Proteste gegen Rüstungsmesse in Stuttgart: Töten per Mausklick
Zum ersten Mal soll im Mai 2018 die größte europäische Messe für militärische IT in Stuttgart stattfinden. Aktivist*innen wollen das verhindern.
Wie Russmann erzählt, hatte es sein Bündnis „Ohne Rüstung leben“ geschafft, dass der Vertrag zwischen der Messe und dem Veranstalter Clarion Events überhaupt auf der Tagesordnung der Sitzung stand. In der Vereinbarung geht es um die ITEC, die größte europäische Messe für den militärischen IT-Bereich. Sie soll im Mai 2018 in Stuttgart stattfinden – was Russmann, die Menschenrechtsorganisation urgewald und auch einige Mitglieder im Aufsichtsrat noch verhindern möchten. Stefan Urbat von der Piratenpartei hat bei der Sitzung dafür gestimmt, dass der Vertrag wieder aufgelöst werden soll, blieb damit aber in der Minderheit. „Auf der Messe geht es ganz klar ums Töten“, sagt er.
Tatsächlich präsentieren Rüstungsunternehmen aus aller Welt bei der ITEC ihre neuesten Entwicklungen etwa für Simulationstechnologien, Raketenabwehr oder Drohnentechnik. „Töten ist heutzutage eben sehr technisch geworden“, sagt Urbat.
In diesem Jahr fand die Veranstaltung in Rotterdam statt. Von den 2.238 Ausstellenden gehörten 636 zum Militärsektor. In Köln, wo die ITEC zuletzt 2014 ausgetragen wurde, hat man sich nach Protesten von Aktivist*innen entschieden, die Koelnmesse nicht mehr als Veranstaltungsort zur Verfügung zu stellen.
Software für Polizei, Feuerwehr und Sicherheitsfirmen
Markus Vogt, Pressesprecher der Messe Stuttgart, beteuert, man habe sich „intensiv“ mit den Inhalten auseinandergesetzt und sei zu dem Schluss gelangt: „Das ist definitiv keine Waffen- oder Militärmesse.“ Er verweist auf die Simulations- und Trainingssoftware für Polizei, Feuerwehr und Sicherheitsfirmen, die dort ausgestellt würde. Tatsächlich finden sich in der Liste der Teilnehmenden auch Firmen wie Canon, Festo, Saab und Sony. Gleichzeitig werden als Sponsoren der Rüstungsriese Rheinmetall und Thales aufgeführt. Ein weiterer Gast auf der Messe ist Lockheed Martin, der größte Kriegsgerätehersteller der Welt.
Die Landesmesse Stuttgart gehört je zur Hälfte der Stadt und dem Land Baden-Württemberg, auf das operative Geschäft des Unternehmens nehmen beide keinen Einfluss. Eine gewisse Macht liegt beim Aufsichtsrat, doch man müsse zur Kenntnis nehmen, dass der sich mit Mehrheit für die Messe entschieden habe, sagt der Bürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzende Michael Föll (CDU). Die Veranstaltung sei „nicht grundsätzlich imageschädigend“, heißt es seitens der Stadt. Auch wegen der „wichtigen Stützpunkte“ der U.S. Army und der Bundeswehr in Baden-Württemberg.
Paul Russmann stand indes am Mittwochabend wieder mit Aktivist*innen vor der Landesmesse und protestierte. „Wer Krieg simuliert, der will Krieg führen“, sagt er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP