Verständnis zeigten.
Der Paragraf 140 Strafgesetzbuch „Belohnung und Billigung einer Straftat“ lässt sehr oft Auslegungsspielräume und Interpretationen zu, weil er oft mit dem Recht auf Meinungsfreiheit kollidieren kann.
Für die Strafbarkeit der Billigung muss eine hinreichende Öffentlichkeit und eine voraussichtliche Störung des öffentlichen Friedens gegeben sein.
Eine reine Verständnisäußerung ist in der Regel –außerhalb der G-20-Gipfel-Vorbereitungen –von der Meinungsfreiheit gedeckt.
„Da sind ein paar Glasscheiben zu Bruch gegangen und ein bisschen Ruß ist da“, sagten sie. Sie verstünden die Leute, die „Wut auf diesen Staat“ hätten. „Die, die zum OSZE oder zum G 20 kommen, sind die wahren Verbrecher“, sagten sie.
Laut Staatsanwaltschaft sollen Halil S.und Noah K. die Interviewten gewesen sein. Wie die Anklagebehörde darauf komme, wollte Rinio nicht sagen: „Das weiß ich nicht und das dürfte ich Ihnen auch nicht sagen.“
taz-Redakteurinnen sagten nicht aus
Nach Angaben von Rinio werde gegen die beiden interviewenden taz-Redakteurinnen aber nicht ermittelt. Sie hatten nach dem Interview Vorladungen zu einer Vernehmung beim Staatsschutz des Landeskriminalamtes erhalten, diesen unter Hinweis auf das Zeugnisverweigerungsrecht und den Informantenschutz aber nicht Folge geleistet.
Vor allem deshalb stellt sich die Frage, auf welcher Grundlage der Staatsschutz zu der Einschätzung gelangt, bei den Beschuldigten handele es sich um die anonymisierten Interviewpartner der taz. Denn das Interview war in den Räumen der taz geführt worden, die Autorisierung über eine verschlüsselte E-Mail erfolgt.
Am 7. und 8. Juli treffen sich in Hamburg die Staatschefs der größten Industrie- und Schwellenstaaten zum G20-Gipfel. Die taz berichtet dazu in einem laufend aktualisierten Schwerpunkt und ab dem 1. Juli mit täglich 8 Sonderseiten.
Die Betroffenen verstehen das Vorgehen des Staatsschutzes als Einschüchterungsversuch. Offenbar wolle die Polizei „uns kurz vor dem G-20-Gipfel verunsichern und dafür sorgen, dass wir uns nicht trauen, unseren legitimen Protest auf die Straße zu tragen“, erklärt einer von ihnen. Der rot-grüne Senat spreche von einem „Fest der Demokratie“, während die Stadt gleichzeitig „im Blaulicht versinkt“.
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