Putsche in Afrika: Hausarrest für den Gestürzten
Wenn nach dem Putsch Korruption und Ausbeutung wie vor dem Putsch herrschen, stimmt etwas nicht. Das fällt jedoch oft erst auf, wenn es zu spät ist.
A frikas Juliputsch in Niger stieß noch auf breite Unterstützung quer durch den Kontinent. Dann folgte der Augustputsch in Gabun. Und der stinkt. In Niger sagten die Putschisten Ende Juli alles, was Afrikanern gefällt, die von offensichtlicher Ausbeutung durch ehemalige Kolonialmächte die Nase voll haben. Über ein Jahr lang war das Internet voll mit Tiktok-Videos gewesen, die Frankreichs postkoloniale Abhängigkeitsverträge geißelten.
Als die Putschisten auf die Ramschpreise für Nigers Uran hinwiesen, sprachen sie für die Mehrheit der Afrikaner, die sich fragen, warum ihre rohstoffreichsten Länder die ärmsten der Welt sind. In sozialen Medien machten sich viele einfache Afrikaner über die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) lustig, die drohte, gegen Nigers Putsch militärisch einzugreifen.
Aber Ende August gab es einen Putsch im ölreichen Gabun, und da entstanden Zweifel über die Motivation der Soldaten, die korrupte Regierungen stürzen. Der gestürzte Präsident Ali Bongo hatte einfach die korrupte Herrschaft seines Vaters Omar Bongo fortgesetzt, die 1967 begann, und der neue Präsident Brice Oligui Nguema ist angeblich mit der Bongo-Familie verwandt – und kommandierte sogar die Präsidialgarde, ein Posten, auf dem er offensichtlich die korrupte Herrschaft der Familie schützen sollte.
Viele afrikanische Beobachter ahnen nun, dass die Welle von Putschen in Afrika möglicherweise nicht das Volk befreien soll, sondern das Gegenteil zum Ziel hat: die Ausbeutung bewahren. Die gestürzten Präsidenten werden nicht umgebracht, sie werden auch nicht während eines Auslandsaufenthalts gestürzt, wie das früher die Regel war. Sie wandern nicht einmal ins Gefängnis. Sie sitzen in ihren Palästen „unter Hausarrest“!
lebt als unabhängiger Publizist in Ugandas Hauptstadt Kampala. Er ist ehemaliger Chefredakteur der Zeitungen Sunday Vision und Daily Monitor in Uganda und Mitgründer der Zeitung The Citizen in Tansania.
Fake-Putsch
Die Zweifel über Gabuns Putsch entzündeten sich daran, dass der gestürzte Ali Bongo in sozialen Medien die Welt dazu aufrief, „Lärm“ wegen seines Sturzes zu machen. Was für eine Ironie. Er selbst hatte das Internet abschalten lassen, und nun erlaubten ihm die neuen Machthaber als Erstes, so ein Video hochzuladen? Sehr merkwürdig. Eine mögliche Erklärung wäre das Phänomen eines regierungsfreundlichen Putsches.
Dies ist ein eher ungewohnter Trick einer Regierungspartei, die unbeliebt wird. Sie hegt den Verdacht, dass sie jederzeit durch einen Volksaufstand gestürzt werden könnte, und um dem vorzubeugen, putscht sie gegen sich selbst. Damit verhindert sie, dass die Opfer ihrer Misswirtschaft einen echten Putsch ausführen. Sie gewährt dann dem Diktator, den sie gestürzt hat, Schutz im Namen der Notwendigkeit, „Blutvergießen zu vermeiden“, „Versöhnung zur Förderung der nationalen Einheit“ herbeizuführen und damit den „Wiederaufbau der Wirtschaft“ zu ermöglichen.
Die düpierte Bevölkerungsmehrheit kann so einen Putsch sogar erst mal unterstützen, bis sie merkt, dass sie betrogen worden ist. Aber dann ist es zu spät. Führende Oppositionelle können in die neue Regierung aufgenommen worden sein. Dann heißt es business as usual. In Niger zum Beispiel ist keine Rede mehr von Uranpreisen. Dieselben ausländischen Unternehmen, die beschuldigt wurden, das Land auszuplündern, konnten einfach weitermachen ohne auch nur einen Tag Pause.
Sie mussten bloß ihre Arbeitszeiten an die Ausgangssperre anpassen. Man kann davon ausgehen, dass es noch mehr Putsche geben wird, wenn sich in immer mehr Ländern die Wirtschaftslage verschlechtert. Und man kann davon ausgehen, dass diese Putsche nichts mit dem Kampf gegen Diktaturen zu tun haben werden.
Aus dem Englischen von Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört