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Proteste gegen mehr UmweltschutzBauern trotz Milliarde sauer

Die Große Koalition will der Branche zusätzliches Geld spendieren. Dennoch will die Agrarlobby weiter gegen Umweltauflagen vorgehen.

Bauernproteste gegen die Agrarpolitik in Erfurt im Januar Foto: Martin Schutt/dpa

Berlin taz | Trotz der von CDU/CSU und SPD beschlossenen Milliardenhilfe für die Landwirtschaft protestieren viele Bauern weiter gegen strengere Umweltvorschriften. „Wir lassen uns nicht kaufen! Die Politik muss endlich ihre Fehler eingestehen“, postete die Bewegung „Land schafft Verbindung Deutschland“ am Donnerstag auf ihrer Facebook-Seite.

Die Initiative hatte in den vergangenen Monaten Zehntausende Bauern zu Demonstrationen gegen Vorschriften zum Schutz von Grundwasser, Insekten und Klima in der Landwirtschaft mobilisiert. Dirk Andresen, Sprecher der Vereinigung, wandte sich erneut gegen die geplante Düngeverordnung. Der Deutsche Bauernverband forderte, „fachliche Mängel“ im Düngerecht und im Aktionsprogramm Insektenschutz zu korrigieren.

Die Große Koalition hatte in der Nacht auf Donnerstag vereinbart, dass die Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt sich bis Freitag auf neue Vorschriften zum Düngen einigen sollen. Ziel ist dem Beschluss zufolge, zu verhindern, dass die EU-Kommission erneut Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt, weil es das Wasser nicht genügend vor der potenziell gesundheits- und umweltschädliche Stickstoffverbin­dung Nitrat aus Düngern schützt.

Zudem hieß es in dem Papier: „Um die Landwirte bei dem anstehenden Transformationsprozess zu unterstützen, werden wir innerhalb von vier Jahren insgesamt 1 Mrd. Euro für Agrarumweltprogramme und Investitionen zur Verfügung stellen.“ Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) versprach sicherzustellen, dass das „zusätzliche Geld“ so einfach wie möglich vor Ort ankomme. Die deutschen Bauern erhalten derzeit bereits jedes Jahr etwa 13 Milliarden Euro von EU, Bund und Ländern in Form von Zahlungen, Steuernachlässen und Zuschüssen etwa zur Sozialversicherung.

Größere Güllelager

Mit dem neuen Geld könnten die Bauern zum Beispiel größere Lager für Gülle aus ihren Ställen bauen. Dann wäre der Druck niedriger, den Dünger mangels Platz schon dann auszubringen, wenn die Pflanzen etwa wegen des Wetters ihn nicht so gut aufnehmen können.

Wir lassen uns nicht kaufen!, warnt die Bauernprotest­bewegung „Land schafft Verbindung“

Ein Großteil der Landwirte bestreitet aber, dass sie überhaupt zu viel düngen. Der EuGH habe Deutschland nur deshalb in einem ersten Verfahren verurteilt, weil die Bundesregierung falsche oder verzerrte Nitratmesswerte nach Brüssel gemeldet habe. Dem widersprechen Statistiken des Umweltbundesamtes, wonach pro Hektar landwirtschaftliche Fläche regelmäßig rund 90 Kilogramm Stickstoff im Jahr entweichen.

Viele Bauern glauben auch nicht, dass sie maßgeblich für das Insektensterben verantwortlich seien. Aus diesem Grund lehnen sie den Plan der Bundesregierung ab, in Naturschutzgebieten Unkrautvernichtungsmittel und bestimmte Insektengifte zu verbieten. „Land schafft Verbindung“ warnt, die neuen Umweltauflagen würden die Bauern viel Geld kosten und zahlreiche Höfe zum Aufgeben zwingen.

Kritik von Greenpeace und Grünen

Die jetzt beschlossene „Bauern­milliarde“ soll dazu beitragen, Einnahmeausfälle auszugleichen. Ob das Geld reichen wird, ist aber unklar. Greenpeace und die Grünen verurteilten, dass nun die Steuerzahler für Versäumnisse der Agrarlobby aufkommen müssten. „Wer also rechtswidrig Umwelt und Grundwasser jahrelang belastet und dann lange genug schreit, dem wird gegeben“, kritisierte Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag.

Dass die Bundesregierung die neue Düngeverordnung entschärft, ist unwahrscheinlich. Zu groß ist die Gefahr, dass Deutschland am Ende bis zu 850.000 Euro Strafe täglich an die EU zahlen müsste.

Die Koalition verständigte sich auch darauf, das Kurzarbeitergeld in Industrien mit schweren Strukturproblemen leichter auf 24 Monate zu verlängern.

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9 Kommentare

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  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Wie wollen denn die Behörden eine Düngerverordnung überwachen? Nehmen die dann täglich Bodenproben von jedem Hektar?



    Und bei Verstoß kostet das dann 100€?

    So lange die CDU/CSU am Ruder ist, fehlt der Wille grundsätzlich etwas zu ändern.

    Das wird auch unter Schwarz/Grün nicht anders.

  • Die Fehlsteuerung der Landwirtschaft hat Tradition in Deutschland und der EU. Wenn wir Fleisch und Milcherzeugnisse für weite Teile der Welt billig erzeugen, weil politisch und wirtschaftlich so gewollt, dann reichen die Agrarflächen nicht aus, um im Gleichgewicht mit der Umwelt zu sein.

    Spät erkennt die Landwirtschaft, dass sie sich in einem perfiden System von Gängelung und Abhängigkeit befindet und ein weiter so direkt in den Abgrund führt. Die Verbraucher zahlen einen hohen Preis für billige Lebensmittel, weil mit Steuergeldern ein absurder und unsinniger Kreislauf befeuert wird.

    Die Verbraucher sollten ihre Karten in diesem Spiel weit deutlicher ausspielen und erkennen, dass billige Lebensmittel eine hohen Preis haben, die nicht der Kostenwahrheit entsprechen.

    Afrika wird mit billigen EU-Lebensmitteln überflutet, deren Landwirschaft vor Ort nachhaltig zerstört. Wundert es noch, dass diese Menschen über das Meer zu uns kommen, bei dieser Art von kolonialer "Entwicklungshilfe?"

    „Essen verdient den niedrigsten Preis“ - so warb EDEKA dieser Tage für seine Lebensmittel, ein Konzern der nach Selbstauskunft Lebensmittel liebt!?

    = "Circulus vitiosus" = Teufelskreis

    • @Alfredo:

      "„Essen verdient den niedrigsten Preis“ - so warb EDEKA dieser Tage für seine Lebensmittel".



      EDEKA hat auch in anderen Städten mit z.B. "Berlin verdient den niedrigsten Preis " auf Plakatwänden geworben.



      Ob das in Essen eindeutig zweideutig sein sollte, keine Ahnung.

  • Es gibt sicherlich eine ganze Reihe von Betrieben, die zuviel Vieh und zu wenig Land haben und deshalb Böden überdüngt haben. Diese Betriebe könnte man aber relativ schnell ausfindig machen, wenn man ein Messstellennetz hätte, das den EU-Vorgaben entspräche.



    Die EU bemängelt schon seit mehr als einem Jahrzehnt, dass Deutschland nach Malta die wenigsten Messstellen pro Flächeneinheit hat und dann (bewusst) nur die schlechtesten Messstellen ins EU-Nitratüberwachungsnetz eingebunden hat.



    Aus dem Grund sind die deutschen Messwerte weder repräsentativ noch mit den Messwerten der anderen Länder vergleichbar, was von der EU-Kommission seit Jahren bemängelt wird.



    Dass dann ein Teil der Messstellen nicht wirklich in Ackerflächen, sondern am Rand von Wohnbebauung platziert wurden, wo unklar ist, ob die Nitratgehalte von undichten Abwasserleitungen oder von der Landwirtschaft stammen, macht das Messnetz noch unseriöser als es eh schon ist. Insofern kann ich in dem Fall den Ärger der Bauern verstehen.

  • Umweltvernichtung:

    CDU prüft Rückkehr zur Atomenergie.

    »Nach SPIEGEL-Informationen wollen Wirtschaftsexperten der Union die Partei wieder für die Kernenergie öffnen. – In einem Positionspapier des Bundesfachausschusses Wirtschaft, Arbeitsplätze und Steuern heißt es: "Wir setzen uns dafür ein, dass sich Deutschland stärker in das von Euratom durchgeführte Programm 'Horizont' zur Zukunft der Kernenergie einbringt." Die im Rahmen dieses Programms durchgeführten "Projekte zur Kernfusion und zu kleinen modularen Reaktoren" sollten "ergebnisoffen" geprüft werden, "als mögliche Variante für eine CO2-freie Energieproduktion".« – Vgl. Spiegel-Politik *

    * Vgl. Spiegel-Politik: Positionspapier. CDU prüft Rückkehr zur Atomkraft. Der Atomausstieg ist lange beschlossen, doch in der CDU tut man sich immer noch schwer damit. Nach SPIEGEL-Informationen wollen Wirtschaftsexperten der Union die Partei wieder für die Kernenergie öffnen.



    www.spiegel.de/pol...-0000-000169240272

    Die Propaganda der Umweltzerstörer und Atomlobby ist besser geworden. Die Nutzung der Atomenergie ist nicht nur lebensbedrohend, sondern auch die teuerste Art von Klimaschutz.

    Das Nuklearforum Schweiz hatte zur Durchsetzung neuer Kernkraftwerke die „besten“ Propagandisten eingekauft. Burson-Marsteller übernahm vor Jahren das Berner Büro des Schweizer Nuklearforums. Burson Marsteller wirbt für Geld für (fast) alles.

    Die ökologische Ärzteinitiative IPPNW hat berechnet, dass bis zum Jahr 2050 1000 neue AKW gebaut werden müssten (bisher gibt es weltweit 442), um 10 % der fossilen Energie zu ersetzen. Die endlichen Uranreserven wären dann in Kürze erschöpft.

    Quelle: BUND, Regionalverband Südlicher Oberrhein



    www.bund-rvso.de/a...d-klimaschutz.html

  • Vor einigen Jahren hat ein älterer Freund folgenden Spruch mit mir geteilt: "Lerne zu klagen, ohne zu leiden."



    Diesen Spruch beherzigen Viele, die Bauern sind aber ganz vorne dabei.

  • Wenn Lobbies Graswurzel spielen, dann wird's eklig.

    Ach, und Herr Witte: warum Gülle? Weil wir Futtermittel importieren als gäb's kein Morgen. Von nix kommt nix.

  • Herr Maurin, das geht doch besser ….







    Seit dem 01.01.2009 MÜSSEN alle Viehaltenden Betriebe Gülle Lagerraum für 6 Monate haben, ich glaube nicht, das die Vegetationszeit in Deutschland kürzer ist.



    Und wieso immer die Gülle als Feindbild ? In Deutschland wird mehr Mineraldünger als Wirtschaftsdünger ausgebracht, WARUM nicht dessen Einsatz kürzen ?



    In diesem Zusammenhang währen auch die Mengen an Mineraldünger Interessant, die in die in Betrieben wie Weinbau, Gemüsebau eingesetzt werden, die nicht unter die Düngeverordnung fallen ( unter 2 ha/ 1 ha rote Gebiete ), oder in Privaten Gärten, Fußball Plätzen, usw.



    Und das das Umweltbundesamt nicht SELBER gesteht, bei den von ihnen an die EU gemeldeten Zahlen zu tricksen, ist kein Argument

    • @Günter Witte:

      Die Bauern importieren Gülle aus Holland. Damit vergiften sie seit Jahrzehnten das Grundwasser. Die Holländer zahlen dafür, ihre Fäkalien über deutsche Felder zu kübeln. Die deutschen Bauern werden dafür bezahlt und verlangen - frech wie immer- weitere Subventionen. Hatte ich hier neulich schon mal geschrieben.

      www.agrarheute.com...okumentiert-548730