piwik no script img

Proteste in Frankreich„Schande“ für die Polizei

In Frankreich demonstrieren wieder Tausende gegen die Sicherheitspolitik und gegen Polizeigewalt. Macron nennt Letzteres einen Slogan von extremen Linken.

Hartes Zusammentreffen mit der Polizei bei Protesten gegen Polizeigewalt Foto: Francois Mori/AP

Paris taz | Wie schon eine Woche zuvor haben am Samstag in Paris und in fast hundert anderen Städten Frankreichs Zehntausende von Menschen gegen die Polizeigewalt und den Gesetzesentwurf für eine verschärfte Ordnungs- und Sicherheitspolitik demonstriert. Zu diesen Kundgebungen, bei denen es wie schon am 29. November zu einigen Sachbeschädigungen und Zusammenstößen mit der Polizei gekommen ist, hat ein Kollektiv von Mediengewerkschaften, Linksparteien, Bürgerrechtsorganisationen und lokalen „Gelbwesten“-Gruppen aufgerufen. Ihnen genügt der Teilrückzug der Regierung vor einigen Tagen bei Weitem nicht, sie fordern die Staatsführung auf, drei besonders umstrittene Artikel der Gesetzesvorlage mit dem Titel „Globale Sicherheit“ ganz zu streichen.

Vor allem der Artikel 24 in diesem Gesetzesentwurf, der das seit 1881 geltende Presserecht revidiert, war spätestens nach einem erneuten Fall von Polizeigewalt politisch unhaltbar geworden. Die Veröffentlichung des Films einer privaten Überwachungskamera auf Loopsider zeigt, wie in Paris vier Polizeibeamte ohne ersichtlichen Grund den schwarzen Musikproduzent Michel Zecler beschimpft und krankenhausreif geschlagen hatten.

Dieses Dokument belegt in exemplarischer Weise, dass ohne Filme von Augenzeugen der Tatbestand von unrechtmäßiger polizeilicher Gewalt meist kaum zu beweisen ist. Die Staatsführung wurde damit in größte Verlegenheit gebracht. Präsident Emmanuel Macron musste gestehen, diese Beamte, gegen die ein Strafverfahren läuft, seien eine „Schande“ für die Polizei.

Polizeigewalt als „Slogan“

Am Montag hat Premierminister Jean Castex das ursprünglich geplante Verbot, Aufnahmen von Polizisten in Aktion mit „offensichtlich schädigender Absicht“ zu veröffentlichen, bis auf Weiteres auf's Eis gelegt. Mit diesem Rückzieher trug er der Kritik Rechnung, die dieses Filmverbot als eine gravierende Einschränkung der Medienarbeit und der Freiheit der Bürger:innen betrachtet. Der Gesetzestext war ohnehin derart schlecht und unpräzise formuliert, dass ein Veto des obersten Verfassungsgerichts höchst wahrscheinlich gewesen wäre. Eine neue Fassung dieses Artikels, der die Polizeibeamten vor Anprangerung auf den Netzwerken und handfesten Bedrohungen und Aggressionen schützen soll, könnte aber laut Castex schon in den kommenden Wochen in eine andere Gesetzesvorlage integriert werden.

In einem Interview mit dem Online-Magazin „Brut“ sagte Macron am Freitag, für ihn sei „Polizeigewalt“ vor allem „ein Slogan von Leuten hauptsächlich (aus Kreisen) der extremen Linken geworden“. Mehr als ein bloßes Wort sind diese Brutalitäten, die den Ordnungstruppen zu Last gelegt werden, zweifellos für die Opfer in den Reihen der Demonstrierenden.

Macron verwehrt sich vehement gegen Vorwürfe aus dem Ausland, denen zufolge in Frankreich heute die Freiheit gefährdet sei. „Wir sind nicht in Ungarn oder der Türkei“, sagte er sichtlich verärgert. In diesem Kontext kündigte er an, er wolle für ethnische Diskriminierungen durch Polizist:innen – junge Menschen mit dunkler Hautfarbe werden in Frankreich auf der Straße sehr viel häufiger kontrolliert als Weiße – eine Meldestelle einrichten. Als Replik auf diesen ihrer Meinung nach pauschalen Rassismusverdacht haben die Polizeiverbände nun damit gedroht, ihre Kontrollen zum Zeichen ihres Protests auszusetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • 2G
    2284 (Profil gelöscht)

    In einem Interview mit dem Online-Magazin „Brut“ sagte Macron am Freitag, für ihn sei „Polizeigewalt“ vor allem „ein Slogan von Leuten hauptsächlich (aus Kreisen) der extremen Linken geworden“.

    Mag sein, Gewalt gegen Polizeibeamte ist auf jeden Fall schon seit langem ein Slogan der extremen rechten. Wo wir schonmal so munter Gewalterfahrungen kleinreden und deren Bewertung davon abhängig machen wer es sagt.

    Wie dumm will konservativ neoliberale Politik eigentlich noch werden?

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Für mich ist schon seit Längerem klar, dass der Typ eine Flasche ist!



    Seinen neoliberalen Kurs lehnen viele Franzosen ab und zeigen das auf der Straße.

  • Keine Überraschung. Macron ist Banker. Er wurde installiert, um die Interessen des Kapitals zu schützen. Und wenn er nicht liefern sollte, wird das Kapital notgedrungen auf seine Rivalin Le Pen umschwenken.

    • @Linksman:

      Genau! In der Sowjetunion wäre dies, unter Berücksichtigung der großen Leistungen der Arbeiterklasse, unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei, nie passiert! :-)

      • @Running Man:

        @running man

        Und welcher Zusammenhang besteht zwischen ihrem und Linksman Post?

      • 9G
        96177 (Profil gelöscht)
        @Running Man:

        Zeitmaschine kaputt?