piwik no script img

Queere FamilienkonflikteKein gleiches Recht für alle

Ein privater Samenspender fordert Umgangsrecht mit dem Kind eines lesbischen Paares. Die möchten das nicht. Doch welcher Wunsch wiegt schwerer?

Ein privater Samenspender ist für viele Paare, die Kinder haben wollen, eine Lösung Foto: Imago

F amilien werden nie genau so, wie die Erwachsenen sich das ausgemalt haben. Und je mehr queere Familien es gibt, weil Barrieren allmählich abgebaut werden, desto mehr spezifisch queere Familienkonflikte entstehen. Einige landen vor Gericht. Manche davon wiederum werden – leider, für die Beteiligten – zu Grundsatzentscheidungen. Und somit relevant für die Zeitung.

Der Bundesgerichtshof hat diese Woche entschieden, dass private Sa­men­spen­de­r*in­nen in queeren Familien denen in Heterofamilien gleichgestellt werden müssen – in dem Sinne, dass der oder die Spen­de­r*in ein Umgangsrecht mit dem Kind hat. Auch dann, wenn die Eltern qua Adoption andere sind. Konkret ging es um das siebenjährige Kind zweier Mütter, für das der private Samenspender einen zweiwöchentlichen Umgang eingefordert hatte. Er verzichtete bei der Zeugung auf die Vaterschaft, und die Mütter gingen davon aus, dass er nicht Teil der Familie sein würde. Der Wunsch des Kindes ist noch nicht erörtert worden, er wird ebenfalls relevant sein.

Es mag juristisch fair erscheinen, private Sa­men­spen­de­r*in­nen gleichzubehandeln, ob sie nun an Heten oder Queers gespendet haben. Und ohne die Familie zu kennen: Irgendeine Form des Umgangs mit dem Spender wäre für das Kind wohl früher oder später nötig geworden. Biologische Erzeugerschaft ist in unserer Gesellschaft identitätsstiftend, ob man das nun sinnvoll findet oder nicht. Zu wünschen wäre den Müttern gewesen, dass sie dies nach eigenem Ermessen und in Abstimmung mit den Bedürfnissen des Kindes hätten umsetzen können. Klar, der Spender hat zur Zeugung eines Kindes beigetragen und wünscht sich Umgang, wünscht sich vielleicht, es heranwachsen zu sehen. Verständlich. Aber wessen Wunsch wiegt schwerer?

Nun, die Mütter hätten ja zur Samenbank gehen können! Wenn sie keinen Umgang wünschen, ist eine anonyme Spende die rechts­sichere Wahl, oder?

Kein Spaziergang

Man darf nicht so tun, als sei queeres Elternwerden ein Spaziergang. Als das betreffende Kind gezeugt wurde, bestand für homosexuelle Paare ein Eheverbot. Elternschaft bei Lesben ist weiter nur über den Umweg der „Stiefkind­adoption“ möglich. Kinderwunschbehandlungen übernimmt die Kasse meist nicht. Da setzt das Recht etwas gleich, was keine gleichen Voraussetzungen hatte.

Bis vor Kurzem waren das Gesetz, der Staat und die Medizin noch erklärte Feinde queerer Familien. Da schien die Samenspende aus dem privaten Umfeld als die sicherere, die liebevollere Variante. Aber gut gemeinte Absprachen und Versprechen zwischen Menschen können sich mit der Zeit in der Erinnerung verzerren. Verträge, Mediationen und Gerichte mögen Klärung schaffen, aber nur ein Stück weit. Man kann den Beteiligten nur wünschen, dass sie irgendwann wieder miteinander zur Ruhe kommen – und dieser Fetzen Zeitgeschichte sie nicht zu lange verfolgt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Peter Weissenburger
Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Medien.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • "Und ohne die Familie zu kennen" - lieber Peter Weissenburger, Sie kennen offensichtlich auch den Artikel des Kollegen Christian Rath vom 19.07.21 nicht:

    taz.de/BGH-Urteil-...12&s=Samenspender/

    Demnach gibt es längst ein Umgangsrecht des biologischen Vaters mit dem Einverstaendnis der Eltern. Er moechte den Umgang jetzt aber zeitlich ausgeweitet haben, und Kontakt zum Kind, ohne dass - wie bisher - die Eltern dabei anwesend sind.

    Schwierig, hier Partei zu ergreifen - das Kind soll aber selbst dazu gefragt werden. Hoffen wir, dass dass Kind, soweit moeglich, nach seinem eigenen Willen entscheiden kann, und dass dann beide Parteien so vernünftig sind, den Wunsch des Kindes zu respektieren.

    • @Volker Scheunert:

      …anschließe mich.



      &



      Herr Peter Weißenburger sollte es mit Jura besser nicht versuchen.



      Wie oben dargelegt - ein klassischer Fall der Sachverhaltsquetsche mit anschließender freihändige Wertung!



      Sojet gibt regelmäßig ein - mangelhaft -



      Als Mindestes •

    • 1G
      14390 (Profil gelöscht)
      @Volker Scheunert:

      Nicht die „Eltern“, sondern Mutter und Adoptivmutter. Die Eltern des Kindes sind der biologische Vater und die biologische Mutter.

  • Im vorangegangenen Artikel zu dem Sachverhalt ist zu lesen, dass von Anfang an ein Umgangsrecht vereinbart war.

    Das heißt, er wollte die Rolle des sozialen Vaters auch übernehmen.

    Dann noch von "Samenspender" zu sprechen ist ähnlich abwertend wie die Bezeichnung "Eizellen- und Gebärmutterspenderin" für die Mutter.

    Wie lautet denn Herrn Weissenburgers Antwort auf die Frage "Aber wessen Wunsch wiegt schwerer?"? Auf die Begründung wäre ich gespannt gewesen.

    Ja, queeres Elternwerden ist kein Spaziergang.

    Nicht-queeres Elternwerden übrigens auch nicht.

    Denn je mehr Personen daran beteiligt sind, um so schwieriger wird es.

    Deshalb konnte ich über die vergangenen Taz-Artikel, in denen versucht wurde, Elternschaft neu zu denken nach dem Motto "Warum sollten nicht 4 oder noch mehr Erwachsene Eltern eines Kindes sein?" nur den Kopf schütteln.

    Die Abstimmung von zwei Eltern - welches Geschlecht auch immer - kann schon recht nervenaufreibend sein.

  • Der Fall ist doch das beste Beispiel, warum der Gesetzgeber die Stiefkindadoption bei lesbischen Paaren ( und schwulen sowieso) vorsieht. Es gibt eben auch einen biologischen Vater und das Kind hat ein Recht, dass dieser eine Rolle in seinem Leben spielen darf. Bei automatischer Mutterschaft durch die Ehe wäre das problematisch.

  • Es muss darum gehen, die Rechte der Kinder und Väter zu stärken, für den Fall, dass Mütter den Umgang miteinander verhindern wollen. Und nein - anonyme Spenden sind keine "Lösung". In Deutschland hat ein Kind immer das Recht, den Namen seines Vaters zu kennen. Der Europäischen Gerichtshof hat es zum Glück klar gemacht: Es geht hier um ein Menschenrecht der leiblichen Väter. Menschenrechte sind nicht verhandelbar. Mütter, die versuchen, einen Keil zwischen Väter und Kinder zu treiben, dürfen keine Chance haben!

  • Ich bin selbst schwuler Vater. Ich empfinde es als sehr egoistisch, wenn man seinem Kind den Kontakt zu einem leiblichen Elternteil verwehren will (oder als leiblicher Elternteil den Kontakt zum eigenen Kind ablehnt). Man kann sich doch für sein Kind darüber freuen, dass der Vater regelmäßigen Kontakt wünscht. Und so schlecht ist es gar nicht, öfter Mal kindfreie Wochenenden zu haben. Im Idealfall machen auch mal alle zusammen was.



    Ja, das ist dann nicht mehr die 1:1-Übertragung der heterosexuellen Kleinfamilie auf ein schwules oder lesbisches Paar. Aber wenn man ehrlich ist, funktioniert das sowieso nicht, es ist immer etwas anderes, weil eine gleichgeschlechtliche biologische Elternschaft nun Mal nicht gibt, es gibt immer noch einen weiteren biologischen Elternteil. Aber es gibt ja auch die unterschiedlichsten Familienkonstellationen. Ich denke, von gesetzgeberischer Seite sollten eher Familienkonstellationen gefördert werden, in denen Eltern möglichst gleichberechtigt sind, wie man ja auch bei Heterofamilien mittlerweile verstärkt auf gemeinsames Sorgerecht, Wechselmodell etc. setzt. Deswegen ist auch die automatische Stiefkindadoption bei verheirateten Frauenpaaren der falsche Weg, weil da der Vater keine Rechte hat und einfach nicht vorkommt.

  • "Samenspender*innen".... köstlich, made my day, danke

  • 1G
    14390 (Profil gelöscht)

    Der leibliche Vater des Kindes war eben nicht nur Samenspender. In anderen Artikeln zu diesem Fall - wenn ich mich richtig erinnere auch hier in der taz - ist die Rede davon, daß der Kindsvater in die Adoption durch die Lebensgefährtin der Kindsmutter eingewilligt hat. Das setzt aber voraus, daß seine Vaterschaft angezeigt und er als Vater rechtlich anerkannt worden war. Außerdem hatte er seit der Geburt des Kindes regelmäßig, d.h. alle zwei Wochen Kontak mit dem Kind - ob er damit eine Vaterrolle eingenommen hat, wäre zu diskutieren, in jedem Fall war er auf Grund seiner Vaterschaft Bezugsperson für das Kind.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Der private Samenspender ist doch nur die Spitze des Eisberges.



    Irgendwann möchte das Kind wissen, wer der Vater ist und es hat ein absolutes Anrecht darauf.

    • 9G
      95820 (Profil gelöscht)
      @4813 (Profil gelöscht):

      "Der private Samenspender ist doch nur die Spitze des Eisberges."



      Kann mal jemand mein Kopfkino abschalten?