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Puigdemonts Anwalt an BundesregierungAuslieferung soll verhindert werden

Anwalt Wolfgang Schomburg droht im Fall des Ex-Regionalpräsidenten mit einer Klage vor dem BVerfG. Er sieht die Bundesregierung in der Verantwortung.

Wolfgang Schomburg zu seiner Zeit als Richter in Den Haag Foto: ap

München afp | Nach der Festnahme des katalanischen Ex-Regionalpräsidenten Carles Puigdemont in Deutschland hat dessen deutscher Anwalt die Bundesregierung zum Eingreifen aufgefordert. Die Bundesregierung solle „unverzüglich“ erklären, dass sie eine Auslieferung Puigdemonts an Spanien politisch keinesfalls bewilligen werde, sagte der Anwalt Wolfgang Schomburg der Süddeutschen Zeitung. Eine solche politische Bewilligung des spanischen „Rechtshilfeersuchens“ sei nach dem Gesetz zur Internationalen Rechtshilfe notwendig – unabhängig von der juristischen Entscheidung des zuständigen Gerichts.

Bewilligungsbehörde sei angesichts der Bedeutung des Falles die Bundesregierung in Gestalt von Justizministerin Katarina Barley (SPD), sagte Schomburg. Er kündigte an, das Bundesverfassungsgericht anzurufen, falls das Oberlandesgericht Schleswig seinen Mandanten nicht alsbald auf freien Fuß setze.

Der Jurist war laut Süddeutscher Zeitung früher Bundesrichter in Karlsruhe. Danach sei Schomburg von der UN-Vollversammlung als erster deutscher Strafrichter an ein internationales Strafgericht gewählt worden und habe als Richter am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag und dann für Ruanda in Arusha gearbeitet.

Dem Auslieferungsverfahren gegen Puigdemont müsse „so oder so“ ein Ende bereitet werden, „um nicht spanische Interessenskonflikte auf deutschem Boden austragen zu lassen“, sagte Schomburg der Zeitung. Dies bedeute, dass das Verfahren juristisch oder politisch, am besten aber „juristisch und politisch“ beendet werden müsse. Schomburg vertritt den in Neumünster inhaftierten Puigdemont zusammen mit seinem Sohn, dem Wirtschaftsstrafrechtler Sören Schomburg.

Abenteuerlicher Vorwurf

Die Entscheidung über eine Auslieferung nach Spanien dürfte nach Einschätzung der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig nicht vor Ostern fallen. Schomburg kritisierte in diesem Zusammenhang, die Akten seien wohl „zu Fuß von Neumünster nach Schleswig zum Oberlandesgericht unterwegs“. Die Amtsrichterin in Neumünster hatte am Montag entschieden, dass Puigdemont zunächst weiterhin in Gewahrsam zu halten sei.

Schomburg geht davon aus, dass der von den spanischen Behörden ausgestellte Haftbefehl gegen Puigdemont, der sehr unpräzise und oberflächlich sei, juristisch keinen Bestand haben werde. So sei unklar, um welchen Haftbefehl es sich eigentlich handeln solle: Er sei sowohl mit „Europäischer Haftbefehl“ als auch mit „Internationaler Haftbefehl“ überschrieben. Der Gewaltvorwurf gegen Puigdemont sei „unhaltbar“, der Vorwurf der Korruption „abenteuerlich“, sagte Schomburg.

Puigdemont wird in Spanien wegen Rebellion, „Aufwiegelung“ und des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder gesucht

Der Anwalt legte dar, der Korruptionsvorwurf stütze sich darauf, dass Puigdemont als katalanischer Ministerpräsident eine Volksabstimmung über die Unabhängigkeit abhalten ließ, die natürlich Geld gekostet habe. Zum Gewaltvorwurf habe Puigdemont selber vor der Amtsrichterin ausgesagt, „zu keinem Zeitpunkt in seinem Leben jemals Gewalt ausgeübt oder unterstützt“ zu haben, jegliches Gewaltkonzept sei für ihn „gänzlich inakzeptabel“. Schomburg sagte, alle im Haftbefehl dargestellten Gewaltdelikte bezögen sich auf andere Personen.

Puigdemonts Festnahme ist die jüngste Wendung in dem Konflikt um Kataloniens Abspaltung von Spanien, der nach dem Referendum und der einseitigen Ausrufung der Unabhängigkeit der Region im Oktober eskaliert war. Puigdemont wurde damals als Regionalpräsident abgesetzt und floh ins belgische Exil, um seiner Festnahme in Spanien zu entgehen.

Am Freitag reaktivierte das Oberste Gericht in Madrid dann einen Europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont, der sich zu diesem Zeitpunkt zu einem Besuch in Finnland aufhielt. Bei seiner Rückreise nach Belgien wurde er am Sonntag kurz nach dem Grenzübertritt aus Dänemark von der schleswig-holsteinischen Polizei an einer Autobahnraststätte festgenommen. Der Politiker wird in Spanien wegen „Rebellion“, „Aufwiegelung“ und des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder gesucht.

Verfassung auf den Kopf gestellt

Mittlerweile hat der Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein Puigdemont Unterstützung angeboten. Dabei gehe es konkret um eine Beratung zum Asylverfahren, sagte Geschäftsführer Martin Link am Donnerstag in Kiel. Das Grundrecht auf Asyl gelte auch für Menschen, die in ihrem Herkunftsland strafrechtlich verfolgt werden, fügte er hinzu.

Wer das Grundrecht auf Asyl mit dem Hinweis verwehre, dass es Verfolgungsinteressen des Herkunftslandes gebe, der stelle im Blick auf dieses Grundrecht die Verfassung auf den Kopf, sagte Link weiter.

Zur Idee der katalanischen Eigenstaatlichkeit und Loslösung von Spanien könne man möglicherweise unterschiedlicher Ansicht sein, so der Flüchtlingsrat. Doch dass diese Idee vom spanischen Staat als Rebellion gewertet und mit 30 Jahren Haft quittiert werden solle, sei „wohl allemal einer asylrechtlichen Überprüfung wert“.

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6 Kommentare

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  • Also mal in Ruhe abwarten. Aber was man jetzt schon sagen kann: es ist ein starkes Stück, dass die Bundesregierung vertuscht, dass sie am Ende ein Mitspracherecht hat.

  • Wer nur wegen einer strafrechtlichen Verfolgung eine Auslieferung ablehnt und Asyl gewähren will, stellt da System des europäischen Haftbefehls auf den Kopf.

     

    Asyl setzt eine politische Verfolgung voraus. Die Tatsache, dass jemand in seinem Heimatland strafrechtlich verfolgt wird, ist nicht per se Asylgrund.

     

    Herr Puigdemont wird wegen konkreter Straftaten verdächtigt.

     

    Sollen wir nach Ansicht des Flüchtlingsrates jetzt jedem ausländischen Politiker, der sich in seiner Heimat wegen Untreue (oder beispielsweise Korruption) strafbar gemacht hat aufnehmen?

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Das geht in die richtige Richtung und läßt Hoffnung aufkommen.

    Danke für diesen Artikel!

    Bin mal gespannt, wie sich die SPD Dame positioniert.

  • Sollten die Medienberichte zur Begründung der Madrider Zentralregierung bzw. Spanischen Regierung für den Haftbefehl stimmen, so soll auch eine Inhaftierung wegen „Ungehorsam“ erfolgen. Insgesamt soll damit dem Ungehorsamen eine Haft bis zu dreißig Jahren drohen. Offensichtlich hat es bis heute keine nennenswerte Auseinandersetzung mit der franco-faschistischen Diktatur in Spanien gegeben. Die anhaltende Praxis der strafrechtlichen Verfolgung von Abweichlern ist geradezu abstrus. Das erinnert an die klerikale Inquisition. Bei Wikipedia heißt es hierzu: Die Spanische Inquisition existierte formal von 1478 – mit Unterbrechungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts – bis 1834. Demnach über einen Zeitraum von etwa 356 Jahren. Auf Spiegel-Online, vom 2. November 2008, ein Interview mit dem Schriftsteller Jorge Semprún, über die „Aufarbeitung des Franco-Regimes“, unter dem Titel "Die Kirche sieht den Bürgerkrieg immer noch als Kreuzzug". Semprún: „In Spanien überraschen mich manchmal bei den Studenten und Schülern das fehlende Wissen und die mangelnde Sensibilität im Umgang mit den Ereignissen der Vergangenheit. Es gab keine pädagogischen oder institutionellen Anstrengungen, die Vergangenheit offenzulegen, zu kritisieren und zu korrigieren.“

  • Der Anwalt übersieht, dass für die Regelungen des europäischen Haftbefehls Spezialvorschriften gibt (§§ 78 ff. IPR), welche die allgemeinen Regelungen des IPR verdrängen. Auf eine Bewilligung durch die Bundesregierung (§ 74 Abs. 1 IPR) kommt es daher nicht an. Liegen die Voraussetzungen des europäischen Haftbefehls vor, ist grundsätzlich auszuliefern (Art. 79 Abs. 1 IPR).

     

    Hoffentlich liest sich der Anwalt noch ein wenig in die Vorschriften ein, bevor er die Verteidigung seines Mandanten aktiv übernimmt und die ersten Schiftsätze schreibt. Oder ist ihm hier etwas ein absichtlich falsches Statement zu unterstellen?

  • Bravo, Herr Schomburg. Puigdemont ist ein politischer Häftling. Katarina Barley hat sich bisher weggeduckt. Prave GroKo Soldatin?