Schädliches Nitrat aus Düngern im Wasser: Forscher kontern Bauernführer

Bauern wollen dagegen demonstrieren, dass Deutschland der EU „irreführende Messwerte“ gemeldet habe. Experten sagen: Der Vorwurf stimmt nicht.

Durchflussphotometer zur Messung des Nitratgehalts im Grundwasser.

Messung mit einem Durchflussphotometer: Je dunkler die Farbe, je mehr Nitrat im Grundwasser Foto: Uli Deck/dpa

BERLIN taz | Wissenschaftler haben die Kritik im Aufruf zu den geplanten Bauerndemos an den Statistiken über die Belastung des Wassers mit Nitrat aus Stickstoffdüngern zurückgewiesen. Anders als die Landwirte-Initiative „Land schafft Verbindung“ behauptet, habe Deutschland „keine irreführenden Nitratwerte an die EU gemeldet“, sagte Martin Bach, Agrarwissenschaftler und Nährstoffexperte an der Universität Gießen, der taz.

„Die Werte stimmen. Ob sie repräsentativ für die gesamte Republik sind, spielt keine Rolle“, urteilt Bach. Denn die Nitrat- und die Wasserrahmenrichtlinie der EU verlangten, dass alle Grundwasserkörper weniger als 50 Milligramm Nitrat pro Liter enthalten. „So lange auch nur ein Grundwasserkörper darüber liegt, muss Deutschland die Nitratbelastung dort verringern. Unabhängig davon, welches Messnetz zugrunde gelegt wird, gibt es in Deutschland mehr als 200 Messstellen, die über dem Grenzwert liegen“, so der Wissenschaftler. Friedhelm Taube, Agrarprofessor an der Universität Kiel, bestätigte Bachs Angaben.

Nitrat etwa aus Gülle ist potenziell gesundheitsschädlich und verschmutzt das Grundwasser, aus dem das meiste Trinkwasser gewonnen wird. In der Umwelt trägt zu viel Dünger zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sowie zum Klimawandel bei. Zudem droht Deutschland eine hohe Geldstrafe der EU, weil die Nitratgrenzwerte immer wieder überschritten werden. Deshalb plant die Bundesregierung, die Düngung vor allem in besonders belasteten Gebieten stärker zu begrenzen. Schließlich komme das meiste Nitrat Experten zufolge aus der Landwirtschaft.

Je nach Messnetz schwankt der Anteil der Messstellen über dem Grenzwert laut Bach aber stark: von 18 bis 49 Prozent. Außerdem hat Deutschland im Vergleich zu den meisten anderen EU-Staaten pro Hektar wenig Messstellen. Aus diesen Gründen schreibt die Bewegung „Land schafft Verbindung Deutschland“ im Aufruf zu ihren Demonstrationen am Donnerstag: „Die Bundesrepublik Deutschland benachteiligt ihre eigenen Landwirte gegenüber den europäischen Mitbewerbern. Es wurden irreführende Nitratwerte an die Europäische Union gemeldet.“ Die Bundesregierung müsse ihre Nitratberichte zurücknehmen und die Düngeverordnung aussetzen.

„Rückwärts gewandt“

Aber auf den internationalen Vergleich kommt es in der EU-Richtlinie „zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen“ nicht an. Auch den Anteil der zu stark belasteten Messstellen erwähnt sie nicht.

Stattdessen verlangt sie von den Staaten „Aktionsprogramme“ für alle Flächen, die Gewässer zu stark belasten oder gefährden. Die Messwerte sollten zeigen, wie diese Schritte wirken, so Forscher Bach. „Dafür muss man nicht den Status des Grundwassers insgesamt feststellen. Es reichen die Veränderungen in belasteten Grundwasserkörpern.“

Das ist die Grundlage für die Klage beim EU-Gerichtshof: „In allen Messnetzen sinkt der Anteil der belasteten Stellen nur leicht“, sagt Bach. Deswegen sei die EU-Kommission der Meinung, dass die deutschen Maßnahmen zu wenig wirkten.

Professor Taube ergänzte, die Kritik der Bauerninitiative am Nitratmessnetz und ihre Forderung nach Rücknahme der Düngeverordnung „entbehren jeder seriösen Grundlage“. „Diese Erwartungen sind rückwärts gewandt, nicht zielführend und stellen absehbar die Solidarität der Gesellschaft in Frage“, so Taube. Seine Forschergruppe weise wie viele andere seit mehr als 25 Jahren nach, dass 20 bis 40 Prozent des nicht von den Pflanzen aufgenommenen Stickstoffs, also des Nährstoffüberschusses, über das Sickerwasser ins Grundwasser, Seen, Flüsse oder Meere gelangten.

Bauernpartei für Deutschland?

Dirk Andresen, Sprecher von „Land schafft Verbindung“, brachte unterdessen die Gründung einer Bauernpartei ins Gespräch. Zwar gebe es ein breites Parteienspektrum in Deutschland, „vernünftige Agrarpolitik“ komme dabei aber nicht zustande, sagte Andresen der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Ich schließe nicht aus, dass wir uns eines Tages auch in Form einer Partei zusammentun“, so Andresen. Die Bewegung habe es geschafft, dass sich Tausende Menschen ehrenamtlich für Agrarpolitik engagierten. „Das ist ein Erfolg. Auf dem ließe sich aufbauen.“ In den Niederlanden war aus der dortigen Bauernbewegung ebenfalls eine Partei hervorgegangen.

Ob eine Bauernpartei in Deutschland über die 5-Prozent-Hürde käme, ist eher unwahrscheinlich. Denn es gibt nur noch rund 270.000 landwirtschaftliche Betriebe – und 62 Millionen Wahlberechtigte. Martin Hofstetter, Agrarexperte der Umweltorganisation Greenpeace, twitterte deshalb, diese „lustige Idee“ hätte von ihm sein können: „Würde konservative Agrarfraktion in CDU schwächen und gleichzeitig sicher an 5% Hürde scheitern“, schrieb der Umweltschützer.

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