Prozess gegen Querdenker: Das Gesetz schlägt zurück

Viktor K. steht vor Gericht, weil er auf einer Querdenker-Demo in Hamburg eine Polizistin mit einem Grundgesetz geschlagen haben soll.

Hand streckt Polizisten ein Grundgesetz entgegen

Irgendwo zwischen Fetisch und Nahkampfwaffe: das Grundgesetz im Handgemenge Foto: Christoph Soeder/dpa

HAMBURG taz | Im Sommer 2020 war es in verqueren Telegram-Chat-Gruppen noch relativ ruhig. Der windschiefe Widerstand befand sich in Hamburg noch im Aufbau und auch am 9. Mai 2020 ging es zunächst ganz entspannt auf dem Rathausmarkt zu. Mas­ken­geg­ne­r:in­nen versammelten sich einem Polizeibericht zufolge auf dem Kopfsteinpflaster vor dem Rathaus, um gegen „staatlichen Zwang“ und die Coronamaßnahmen zu demonstrieren.

Unter dem Motto „Wir gemeinsam für das Grundgesetz“ seien „hauptsächlich ältere Damen“ gekommen, wie eine Polizeizeugin aussagt. Sie hätten sich auf den Boden gesetzt und meditiert. Ein Mann allerdings, der 34-jährige Viktor K., war ganz und gar nicht in friedvoller Stimmung. Nun muss er sich vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, eine Polizistin mit dem Grundgesetz auf den Arm geschlagen und einem Polizisten einen Hieb ins Gesicht versetzt zu haben.

„Ich wünschte, ich wäre nie an der Station ausgestiegen“, fasst K. am ersten Verhandlungstag vor dem Strafgericht zusammen. K., der eine ärztliche Bescheinigung besitzt, die ihn von der Maskenpflicht entbindet, blickt während seiner Zeugenaussage mit starrem Blick auf den Staatsanwalt, selten in die Augen der Richterin.

K. sagt aus, seine Frau und er hätten sich ein schönes Wochenende in Hamburg machen wollen. Sie seien aus Südniedersachsen angereist, um ein bisschen mit E-Scootern zu fahren. Dafür hätten sie die Kinder bei den Großeltern abgegeben. Seine Frau wird später beteuern, dass K. und sie sich nicht als Quer­den­ke­r:in­nen verstünden.

Zufällig seien sie am Rathausmarkt ausgestiegen, wo ihnen direkt ein paar Menschen ein Grundgesetz in die Hand gedrückt hätten. K. seien zwei Po­li­zis­t:in­nen aufgefallen, die aggressiv gewirkt und Personen kontrolliert hätten. Er habe wissen wollen, was los sei und warum die Einsatzkräfte gegen die „Hippies“, wie er sie nennt, vorgingen. Er habe sich den Be­amt:innen genähert und ihnen etwas Beleidigendes zugerufen – an den genauen Wortlaut könne er sich nicht mehr erinnern, aber es sei irgendetwas mit „Haaren“ gewesen. Eine Be­am­tin hätte versucht ihn wegzuschubsen und Pfefferspray gegen ihn eingesetzt. Dabei habe er mit dem DIN-A5-Exemplar des Grundgesetzes den Arm der Polizistin gestreift.

Das Gesetz war scharf und frisch gedruckt

„Die Kanten waren sehr scharf, es war frisch gedruckt“, sagt der Angeklagte. Nach dem Einsatz des Pfeffersprays habe er versucht zu flüchten, wobei er einen Polizisten in einer Drehbewegung am Gesicht touchiert haben will. „Instinktiv“ sei er davongelaufen, habe sich auf einer Müllpresse am Parkhaus der Europapassage versteckt. Dort fanden ihn die Beamt:innen.

„Mein Kollege hat Blut ausgespuckt und meinte, dass er das Gefühl habe, seine Zähne seien locker“, sagt hingegen die Polizeibeamtin aus, die das scharfkantige Gesetzbuch abbekam. Den Schlag, den K. gegen den Polizisten gerichtet haben soll, habe sie selbst allerdings nicht gesehen.

Die Demonstration sei „ganz anders als die üblichen Hamburger Demos“ gewesen. Nach Ende der Veranstaltung hätten die Einsatzkräfte die Teil­neh­me­r:in­nen darauf hingewiesen, dass sie den Kundgebungsort nun zu verlassen hätten. Doch die Personen hätten abgestritten, überhaupt an einer Demonstration teilzunehmen – sie hätten lediglich meditieren wollen und würden deshalb auch nicht gehen.

Mit geballten Fäusten

Bei einem solchen Gespräch sei Viktor K. hinzugekommen, dessen Auftreten „nicht meditativ“ auf die Polizistin gewirkt habe. Vielmehr habe er zu ihrem Kollegen gesagt, dass dieser sich „Haare am Sack“ wachsen lassen solle. Mit geballten Fäusten sei er sehr dicht an den Beamten herangetreten. „Da habe ich mir gedacht, dass gleich ein Schlag kommt“, sagt die Polizistin aus.

Daraufhin habe sie Pfefferspray eingesetzt, der Angeklagte habe jedoch kaum reagiert. Er sei kurz zurückgewichen und über eine am Boden sitzende Person gestolpert. Danach habe er sich vor dem Kollegen aufgebaut und müsse ihm dann ins Gesicht geschlagen haben.

Ein Urteil wird Anfang August erwartet, wenn die Verhandlung fortgesetzt wird und weitere Zeu­g:in­nen gehört werden sollen. Der erste Termin hatte sich um eine Stunde verzögert: Der Angeklagte war zu spät gekommen, weil er die Zeugenvorladung seiner Frau mit seiner eigenen verwechselt hatte.

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