Quote für Vorstände: Nicht nur für privilegierte Frauen
Die Frauenquote für Vorstände nützt nur wenigen? Stimmt nicht. Dort, wo Frauen mitbestimmen, achten sie verstärkt auf „Fraueninteressen“.
M an könnte reflexhaft kritisieren, dass die gesetzliche Frauenquote für Vorstände, die das Kabinett jetzt als Teil des sogenannten Führungspositionengesetzes beschlossen hat, etwas für privilegierte Frauen sei, für jene also, die fest im Job und im Leben stehen und bereits in gehobener Position und mit gesichertem und gutem Einkommen arbeiten. Denn es geht bei Vorständen um Leitungsgremien, in die nur schwer vorzudringen ist und die mit großer Macht ausgestattet sind.
Daher ist es kaum verwunderlich, dass Vorstände mehrheitlich männlich sind. Aktuell beträgt der Frauenanteil in diesen Führungspositionen – je nachdem, welche Unternehmen man betrachtet – zwischen nicht einmal 9 und 12 Prozent. Nahezu die Hälfte der börsennotierten Unternehmen hat sogar keine einzige Frau in dem Gremium.
Die Vorstandsquote ist trotzdem wichtig für die weitere Gleichstellung der Geschlechter. Denn von ihr geht ein Signal aus: Da geht was. Das zeigt allein die 30-Prozent-Quote für Aufsichtsräte, die seit 2016 gilt. Innerhalb weniger Jahre haben die meisten betroffenen Unternehmen die gesetzliche Pflicht zur Beteiligung von Frauen an diesen Topjobs erfüllt.
Vor allem aber bewirkt ein größerer Frauenanteil in Entscheidungspositionen, dass der weibliche Blick und weibliche Forderungen ernster genommen, vielfach überhaupt erst einmal wahrgenommen werden. Oder um es anders zu formulieren: Da, wo Frauen mitbestimmen, achten sie verstärkt auf „Fraueninteressen“. Auf diese Weise profitieren weniger privilegierte Frauen von der Quote. Frauen sorgen beispielsweise verstärkt dafür, dass Führungspositionen in untergeordneteren Bereichen mit Frauen besetzt werden; dass zu Bewerbungsgesprächen genügend Frauen eingeladen und Mütter bei der Auswahl nicht benachteiligt werden.
Warum geht das alles nicht auch ohne eine starre Vorgabe? Weil die jahrzehntelange Erfahrung zeigt, dass sich auf der Basis von Freiwilligkeit nichts bewegt. Manchmal muss dem gesellschaftlichen Wandel, der bei Gleichstellung jeglicher Art sowohl Ausgangspunkt als auch Ziel ist, ein wenig auf die Beine geholfen werden.
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