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RKI zu Corona in FlüchtlingsunterkünftenMassenquarantäne vermeiden

In einem unveröffentlichten Papier gibt das RKI Hinweise zu Corona in Sammelunterkünften. Der Inhalt deckt sich mit den Forderungen von Geflüchteten.

Wie man es laut RKI nicht machen sollte: abgeriegelte Sammelunterkunft in St. Augustin Foto: Marcel Kusch/dpa

Berlin taz | Hunderte Menschen in Quarantäne, zusammengepfercht in Mehrbettzimmern: Seit dem Beginn der Coronapandemie fordern Geflüchtete und ihre Un­ter­stüt­ze­r*innen, die Unterbringung in Sammelunterkünften zu beenden. Zu hoch sei das Risiko, sich mit dem Virus zu infizieren. Beim Robert-Koch-Institut (RKI) sieht man das offenbar ähnlich. In einem bisher unveröffentlichten Entwurf zu ebendiesem Thema listet das RKI viele der Forderungen auf, die auch von den Geflüchteten gestellt werden.

Das Papier liegt der taz vor. Es ist auf den 7. Mai datiert und trägt den Titel „Hinweise zu Prävention und Management von COVID-19-Erkrankungen in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete“. Darin heißt es, das Übertragungsrisiko sei in Gemeinschaftsunterkünften „besonders hoch, da hier viele Menschen auf engem Raum zusammenleben und Wohn-, Ess- und Sanitärräume gemeinsam nutzen“. In dem Papier spricht das RKI sich entschieden dagegen aus, ganze Unterkünfte unter Quarantäne zu stellen, und fordert, die Belegung in den Einrichtungen deutlich zu entzerren.

Konkret erklärt das RKI in dem Entwurf, schon bevor eine Infektion auftrete, müssten Bewohner*innen „so untergebracht sein, dass eine physische Distanzierung (mind. 1,5 m Abstand) und Kontaktreduzierung auch innerhalb des Gebäudes möglich ist“. Außer bei Familien und Paaren solle „idealerweise eine Einzelzimmerunterbringung angestrebt werden“.

Statt Massennutzung sollten kleine Wohneinheiten von maximal zehn Personen Zugang zu einem eigenen Sanitär- und gegebenenfalls Küchenbereich haben. Außerdem müsse es ausreichend Seife, Desinfektionsspender, Mund-Nasen-Bedeckungen sowie Informationen geben.

Viele Fehler durch die Behörden

Im Fall eines Ausbruchs müssten die Betroffenen, ihre Kontakte, Verdachtsfälle sowie nicht Betroffene räumlich in drei verschiedene Bereiche getrennt werden. Eine „kleinteilige Ko­hortierung“ von maximal zehn Personen sei „notwendig, um lange und immer wieder zu verlängernde Quarantänedauern zu verhindern“. Risikopersonen sollten evakuiert und gesondert untergebracht werden. „Eine Quarantäne der gesamten Gemeinschaftsunterkunft sowie das Errichten von physischen Barrieren (Zäunen) sind zu vermeiden. Durch eine Massenquarantäne wird eine vermeidbar hohe Exposition mit daraus resultierenden Risiken für alle BewohnerInnen in Kauf genommen, die den RKI-Empfehlungen zu Infektionsmaßnahmen widerspricht.“

Doch genau zu solchen Situationen war es seit Ausbruch der Coronapandemie immer wieder gekommen. In Sachsen-Anhalt standen im April 839 Be­woh­ne­r*innen einer Unterkunft unter Quarantäne, die Wohnblocks auf dem Gelände waren durch Zäune getrennt. Bis zu sechs Personen teilten sich dort ein Zimmer. Im thüringischen Suhl wurden im März mehr als 530 Menschen unter Sammelquarantäne gestellt.

Im baden-württembergischen Engelsbrand wurde Ende Mai eine Unterkunft mit 34 Bewohner*innen unter Quarantäne gestellt, als drei Personen positiv getestet wurden. Immer wieder kritisierten Geflüchtete mangelnde Aufklärung und Abstandsmöglichkeiten sowie eine unzureichende Versorgung mit Desinfektionsmitteln.

Das RKI bestätigt auf Nachfrage der taz, ein Papier zu diesem Thema befinde sich derzeit im Stellungnahmeprozess zwischen Bund und Ländern. Auf Inhalt oder Details wollte das RKI nicht eingehen. Auch das Bundesinnenministerium erklärt, die Beratungen dauerten an, „weshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine konkreten Ausführungen über den Inhalt der Empfehlungen erfolgen können“. Mehrere Landesministerien bestätigen der taz, das Papier zu kennen.

„Auch Geflüchtete haben ein Recht auf Gesundheit“

Das Staatsministerium des Inneren (StMI) in Bayern erklärt, dort sei „das gegenständliche Papier bekannt“, weil die Länder Möglichkeit zur Stellungnahme hatten. „Mittlerweile wurden die Hinweise nochmals überarbeitet und befinden sich in der Abstimmung auf Bundesebene.“ Auch die Landesaufnahmebehörde in Niedersachsen betont, bei dem Papier handle es sich um einen Entwurf. „Möglicherweise ist dieser nicht mehr aktuell. Eine endgültige Fassung ist unserem Kenntnisstand nach bisher nicht veröffentlicht worden.“

Pro Asyl fordert, dass Bund und Länder „sofort Konsequenzen aus dieser Beurteilung ziehen“. Das RKI bestätige, dass die Forderungen von Pro Asyl und Flüchtlingsräten im Kern richtig seien. „Auch Geflüchtete haben ein Recht auf Gesundheit. Wir fordern die Auflösung der Sammellager“, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt der taz. „Wir erwarten, dass die Innenminister die Ratschläge ernst nehmen und eine Einflussnahme auf den Inhalt des Papiers aus ordnungspolitischen Gesichtspunkten unterlassen.“

Burkhardt forderte zudem, das Papier schnell zu veröffentlichen. „In den vergangenen Wochen waren mehrfach Klagen von Geflüchteten gegen diese Art der Unterbringung erfolgreich. Ein solches Dokument würde Betroffenen vor Gericht den Rücken stärken.“

Wie überall in Deutschland sind auch in Geflüchtetenunterkünften die Coronafälle in den vergangenen Wochen zurückgegangen. In Bayern gebe es derzeit unter etwa 90.000 Bewohner*innen in Unterkünften rund 160 Coronafälle, berichtet das Staatsministerium des Inneren. 1.473 Personen seien inzwischen genesen. Auch habe man in Abstimmung mit dem RKI bereits Maßnahmen ergriffen – und etwa die Belegung entzerrt. Dazu sei „nicht die absolute Größe einer Unterkunft maßgeblich, sondern die Belegungsdichte“, so das Ministerium. Eine entzerrte Unterbringung sei auch deshalb möglich, weil „der Zugang an neuen Asylbewerbern in Bayern seit Beginn der Coronakrise massiv zurückgegangen ist“.

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