Proteste in der Ukraine: Westerwelles letztes Gefecht
Der scheidende Außenminister kritisiert den russischen Druck auf Kiew scharf. Vize-Regierungschef Arbusow schließt vorgezogene Neuwahlen nicht aus.
KIEW/BERLIN afp/rtr/dpa | Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat Russlands Einflussnahme auf die Ukraine indirekt scharf kritisiert. „Das Aufbauen von Drohkulissen und das Ausüben wirtschaftlichen Drucks, wie wir es im ablaufenden Jahr erlebt haben, sind schlicht inakzeptabel“, sagte Westerwelle am Donnerstag bei der Konferenz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Kiew, ohne dabei Russland ausdrücklich zu nennen.
Besorgt äußerte er sich auch über das gewaltsame Vorgehen der ukrainischen Sicherheitskräfte gegen Demonstranten. Die Menschen in der Ukraine wollten über ihre Zukunft selbst entscheiden, sagte Westerwelle. Die Ukraine stehe derzeit der OSZE vor und habe gerade in dieser Position die Pflicht, friedliche Demonstranten vor jeder Art von Einschüchterung und Gewalt zu schützen.
Doch die Tür zu Europa steht nach Ansicht Westerwelles weiterhin offen. Man sei nach wie vor bereit, das Assoziierungsabkommen mit dem osteuropäischen Staat zu unterschreiben, sagte Westerwelle in einem ARD-Interview. Eine große Mehrheit der Ukrainer teile europäische Werte und wolle den Weg Richtung Europa gehen. „Das erfreut das Herz von jedem überzeugten Europäer.“
Westerwelle sagte, das Abkommen würde Investitionen aus dem Ausland ermöglichen. So habe das Nachbarland Polen mit seiner Hinwendung zu Europa eine erstaunliche Entwicklung geschafft. Viele Unternehmen wollten in der Ukraine investieren. Wegen der Unsicherheit gebe es für sie aber keine guten Bedingungen, beklagte er.
Gesprächsangebote von allen Seiten
Unterdessen hat der ukrainische Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko den prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch mit Nachdruck zu Gesprächen über die Krise in der früheren Sowjetrepublik aufgefordert. „Ich bin bereit, mit ihm die entscheidenden Punkte zu besprechen“, sagte Klitschko am Donnerstag in Kiew. Er zweifle aber daran, dass Janukowitsch, der sich derzeit in China aufhält, Verständnis habe für die Wut der proeuropäischen Regierungsgegner.
Im Parlament verhinderte die Opposition um Klitschko mit einer Blockade der Rednertribüne weiterhin eine Sitzung. „Die Krise kann nicht im Parlament gelöst werden, sondern nur mit Neuwahlen und der Freilassung von Julia Timoschenko“, sagte Arseni Jazenjuk von der Partei der inhaftierten Oppositionsführerin.
Der stellvertretende ukrainische Regierungschef Sergej Arbusow hat vorgezogene Neuwahlen zur Beilegung der aktuellen Krise nicht ausgeschlossen. „Wir müssen Gespräche führen, uns an den Verhandlungstisch setzen und über die vorgelegten Vorschläge diskutierten“, sagte Arbusow am Donnerstag in einem Interview mit dem Fernsehsender Kanal 5 auf die Frage, ob er mit der Opposition über ihre Forderung nach Neuwahlen sprechen würde. Trotz Temperaturen um den Gefrierpunkt demonstrierten allein in der Hauptstadt erneut Tausende für eine Annäherung des Landes an die EU.
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