QAnon-Bewegung in der Pandemie: Antisemitismus und Corona

Die QAnon-Bewegung zeigt, wie Antisemitismus um sich greift. Das American Jewish Committee Berlin warnt davor, die Q-Anhänger zu unterschätzen.

Demonstration - in der Mitte des Fotos prangt ein rotes Q

Großdemonstration in Berlin gegen die bestehenden Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie Foto: Christoph Hardt/picture alliance

BERLIN taz | Gelbe Davidsterne mit der Aufschrift „ungeimpft“, kollektive Schuldzuweisungen an „die Juden“ oder die Coronapandemie als Machwerk geheimer Mächte, die die „Weltherrschaft“ an sich reißen wollen: Mehr als 500 solcher und ähnlicher antisemitischer Vorfälle mit Coronabezug hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) zwischen März 2020 und März 2021 registriert. Das geht aus einer Studie hervor, die RIAS im Auftrag des American Jewish Committee Berlin (AJC) erstellt hat und die am Montag in Berlin vorgestellt wurde.

Was laut der Studie auffällt, im Vergleich zu Antisemitismus ohne Coronabezug: wie oft antisemitische Vorfälle auf Versammlungen und Demonstrationen erfasst worden seien. In mehr als der Hälfte der registrierten Fälle handelt es sich um antisemitische Inhalte in Demo-Aufrufen, in Parolen und Redebeiträgen sowie auf Plakaten und Transparenten.

Nicht nur in der Form, auch inhaltlich lassen sich Besonderheiten des coronabezogenen Antisemitismus beobachten: „Wir haben es einerseits verstärkt mit Shoah-Relativierungen, andererseits mit antisemitischen Verschwörungsmythen zu tun“, erklärt Daniel Poensgen, wissenschaftlicher Referent bei RIAS und Leiter der Studie. Viele Demonstrierende inszenierten sich als die Opfer einer neuen Shoah. Andere stellten die Coronapandemie als Vorwand dar, der typischen antisemitischen Feindbildern – wie „die Zionisten“ oder George Soros – zum Ausbau ihrer Macht dienen soll.

Ein Großteil der antisemitischen Vorfälle, die RIAS erfasst hat, ging vom verschwörungsideologischen (45 Prozent) sowie rechtsextremen Spektrum (21 Prozent) aus. Auch das ist ein Unterschied zum Antisemitismus, der nicht im Zusammenhang mit der Coronapandemie auftritt. Hier wurden im selben Zeitraum lediglich 4 Prozent der Fälle An­hän­ge­r:in­nen von Verschwörungsmythen zugerechnet.

Anhängerzahl im niedrigen sechsstelligen Bereich

Ein Verschwörungsmythos, der sich seit Beginn der Coronapandemie auch in Deutschland schnell verbreitet und sich antisemitischer Feindbilder bedient, ist die aus den USA stammende QAnon-Bewegung. Ihre Anhänger glauben an einen „deep state“, in dem eine satanistische Elite Kinder foltert, um aus deren Blut ein Verjüngungsserum zu erzeugen.

Der Direktor des AJC Berlin, Remko Leemhuis, warnt davor, die An­hän­ge­r:in­nen solcher Mythen zu unterschätzen: „Wegen dieser wirklich abstrusen Vorstellungen werden Verschwörungsgläubige oft belächelt. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Attentäter von Halle und Hanau wie auch der Mörder von Walter Lübcke Verschwörungstheorien angehangen haben, die teils auch auf den sogenannten Hygiene-Demos geäußert wurden.“

Für Daniel Poensgen ist ­QAnon außerdem ein Beispiel dafür, wie schnell sich antisemitische Ideen im Zeitalter der sozialen Medien über Ländergrenzen hinweg verbreiteten. Die Bewegung sei zwar kein Massenphänomen – Poensgen schätzt deren Zahl hierzulande im niedrigen sechsstelligen Bereich. Mit einer breiten Vernetzung habe QAnon aber durchaus Ansätze einer sozialen Bewegung.

Daran zeigt sich auch, wie anschlussfähig verschiedene, oft unverbundene und widersprüchliche Stränge einer umfassenden Verschwörungserzählung sein können. Poensgen sieht darin Parallelen zu den „Protokollen der Weisen von Zion“, ein auf Fälschungen beruhendes antisemitisches Pam­phlet von Beginn des 20. Jahrhunderts, das ebenfalls aus einer Vielzahl unterschiedlicher Erzählungen einen vermeintlich übermächtigen Gegner konstruierte.

Genau deshalb müssen ­QAnon & Co ernst genommen werden. Poensgen beobachtet, wie Fragmente der QAnon-Erzählung von „Reichsbürgern“ sowie in rechtsextremen Netzwerken und auf AfD-Veranstaltungen aufgegriffen würden, wo sie als Legitimierung eines „antiliberalen Gegenschlags“ vorgebracht werden.

Remko Leemhuis vom AJC empfiehlt, beim Kampf gegen den Antisemitismus internationaler zu denken.

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