„Public Value“-Kampagne der ARD: Öffentlich-rechtliche Eigenreklame
Die Kritik an den Rundfunkbeiträgen wird auch in Deutschland lauter. In diesen Zeiten will die ARD nun für sich selbst werben.
Deutschlandradio hat es bereits getan. „Unabhängig. Unverzichtbar. Für 50 Cent Ihres Rundfunkbeitrags“ – mit diesem Spruch wirbt es für seine drei Deutschlandfunk-Wellen. Dazu werden StammhörerInnen zu Testimonials, also Werbefiguren. Für einen Schriftsteller sind die Programme „meine täglichen Anreger und Aufreger“, für eine Studentin „mein Hörsaal für unterwegs“ und für einen Taxifahrer „mein Navi durch das Informationschaos“.
Mit diesen Motiven trommelt das Deutschlandradio für seine Programme, letztlich aber vor allem auch dafür, dass BeitragszahlerInnen und PolitikerInnen dieses System weiter unterstützen. Die Länder arbeiten immerhin an einem Update von Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Anders als in der Schweiz geht es für ARD, ZDF und Deutschlandradio zwar nicht ums Ganze, wohl aber um wegweisende Entscheidungen.
In diesen medienpolitisch heißen Zeiten will nun auch die ARD Stimmung für ihre Angebote machen. An diesem Montag und Dienstag treffen sich die neun IntendantInnen in Bremen. Sie wollen auch über Details einer entsprechenden Kampagne reden. „Ziel ist, den Wert der ARD und ihren Beitrag für den gesellschaftlichen Zusammenhalt besser zu erklären“, heißt es im Vorfeld aus der Pressestelle des Vorsitzenden, des BR-Intendanten Ulrich Wilhelm. Dabei solle auch „der persönliche Nutzen der Programme für den Beitragszahler betont werden“.
Medienpolitisch ist vom „Public Value“ die Rede. Die ARD wird auf ihr Flaggschiff „Tagesschau“ hinweisen, aber auch auf ihre regionalen Info-Wellen und TV-Magazine. Letztlich wird die ARD dabei für sich bestimmen, was aus ihrer Sicht „Public Value“ ist. Manch einer wird das wenigstens teilweise anders beurteilen, nicht zuletzt ManagerInnen privater Sender.
Kritik an „Public Value“
„Eigentlich müsste selbstverständlich sein, dass Öffentlich-Rechtliche sich in ihrem Programm auf ‚Public Value‘konzentrieren“, sagt Claus Grewenig, der das medienpolitische Ressort in der deutschen RTL-Gruppe leitet. „Wenn ich mir aber etwa ansehe, was im Vorabendprogramm passiert, wenn die ARD auch Werbung zeigen darf, habe ich so meine Zweifel, ob das ‚Public Value‘ist.“ Er spielt auf Boulevard, Soaps und Quizshows an.
VertreterInnen der Privatsender beanspruchen „Public Value“ auch für sich. „Schauen Sie sich unser umfangreiches Nachrichtenangebot an – bei RTL oder unserem Nachrichtenkanal n-tv“, sagt Grewenig. „Wenn das nicht ‚Public Value‘ist, was dann?“ Die RTL-Gruppe wünscht sich für dieses Engagement auch eine Gegenleistung von der Medienpolitik: Sie soll die Hersteller von Smart-TV, die am Internet hängen, verpflichten, ihren Nutzern Angebote mit „Public Value“ prominenter anzuzeigen als andere.
Die Mediengruppe ProSiebenSat1 fordert für das, was sie als „Public Value“ in ihrem Programm identifiziert hat, sogar einen Anteil von den Rundfunkbeiträgen. „In dem Maße, in dem wir die Grundversorgung vor allem in jungen Segmenten de facto mit übernehmen, finden wir es sachgerecht, dass diese Inhalte aus öffentlichen Mitteln finanziert oder mitfinanziert werden“, sagte der heutige Vorstandsvorsitzende der Sendergruppe, Conrad Albert, vor bald einem Jahr.
Tatsächlich finden nicht nur in Nachrichtensendungen, sondern etwa auch in Late-Night-Shows – mitunter – Politik statt. Dort, wo das junge Publikum einschaltet, das ARD und ZDF oft meidet. „Politische Themen, die alle beschäftigen, sollen ihren festen Platz haben“, sagte Klaas Heufer-Umlauf erst im März über seine neue ProSieben-Show der Süddeutschen Zeitung. „Dass das funktionieren kann, zeigt ja der Erfolg von US-Kollegen wie Stephen Colbert und John Oliver.“
Für die ARD-IntendantInnen birgt die anstehende Kampagne damit ein Risiko: Die privaten Sender könnten sich drauf setzen und Aufmerksamkeit abziehen. Die ARD will unterdessen nicht nur auf Eigenreklame setzen, sondern BeitragszahlerInnen auch bei physischem Kontakt überzeugen. Von einem „auch selbstkritischen“ Dialog ist die Rede, von „Tagen der offenen Tür“ und Redaktionsbesuchen. Ein mögliches Motto für die anstehende Charmeoffensive liegt für die Sitzung in Bremen auch schon bereit: „Wir sind deins.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier