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Qual-Schlachthof geht neue WegeVom Kuhmassaker zum Weideabschuss

Der unter dem Verdacht von Tierschutzverstößen stillgelegte Schlachthof Elsfleth könnte neu eröffnet werden, aber ohne Lebendtransporte und Tötungen.

Auf der gewohnten Weide abgeknallt zu werden, ist für die Rinder fast schon ein Vergnügen Foto: Ralf Rottmann/imago
Harff-Peter Schönherr

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Harff-Peter Schönherr aus Osnabrück

taz | Um den Schlachthof Elsfleth, Landkreis Wesermarsch bei Oldenburg, Niedersachsen, war es lange still: Ende Oktober 2024 hat das Ve­te­ri­näramt Jade-Weser den auf Halal-Schlachtung spezialisierten konven­tio­nellen Betrieb geschlossen. Der Verdacht: massive Tierschutzverstöße. Jetzt zeichnet sich eine Wiedereröffnung ab.

Ein der Tierrechtsorganisation Aninova zugespieltes Undercover-Video hatte den Schlacht­hof zu Fall ge­bracht. Den blutigen Qual-Horror, der auf ihm zu sehen ist, bezeichnet Jan Peifer, Vorstands­vorsitzender von Aninova, als „Massaker“. Aninova erstattete bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg Strafanzeige, das Veterinäramt desgleichen.

Der Zweckverband Veterinäramt Jade-Weser in Schortens hat Ende Oktober, „sofort nach Erhalt der ersten Videosequenzen“ die Schlachtung verboten. „Die weiteren Prüfungen stützten die erste Einschätzung, dass deutliche Verstöße gegen das Tierschutzrecht vorliegen“, schreibt der Zweckverband.

Die Ermittlungen dauerten an, schreibt Thorsten Stein, Sprecher der Staatsanwaltschaft Oldenburg. „Derzeit sind die Akten an die Polizei versandt zwecks Identifizierung und anschließender Vernehmung noch unbekannter Beschuldigter, die auf Videoaufnahmen zu sehen sind.“

Gerüchte über einen Neuanfang

Kürzlich schlug Aninova Alarm: „In der Region kursieren Gerüchte“, teilt die Organisation mit, „ein neuer Betreiber wolle den Schlachthof zum Jahresanfang umbauen und wieder in Betrieb nehmen.“ Geschähe das, wäre das für ihn „völlig un­verständlich“, sagt Peifer der taz. Und dann wird er grund­sätzlich: „Nur ein geschlossener Schlachthof ist ein guter Schlachthof!“

Derzeit gebe es keinen neuen Betreiber für den Schlachthof Elsfleth, teilt der Zweckverband Veterinäramt mit. Ihm und dem Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit seien „in den letzten Monaten lediglich verschiedentliche Ideen für eine Umstrukturierung unter einem neuen Betreiber vorgestellt“ worden.

Issam Hijazi, Geschäftsführer des Schlachthofs Elsfleth, vermittelt einen Kontakt zur Ursache des Gerüchts. Es ist die „Regional-Weidefleisch GbR“, zu der sich rund 30 Rinderhalter aus dem Raum Bremen zusammengeschlossen haben.

„Das ist also schon weit mehr als nur ein Gerücht“, sagt Wolfgang Golasowski der taz, ehrenamtlicher Sprecher der Firma und vor seiner Pensionierung Richter und Staatsrat in Bremen. „Wenn alles klappt, pachten wir den Betrieb und beginnen dort so schnell wie möglich mit der Arbeit, vermutlich Ende des Jahres.“

Schlachtung per Gewehrkugel

Aber der Betrieb werde kein Schlachthof mehr sein, sondern nur noch eine Verarbeitungsstätte. „Die Tiere werden in ihrer gewohnten Umgebung getötet, entweder auf dem Hof per Bolzenschussbetäubung und Kehlschnitt, oder, idealerweise, auf der Weide, durch eine Gewehrkugel.“

Im Betrieb in Elsfleth werde dann „nichts mehr von dem existieren, was auf den Videos zu sehen ist“, sagt Golasowski. Die Hof- oder Weidetötung sei besser für das Tierwohl. Und sie sei besser für die Fleischqualität, weil die Ausschüttung von Stresshormonen vermie­den werde.

Die Rinderhalter, viele Hofladen-Vermarkter, einige biozertifiziert, suchen schon mehrere Jahre nach einer solchen Verarbeitungsstätte. Was in Elsfleth vielleicht demnächst entsteht, bezeichnet Golasowski als „Hotspot“, als Betrieb mit Vorzeigecharakter, denn „so was gibt es ja noch nicht“.

Dass der Schlachthof ein belasteter Ort ist, ist eine Herausforderung für die GbR. „Wir müssen das sehr offen kommunizieren“, sagt Golasowski. „Wir wollen die Vergangenheit des Schlachthofs ja nicht verstecken, und uns nicht vor ihr, aber sie ist Vergangenheit.“

Tiere zu essen, gilt als vernünftig

Unabhängig vom Betreiber müssten die seit der Schließung bestehenden Auflagen „vor einer (Wieder-)Inbetriebnahme umgesetzt bzw. abgearbeitet werden“, erklärt der Zweckverband Veterinäramt. Derzeit sei die Schlachtung dem Schlachthof Elsfleth „weiterhin untersagt“. Die Einhaltung des Schlachtverbotes werde amtlich überwacht.

Wie verhindert werden kann, dass sich Zustände wie der in Elsfleth wiederholen? Man sei dabei „auch auf die Weiterentwicklung rechtlicher Regelungen und Vorgaben angewiesen“, schreibt das Veterinäramt. „So unterstützen wir ausdrücklich die Einführung einer verpflichtenden Kameraüberwachung für schlachtende Betriebe mit behördlichen Zugriffsrechten.“

„Das klingt natürlich erst mal besser“, kommentiert Jan Peifer die Perspektive, dass in Elsfleth Tiere zukünftig nicht mehr getötet werden sollen, nur noch zubereitungsgerecht zerlegt. „Aber eine wirklich tiergerechte Alternative sehe ich hierin nicht. Auch hierbei sterben die Tiere ja.“

Paragraph eins des Tierschutzgesetzes verfügt: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Die Fleischauslagen unserer Supermärkte zeigen: Anscheinend gilt es als vernünftig, Tiere essen zu wollen.

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7 Kommentare

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  • Gute Idee, die die Rinderhalter hier umsetzen wollen. So lässt sich das Fleisch der Erzeuger gut selbst vermarkten und die Wertschöpfung bleibt bei den Erzeugern und in der Region.

  • Ich bin froh, dass die Quälerei aufgedeckt und beendet wurde.



    Das angestrebte Projekt finde ich gut. Neben Veganern und Vegetariern gibt es auch zahlreiche andere Menschen, darunter auch Wenig- und Biofleischesser. Und das darf auch legitim so sein. Darum finde ich die beschriebenen Pläne sinnvoll und hilfreich.

    Wer komplett gegen Fleischverzehr ist, ernährt sich selbst eben entsprechend. Derjenige sollte trotzdem relativ tierschonenderen Alternativen nicht im Weg stehen. Wenn es keine Verarbeitungsplätze für Weideabschusstiere gibt, bekommt man die Tiertransporte und Schlachthöfe, die man nicht will. Die Maximalforderung dass jeder vegan sein solle ist demokratisch nicht umsetzbar und ist deshalb auch keine Lösung.

  • Nachdem ich im ZDF-Spielfilm vom Montag "Catch the Killer" unversehens einen Einblick in die Schlachthaus-Szene erhielt (die Warnung vor verstörenden Einstellungen habe ich zu spät gelesen) verzichte ich nun endgültig auf Fleisch. Sehr beeindruckend fand ich die Schilderungen des Killers zu den Kühen auf der Weide, die einfach nur leben wollen.

  • Natürlich ist Essen im Sinne des Gesetzes ein vernünftiger Grund. Unvernünftig im Sinne des Gesetzes wäre es, ein Tier zu töten, ohne es sinnvoll zu verwerten.

  • Wer radikal gegen jede Schlachtung argumentiert, wird in den nächsten hundert Jahren nicht viel Leid verhindern können.



    Menschen sind von Natur aus Allesfresser, da gehört Fleisch einfach dazu. Nur sehr wenige und verschwindend kleine Kulturen sind hierrüber bereits hinausgegangen.



    Nur weil Einzelne es schaffen, ohne Fleisch zu leben, heißt das nicht, dass es möglich ist, dies für alle Menschen zu erreichen.



    Eine Tötung ohne vorherigen Transport und ohne Stress und Angst für die Tiere sowie eine Tierhaltung, die den Tieren gerecht wird und nicht bloß dem Betreiber der Anlage (von Landwirten kann man hier oftmals kaum noch sprechen), würde bereits viel Leid verhindern.



    Und danach können wir dann sinnvoll drüber reden, aus welchen Gründen wir auch diesen Rest noch abschaffen sollen oder nicht.

  • Tiere werden nicht mehr lebend transportiert! Das ist eine gute Sache. Durch die Schließung vieler kleiner Schlachthöfe sind die Transportwege immer länger geworden. Super, dass die Bauern Elsfleth übernehmen wollen. Viel Erfolg!

    • @Claudia Elfers:

      Top Sache, Landwirte mit Herz und Hirn vermarkten ihre Rinder selbst und nutzen dabei die Zerlegung eines ehemaligen Schlachthofes.