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Prozess in BerlinDer U-Bahn-Treter gesteht

Der Angeklagte gibt an, unter Drogeneinfluss eine Frau unvermittelt eine Treppe heruntergetreten zu haben. Ihm drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Der Angeklagte gibt an, unter Drogeneinfluss gestanden zu haben Foto: dpa

Berlin taz | Der Prozess um den sogenannten Berliner U-Bahn-Treter hat am Montag mit einem Geständnis begonnen. Am ersten Verhandlungstag vor dem Berliner Landgericht ließ der Angeklagte Svetoslav S. durch seinen Verteidiger eine Stellungnahme verlesen.

Der 28-Jährige gab zu, derjenige gewesen zu sein, der in einem Video zu sehen ist, wie er unvermittelt und von hinten eine Frau eine Treppe heruntertritt. Das Video hatte Ende letzten Jahres bundesweit eine Debatte über Überwachung und Sicherheit im öffentlichen Raum ausgelöst. An den Tritt selbst will der Angeklagte sich jedoch nicht erinnern können. Zum Tatzeitpunkt habe er stark unter Drogen gestanden und zuvor neben Alkohol Koks, Crystal Meth und Haschisch konsumiert, las sein Verteidiger vor.

Von der Tat habe er bewusst erst durch die Videoaufnahmen erfahren, die sechs Wochen später erst von Medien und daraufhin auch von der Polizei veröffentlicht wurden. Seine Mutter und eine Schwester hätten ihn darauf aufmerksam gemacht. Damals sei Svetoslav S. zur Arbeit in Marseille gewesen. Nachdem er das Video gesehen hatte, sei er in der Absicht, sich der Polizei zu stellen, mit dem Bus nach Berlin zurückgekehrt. Die Polizei sei ihm aber zuvor gekommen und habe ihn bereits am Busbahnhof festgenommen.

Im Gerichtssaal wurden mehrere Überwachungsvideos abgespielt, die die Tat aus unterschiedlichen Perspektiven zeigten. Die Aufnahmen der Berliner Verkehrsbetriebe vom U-Bahnhof Hermannstraße zeigen neben dem Angeklagten weitere Männer, darunter auch seinen jüngeren Bruder, der im Prozess als Zeuge erschien. Doch auch er will zum Tatzeitpunkt unter Drogen gestanden haben und könne sich nicht erinnern, erklärte er. Dem angeklagten Bruder attestierte er häufig aggressives Verhalten.

Die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten ist noch nicht geklärt

Justizsprecherin Lisa Jani

Das bestätigte auch die Frau des Angeklagten, Svetlanka M., als sie in den Zeug*innenstand gerufen wurde. Auf Nachfrage der Richterin erzählt die 27-Jährige von einem schweren Autounfall des Angeklagten, der sich 2008 zugetragen haben soll und in dessen Folge sich der Angeklagte stark verändert habe. „Seitdem hat er Probleme im Kopf“, erklärte die Lebensgefährtin des Angeklagten. Er sei häufiger aggressiv und nehme seit dem Unfall regelmäßig Drogen.

Justizsprecherin Lisa Jani erklärte vor der Verhandlung, die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten sei noch nicht geklärt. Es existiere zwar ein psychologisches Gutachten, zum Inhalt konnte sie jedoch keine Angaben machen.

Die Anklage der Staatsanwaltschaft lautet auf gefährliche Körperverletzung. Dem Mann werden außerdem exhibitionistische Handlungen in zwei Fällen vorgeworfen. Dazu wollte sich Svetoslav S. nicht äußern. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft.

Die angegriffene Frau zog sich durch den Sturz eine Platzwunde am Kopf und einen gebrochen Arm zu. Sie tritt im Prozess als Nebenklägerin auf und soll am Donnerstag als Zeugin aussagen.

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7 Kommentare

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  • Nun ja, er läuft ja nicht frei herum und wird das die nächste Zeit auch nicht. Sollte schuldunfähig sein, wird er therapiert und könnte ev. länger hinter verschlossenen Türen sein als bei einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Sowohl die Aggressionsbereitschaft als auch die multiple Drogensucht dürften ein Hinderungsgrund sein, ihn schnell zu entlassen. Ich denke, dass können Ärzte und Gericht besser beurteilen als ich und ev. auch Sie.

  • Genau: Drogen, Gedächtnisschwund, verminderte Schuldfähigkeit - der Anwalt versteht seinen Job (auch wenn dafür wahrscheinlich kein Jurastudium und nicht mal viel Phantasie nötig war).

    Ich finde es unerträglich, dass solche asozialen und gefährlichen Menschen frei herumlaufen.

     

    Zumindest belegt die Sache, dass Videoüberwachung nicht viel bringt - sogar wenn, wie hier, Täter überführt werden können.

    • @benevolens:

      "Asozial" Aja... Mit diesem workmächtigem Wort und mit einem schwarzen Winkel als Kennzeichen bedachten Nazis viele Menschen ab 1933 und steckten sie in KZs...

      • @Uranus:

        "asozial" ist demnach - wg. Nazis, man könnte hinzufügen: DDR - ein zu vermeidender Begriff. Welches umgangssprachliche Wort wäre denn genehmer, vielleicht "deviant"? Oder besser gar nichts sagen?

    • @benevolens:

      So unterschiedlich kann die Sichtweise sein. Es gibt Leute, die sagen wn, dass das ein typischer Fall sei, der belege, dass die Videoüberwachung viel bringt.

       

      Hätte es die Kamera nicht gegeben, wäre er nicht überführt worden. Es ist das Signal dass so ein U-Bahnhof eben doch kein anonymer Raum ist. Die BVG, dass seit Einführung der Kameras die Fallzahlen sinken.

      • @rero:

        Wenn man das Video gesehen hat, nimmt man dem Täter seine Story vom Drogeneinfluss und seine Unzurechnungsfähigkeit gleich noch leichter ab. Wenn der jetzt freigesprochen oder seine Schuldfähigkeit angezweifelt wird: haben die Kameras dann irgendjemandem geholfen? Haben sie dann nicht nur (Gerichts)kosten verursacht, das Opfer gedemütigt und Nachahmer herausgefordert?

         

        Aber Sie haben recht: sinkende Fallzahlen (und viele tatsächlich verurteilte Täter) sind ein starkes Argument. Videoüberwachung und rechtliche Schlupflöcher sind zwei verschiedene Paar Schuhe.

        • 8G
          83379 (Profil gelöscht)
          @benevolens:

          Was sie beklagen ist eher das Rechtsystem, wie sie selbst anmerken, in anderen Rechtsystem würde der gute Mann gerädert werden, das würde auf andere sicherlich erzieherisch wirken, ob man das will ist die Frage.