piwik no script img

Putin und XiNur noch ziemlich beste Freunde

Die chinesisch-russischen Beziehungen zeigen erste Schönheitsfehler. Moskaus Flirt mit Indien, Vietnam und den Philippinen kommt nicht überall gut an.

Wladimir Putin mit Chinas Präsident Xi Jinping bei der Feier der chinesisch-russischen Beziehungen am 16. Mai in Peking Foto: Alexander Ryumin/Sputnik/reuters

W ie selten zuvor breitet sich in Chinas sozialen Netzwerken eine Welle nervösen Interesses an Ereignissen und Entwicklungen aus, die sich jenseits der Landesgrenzen zutragen. Nicht länger die eigenen Pläne, im Leben voranzukommen, nicht mehr die bedrückende Situation an den Börsen im Lande, die so viele Millionäre über Nacht in „blanke Stöcke“ (Bettelarme) verwandelt – was zählt, ist der Wahlsieg von Labour in Großbritannien.

Der neue Premierminister Keir Starmer berief gleich eine Sitzung ein, auf der auch die antichinesische Außenpolitik unterstrichen wurde. In Frankreich blieb Marine Le Pen nun doch weit hinter dem erhofften Wahlergebnis zurück. Wie schade! Hätte sie doch sonst den lästigen Europäern gerne weiter in die Suppe spucken können, wie es unser Freund Viktor Orbán – diese Woche zu Besuch auch in China – regelmäßig tut. Und in den USA strauchelt Präsident Joe Biden zusehends.

Wobei hier gar nicht sicher ist, ob er oder sein Gegenkandidat von uns Chinesen zu bevorzugen wäre. Unter all den Ungewissheiten zeigt sich die Ungewissheit über Chinas Freund ­Russland als umso vielsagender. So kam Ende April die Meldung, dass die Philippinen – die mit China um etliche Inseln im Südchinesischen Meer streiten, wobei es praktisch jeden Tag zu einem bewaffneten Konflikt kommen könnte – ­Hyper­sonic-Raketen vom Typ BrahMos aus russisch-indischer Produktion erhalten.

Bild: privat
Shi Ming

ist 1957 in Peking geboren, lebt seit 1989 in Deutschland und arbeitet dort als freier Autor. In seinen Texten setzt er sich mit dem politischen Geschehen und der gesellschaftlichen Entwicklung in seiner Heimat auseinander.

Ein Handel, der irritiert. Warum sollte unser Feind von unserem Freund in Moskau mit Marschflugkörpern versorgt werden? Und dann ist da noch dieser Inder namens Narendra Modi. Dem jüngsten Gipfeltreffen der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) in Kasachstan, da, wo Chinas Präsident Xi Jinping wie ein Kaiser allen zentral­asiatischen Staaten Audienz gewährte, blieb er fern. Dafür besuchte Modi Russland, das im Gegensatz zu Indien bei dem Gipfel in Astana sehr wohl vertreten war.

Wer gegen wen?

Was haben Modi und Wladimir Putin hinter verschlossener Tür zu beraten? Geht es möglicherweise um und gegen China? Der Verdacht könnte nicht zuletzt mit Blick auf die russisch-indische Raketenlieferung an Manila aufkommen. Und es bleibt gar nicht bei den Philippinen oder Indien. Putin hatte zuvor auch Viet­nam einen Staatsbesuch abgestattet. Wie es hieß, konnte Hanoi sich Russlands Unterstützung für Vietnams Ansprüche im Südchinesischen Meer gegen China sichern, speziell auf die Spratly-Inseln.

Spuckt Putin uns Chinesen also auch hier in die Suppe, allen heiligen Versicherungen zum Trotz, dass Moskau China ein verlässlicher strategischer Partner sei? Der Verdacht verdichtete sich weiter, als diese Nachricht wie ein Lauffeuer durch Chinas soziale Netzwerke ging: Nordkorea, das Mitte Juni für Putin den roten Teppich ausgerollt hatte und ihn als den dicksten Freund Pjöngjangs (aufgepasst: nicht Chinas!) feierte, schaltet seine satellitengestützte Kommunikation vom chinesischen System auf ein russisches System um.

Die Nutzung des Satellitensystems ist ein deutlicher Vertrauensbeweis. Bei den Russen, so das Signal, ist die Kommunikation in besseren Händen. Und damit fühlte sich bestätigt, wer schon vorher argwöhnte: Putin spannt uns Chinesen unseren letzten Partner aus, und zwar genau da, wo wir ihn am dringendsten brauchen – als Beißhund gegen Südkorea und Japan.

Überraschend bleibt Zensur aus, selbst wenn manche Mutmaßungen in puncto Russland klar gegen die offiziöse Politik stehen. Grund dafür könnte sein, dass jetzt wenigstens keiner mehr die Arbeitslosigkeit thematisiert, die unter jungen und gebildeten Menschen wieder die Marke von 20 Prozent erreicht hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Es zeigt doch nur, dass Russland eben noch lange nicht so isoliert ist, wie manche hier es träumen. Und es zeigt weiter, dass die Welt eben nicht mehr nach der Pfeife des Westens tanzt. Und es beweist auch, dass sie nicht als Ersatz nach der Pfeife Chinas tanzen wird. Das ist auch gut so.

    • @Ernie:

      Das die Welt nicht mehr nach der Pfeife des Westens pfeift (wer ist da die Oberpfeife?) ist doch an sich nicht schlecht. Jetzt sollten die Völker und Staaten zusammenrücken und gemeinsam gegen die globalen Krisen kämpfen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Nationalismus und Egoismus, Neid und Misstrauen greifen um sich. Jeder gegen jeden. Und so tritt der Homo-Sapiens ab, mit einem großen Knall.

      • @Matt Gekachelt:

        "Jetzt sollten die Völker und Staaten zusammenrücken und gemeinsam gegen die globalen Krisen kämpfen."

        Bloß nicht! Das würde ja Vernunft erfordern.

        Da verdient man doch lieber am Krieg. Monetär und emotional.

    • @Ernie:

      Multipolare Weltordnungen waren bisher immer extrem instabil und führten zu vielen vielen Kriegen. "Das ist auch gut so"... joa für die Götter des Gemetzels.

      • @Machiavelli:

        Noch nicht einmal im Traum würde mir einfallen, die heute Zeit mit dem Mittelalter und die heutigen Regierungen mit Kaiser, Könige und sonstige ehemalige Herrscher zu vergleichen.

        • @Ernie:

          19te Jahrhundert, 1. WK. Etc. Es sind nicht die Herrschaftsformen, es ist die Dynamik der Macht. Da in einer multipolare Weltordnung niemand Frieden erzwingen kann ist Krieg schon mal wesentlich attraktiver. Unipolare und Bipolare Weltordnungen sind stabiler. Weder hat such die menschliche Natur seit 1914 geändert noch sind die diktaturen friedlicher geworden. Der einzige weg zu dauerhaftem Frieden ist die Demokratisierung der Welt.

          • @Machiavelli:

            "Da in einer multipolare Weltordnung niemand Frieden erzwingen kann ist Krieg schon mal wesentlich attraktiver."

            Ein einziger Hegemon kann seine Herrschaft aber auch nur mit Terror und Krieg durchsetzen.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              Ja, aber der Hegemon hat auch ein Interesse an Stabilität, Handel etc. Will keine Unruhe in das System bringen.

              • @Machiavelli:

                Er nicht. Aber die, die sich nicht unterdrücken lassen wollen.

                Ein Hegemon und Freiheit schließen einander aus.

      • @Machiavelli:

        Eine Monopolare Weltordnung wurde zwar immer mal versucht, kann aber dauerhaft nicht funktionieren.

        Niemand ist stark genug, um den Rest der Welt zu dominieren. Versuche, es trotzdem zu tun, haben immer zu verheerenden Kriegen geführt.

  • Kurz und schmerzhaft: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.

  • Traditionell rangiert China im russischen Selbstverständnis einige Stufen unter Russland. Das war im Zarenreich so und auch zu Sowjetzeiten. Putin setzt nicht nur diese Tradition fort sondern sendet auch ein Zeichen, dass man sich nicht als Vasall Pekings begreift.

    Gleichzeitig findet Putin in den asiatischen Anrainerstaaten genügend Partner die dem chinesischen Hegemonialmachtstreben ablehnend gegenüberstehen und offen sind für neue Verbündete.

    Noch ist Russland in Sachen Technologie auf China angewiesen. Es wird am Verhalten Indiens liegen, ob Russland einen Bruch mit China in Kauf nimmt. Konfliktpotential zwischen den beiden Mächten gibt es alleine schon aus geopolitischer Sicht reichlich.