piwik no script img

Psychotherapeutin über Klimakrise„Auswirkungen sind komplex“

Mit der Klimakrise werden psychische Erkrankungen zunehmen. Die Psychotherapeutin Lea Dohm gibt einen Workshop über Psychologie und Klimawandel.

Macht viele traurig: brennender Regenwald in Brasilien Foto: Dedy Sutisna/dpa/Zumawire
Interview von Petra Schellen

taz: Frau Dohm, wie wirkt sich der Klimawandel auf die Psyche aus?

Lea Dohm: Das ist bestens erforscht, und die Prognosen sind schauerlich: Mit fortschreitender Klimakrise werden Hitzeperioden länger – und psychische Erkrankungen werden stark zunehmen. Mit der Hitze steigt die Aggression, und auch Suizidalität hat einen nachweislichen Zusammenhang mit Hitze. Zudem nimmt der gesellschaftliche Zusammenhalt ab. Deshalb müssen wir einerseits Energie aufwenden, um zu verhindern, was noch zu verhindern ist. Zugleich müssen wir Behandlungskapazitäten aufbauen. Nicht nur personell, sondern auch räumlich.

Inwiefern?

Ich weiß, dass viele Psychiatrien noch gar nicht mit Klimatisierung ausgestattet sind. Aber die Hitze war ja nur ein Beispiel. Die Auswirkungen der Klimakrise auf die psychische Gesundheit sind sehr komplex. Die durch das Ahrtal-Hochwasser traumatisierten Menschen brauchen eine Behandlung, das wäre relativ direkt. Wenn aber ein nicht selbst vom Hochwasser betroffenes Kind wochenlang nicht in den zerstörten Kindergarten gehen kann, wirkt sich das auch auf seine psychische Gesundheit aus.

Trotzdem wird der Klimawandel teils noch bagatellisiert. Was bringt das der Seele?

privat
Im Interview: Lea Dohm

39, ist Psychotherapeutin. Sie war 2019 Mit-Initiatorin von „Psychologists/Psychotherapists for Future“ und hält unter anderem Vorträge zum Thema Klimapsychologie und Klimakommunikation.

Verdrängung ist ein klassischer Abwehrmechanismus und erst mal nicht pathologisch, sondern etwas Gesundes, um uns auf das Wichtigste zu fokussieren. Nur kann das bei der Klimakrise dazu führen, dass das Thema und der damit verbundene Handlungsdruck immer wieder nach hinten geschoben werden. Da kann es helfen – und das tue ich in meinem Workshop über Psychologie und Klimawandel –, über diese Abwehrmechanismen aufzuklären, damit wir ihnen nicht auf den Leim gehen.

Wie verhindern wir das?

Es geht darum, ins Handeln zu kommen, indem wir einen persönlichen Bezug zum Klimawandel herzustellen und verstehen: Was bedeuten 1,5 oder zwei Grad Erhitzung für meinen Wohnort, meine Berufswahl, meine Altersversorgung? Wenn wir das Gefühl haben: „Es ist ernst, es betrifft mich, und ich kann etwas tun“, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass wir aktiv werden, möglichst – auch – als Gruppe. „Fridays for Future“ hat es vorgemacht, aber bei Demonstrationen können wir nicht stehen bleiben. Und da hat es zum Beispiel eine starke Wirkung auch auf meine Motivation, wenn ich bei meinem Arbeitgeber durchsetzen kann, dass die Nummer eins der Kantinengerichte vegetarisch ist – oder dass sich mein Sportverein engagiert, um Radfahren in der Stadt attraktiver zu machen.

Aber was nützt dieses Kleinklein, wenn in China weiter Umwelt zerstört, in Brasilien massiv Regenwald abgeholzt wird?

Das ist ein typischer Verzögerungsdiskurs – wie auch das Argument „es ist jetzt sowieso zu spät“. Ja, für einige Sachen ist es zu spät. Aber wir können auch viel tun, es ist das entscheidende Jahrzehnt für Veränderung. Und ja, es stimmt, es läuft weltweit immer noch viel schief. Es läuft aber auch viel gut. China etwa hat bereits eine deutlich niedrigere Pro-Kopf-Emission als Deutschland.

Und was läuft im Regenwald gut?

Der Workshop

Online-Workshop „Vom Denken zum Handeln: Warum die Klimakrise auch eine psychologische Krise ist“ der Naturschutzjugend (Naju) Hamburg mit Lea Dohm: Di, 5. April, 18 bis 19.30 Uhr, im Rahmen des Projekts „Klima-Coaches“. Anmeldung möglich unter: www.naju-hh.de/jugend/klima-coaches

Dazu fällt allerdings auch mir nichts Tröstliches sein. Aber es hat letztlich keinen Sinn, in die Ferne zu verweisen, statt selbst ins Handeln zu kommen. Um das zu erleichtern, bieten die „Psychologists for Future“, bei denen ich aktiv bin, zum Beispiel ein kostenfreies Beratungsangebot. In bis zu drei Sitzungen kann man sich beraten lassen, wenn es einem nicht gut geht mit Klimagefühlen oder wenn es im eigenen Engagement irgendwo hakt.

Wenn Sie Suizidgedanken haben, können Sie sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden: ☎ 0800-111 01 11, ☎ 0800-111 02 22, www.telefonseelsorge.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • "Mit der Hitze steigt die Aggression, und auch Suizidalität hat einen nachweislichen Zusammenhang mit Hitze." Müsste es dann nicht in wärmeren Ländern mehr Aggression und Suizide geben? Das entspricht zumindest nicht meinen intuitiven. Annahmen, aber diese Aussage lässt sich doch auch überhaupt nicht aus dem als Quelle verlinkten Text ableiten. Ich würde mir wünschen, dass bei solchen Aussagen auch Mal kritisch nachgehakt wird.

    • @Ruediger:

      Sie wird sich auf eine Studie aus den USA und Mexiko beziehen - und bläst das Ergebnis dann hemmungslos auf. Es gibt laut dieser Studie wirklich einen Zusammenhang zwischen Hitze und Selbstmordrate, jedenfalls in brütend heißen Gebieten - an der Grenze zur statistischen Signifikanz,. Konkret: 0.68% mehr Suizide pro 1 Grad erhöhte Durchschnitts-Monatstemperatur in den USA. Bei zwei Grad wegen Klimawandel also grob 1.5% mehr. Daraus einen Anspruch auf flächendeckenden Ausbau der Behandlungskapazitäten wegen starken Anstiegs psychischer Erkrankungen abzuleiten ist dreist. Ich stimme Ihrem Wunsch nach besserer Vorbereitung der Interviewer und kritischem Nachfragen unbedingt zu.

      • @TheBox:

        Es ist jedenfalls so offensichtlich nicht stimmig, dass es keine gute Werbung für die "Workshops" der Dame ist.

  • "Mit der Hitze steigt die Aggression"

    Kann ich nicht glauben.



    Bei Hitze werde ich faul und friedlich.



    Kälte macht schlechte Laune.

  • "Was bedeuten 1,5 oder zwei Grad Erhitzung für meinen Wohnort, meine Berufswahl, meine Altersversorgung?" fragt Lea Dohm. Nun, für einen Hamburger bedeutet eine um 2 Grad höhere Durchschnittstemperatur, dass es dort so warm wird wie jetzt in Freiburg. In Deutschland betrug die Durchschnittstemperatur im Zeitraum1961 - 1990 8,50° C. Zum Vergleich: In Frankreich 10,70° C, in Spanien 13,30 °C und in Italien 13,45 ° C (Quelle: de.wikipedia.org/w..._Temperatur).Waren (und sind) in diesen Ländern, in die Deutsche gern in den Urlaub fahren, psychische Erkrankungen häufiger und die Aggressivität höher als in Deutschland? Wohl kaum.