Proteste in Vietnam: Peking verhandelt nicht
Ob der antichinesischen Proteste fliehen Chinesen nach Kambodscha. Die Regierungen in Hanoi und Peking schieben sich gegenseitig die Schuld zu.
BERLIN/PEKING taz | Die antichinesischen Proteste in Vietnam gehen weiter – und haben das erste Todesopfer gefordert. Ein Chinese kam ums Leben, als am Mittwochabend in der Zentralprovinz Ha Tinh etwa Tausend Vietnamesen ein im Bau befindliches Stahlwerk des taiwanischen Konzerns Formosa Plastics angriffen. Dort arbeiten Vietnamesen, Chinesen und Taiwaner zusammen.
Nach dem Angriff auf die Baustelle berichtete der taiwanische Werkmanager, dass der Provinzgouverneur und sein Polizeichef während der Unruhe auf dem Firmengelände gewesen seien – aber nicht entschieden genug reagiert hätten. Ein Arzt im Provinzkrankenhaus von Ha Tinh sprach gegenüber Reuters sogar von 21 Toten – fünf Vietnamesen und 16 Personen, von denen nicht ganz klar war, ob sie Chinesen wären. Vietnams Außenamtssprecher dementierte dies aber am Nachmittag vor der Presse in Hanoi.
Inzwischen flohen aus Furcht vor weiterer Gewalt mehrere Hundert Chinesen über die Grenze ins benachbarte Kambodscha. Die Pekinger Regierung schickte Sondermaschinen zu den Flughäfen in Hanoi und Saigon. Auch aus Taiwan, Singapur und Hongkong trafen Flieger ein, um ihre Bürger heimzuholen.
Angst haben aber nicht nur Ausländer: Viele der rund eine Million ethnischen Chinesen, die in Vietnam leben, fühlen sich jetzt ebenfalls bedroht.
Die Proteste hatten am Wochenende in mehreren Städten begonnen, nachdem China am 1. Mai eine Ölbohrplattform in ein Gebiet im Südchinesischen Meer (vietnamesischer Name: Ostmeer) geschleppt hatte. Das mutmaßlich rohstoffreiche Gebiet wird auch von Vietnam beansprucht. Schiffe beider Seiten rammten sich und schossen mit Wasserkanonen aufeinander. Die vietnamesische Zeitung Tuio Tre berichtete am Donnerstag von neuen Konfrontationen auf dem Wasser.
Obwohl sich die Proteste gegen die Volksrepublik richten, waren viele taiwanische und auch südkoreanische Firmen betroffen. Bereits am Dienstag hatten rund 19.000 Demonstranten in den südvietnamesischen Provinzen Binh Duong und Nong Nai gegen China demonstriert und in örtlichen Industriezonen 15 Fabriken angezündet.
Hanoi übt den Spagat
Die chinesische Regierung hat die blutigen Proteste scharf verurteilt – und zugleich Verhandlungen über die umstrittenen Gebiete abgelehnt: „Bei unserem Territorium und unserer Souveränität werden wir niemals Kompromisse eingehen“, so Verteidigungsminister Chang Wanquan. Das KP-Blatt Global Times gab den USA eine Mitschuld an der Gewalt. Die Äußerungen von US-Außenminister John Kerry, Chinas Vorstoß mit der Ölplattform sei provokant und aggressiv gewesen, habe Hanoi zu „hasserfüllten Protesten inspiriert“.
Dieser Vorwurf verkennt, dass viele in den Nachbarländern ganz allgemein nicht gut auf China zu sprechen sind. Auch mit den Philippinen und Japan streitet sich Peking um Territorien.
Vietnams Staatsmedien üben sich derweil im Spagat: Sie erklärten, die Regierung werde nicht nachgeben – aber Investoren bräuchten sich nicht zu sorgen. In Internetforen gab es Reaktionen wie „Wir sollten China eine Lektion verpassen, so wie es unsere Väter und Großväter getan haben“ bis hin zu „Wir sollten die Internationale Presse einladen. Wenn sie darüber berichten wird, kann China nichts mehr tun.“
Mitarbeit: Felix Klickermann
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