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Proteste gegen Coronapolitik„Spaziergänge“ bleiben verboten

Die Stadt Freiburg hat die Montagsspaziergänge der Querdenkenden präventiv verboten. Das BVerfG hat einen Eilantrag hiergegen abgelehnt.

Vorerst verboten: letzte Querdenker-Demo in Freiburg am 29.1.2022 Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

Freiburg taz | Die unangemeldeten Montagsspaziergänge der Querdenkenden in Freiburg bleiben verboten. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine einstweilige Anordnung gegen das Verbot abgelehnt. Es ist der bundesweit erste Beschluss des BVerfG zu derartigen „Spaziergängen“.

Seit Ende Dezember trafen sich Querdenkende in der Freiburger Innenstadt, um ohne Anmeldung, aber auch ohne Parolen und Transparente durch die Stadt zu ziehen. Zu den Treffen war in einschlägigen Telegram-Gruppen unter Slogans wie „Bleib Gesund, geh spazieren“ mobilisiert worden. Dort wurden die unangemeldeten Demos auch als Erfolg gefeiert.

Eilrechtsschutz wurde abgelehnt

Die Polizei versuchte, An­sprech­part­ne­r:in­nen zu finden und Auflagen durchzusetzen, insbesondere Maskenpflicht und Abstandsgebot. Die „Spaziergänger:innen“ ignorierten dies jedoch. Am 3. Januar durchbrachen rund 300 Spa­zier­gän­ge­r:in­nen sogar eine polizeiliche Absperrung.

Die Stadt Freiburg verhängte darauf am 7. Januar per Allgemeinverfügung ein präventives Verbot für alle derartigen „Spaziergänge“ im Stadtgebiet bis zum 31. Janauar. Das Verbot wurde mit den erhöhten Infektionsgefahren bei Missachtung der Auflagen begründet.

Gegen die Allgemeinverfügung beantragten die beiden Freiburger AfD-Stadträte Dubravko Mandic und Detlef Huber Eilrechtsschutz, der jedoch vorige Woche vom Verwaltungsgericht Freiburg und vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim abgelehnt wurde.

Auch eine mit drei Richtern besetzte Kammer des BVerfG lehnte nun den Antrag auf eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts ab. Die eingelegte Verfassungsbeschwerde werfe „verfassungsrechtlich offene Fragen“ auf, die im Hauptsache-Verfahren geklärt werden müssen. Eine „Folgenabwägung“ führe nun dazu, den Antrag auf Eilrechtsschutz abzulehnen.

Veranstalter machten Kooperation unmöglich

Dabei erklärten es die Richter für „naheliegend“, dass die Form des Spaziergangs nur gewählt wurde, um „vorbeugende Auflagen zu umgehen und es zu vermeiden, Verantwortliche und eine hinreichende Anzahl von Ordnern zu benennen“. Behörden und Verwaltungsgerichte durften auch annehmen, dass Personen, die an solchen Spaziergängen teilnehmen, „überwiegend nicht dazu bereit seien, versammlungspolizeiliche, dem Infektionsschutz dienende Auflagen, wie insbesondere das Tragen von Masken oder das Einhalten von Abständen, zu beachten.“ Dabei durften sich die Gerichte auf die Erfahrungen mit vorhergehenden Spaziergängen in Freiburg berufen.

Gegen den Erlass einer einstweiligen Anordnung sprach für das BVerfG vor allem, dass die Veranstalter der unangemeldeten Montags-Spaziergänge eine „Vorfeldkooperation“ mit der Versammlungsbehörde und eine „grundrechtsschonende Begleitung der Versammlung“ gezielt unmöglich machten.

Angemeldete Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen fanden in Freiburg derweil fast wöchentlich mit zum Teil mehreren tausend Teilnehmenden statt.

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10 Kommentare

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  • Ich verstehe gar nicht, warum die AfD hier klagt. Wenn ich irgendwo spazierengehe, melde ich es nicht an und muss ich es auch nicht anmelden. Sind wirklich alle Spaziergänge in der Freiburger Altstadt verboten? Kann ich mir eigentlich nicht vorstellen.

  • @JENS SCHLEGEL

    Das ist mir durchaus bewusst gewesen. Dennoch: die Erstinfektion findet an den Schleimhäuten statt, die Impfung kickt das Immunsystem an einer anderen Stelle. Daher sind Geimpfte durchaus in der Lage, sich anzustecken und auch andere anzustecken.

    Wieviel, und wieviel weniger als Ungeimpfte, das beschäftigt noch die Forschung (z.B. [1]). Ob das grob in der Gegend der Falsch-Negativen bei den Tests liegt, das wissen wir einfach nicht.

    Was ich damit sagen will: in einer solchen Situation, und bei so unklarer Lage sollte die Politik brutal ehrlich sein und keine halb verdeckte Agenda ("wir wollen, dass sich möglichst viele impfen lassen, also dürfen Ungeimpfte nicht in die Kneipe") fahren.

    Das ist einer rechtsstaatlichen Demokratie unwürdig. Und es rächt sich in Form allgemeinen Misstrauens.

    [1] www.ncbi.nlm.nih.g...ticles/PMC8287551/

  • @D-H.BECKMANN

    Ich begrüsse es auch, aber vielleicht aus leicht anderen Gründen [1], als Sie es tun :-)

    Vergessen wir nicht: diese "Spaziergänger" sind eine sehr heterogene Gruppe. Die Bewegung ist u.a. von rechten Spacken gekapert worden. Und während es (z.T.) richtig ist zu sagen: "schaue, mit wem Du läufst", ist es vermutlich falsch zu sagen "Du bist ein Faschist", bloss, wenn da jemensch mitläuft.

    Ich bin (3x) geimpft, aus Überzeugung, und nicht zuallererst aus Angst um mein eigenes kümmerliches Leben. Dennoch stösst mir auch der Reibach, den die Strüngmanns [1] in der Pandemie gemacht haben, sauer auf. Dass da rabiate Opportunisten die Politik (mit-) beeinflussen dürfte wohl auch klar sein.

    Auch stösst mir gelegentlich die allzu offensichtliche "schwarze Pädagogik" der Politik sauer auf: warum soll von einem frisch getesteten weniger Gefahr ausgehen als von einem Geimpften?

    Ich kann jede Skepsis also auch gut verstehen.

    [1] Die Begründung ist überzeugend -- i.w. "das ist zu komplex für eine Eilentscheidung und das Verhalten der Demo deutet darauf hin, dass sie Gesetze umgehen wollen"



    [2] Von anderen ganz zu schweigen (hallo, Bezos?)

    • @tomás zerolo:

      Nicht "gekapert". Initiiert.

    • @tomás zerolo:

      Zu der Frage, warum frisch getestete Personen "gefährlicher" sind als Geimpfte:



      Zwischen 21% und 36% der Tests sind falsch negativ.



      Einfach deshalb.

  • "Selbsternannte Spaziergänger", bitte!

  • „Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine einstweilige Anordnung gegen das Verbot abgelehnt. Es ist der bundesweit erste Beschluss des BVerfG zu derartigen „Spaziergängen“.“



    Ich begrüße das Urteil des BVerfG!



    Hinlänglich bekannt, mehrfach haben die sogenannten Spaziergänger Häuser von KommunalpoliterkerInnen aufgesucht, ein nicht zu akzeptierendes Verhalten.

    • @D-h. Beckmann:

      Ansammlungen vor Privathäusern von Politikern tun hier nichts zur Sache, lesen sie doch mal den Beschluss vor dem Kommentieren. Ausschlaggebend für das BVerfG war, dass Gesetzesverstöße wahrscheinlich sind und kein Versammlungsleiter benannt ist, was a) der Klage selbst nicht zu Begründetheit verhilft und b) der Versammlungsbehörde die Rechtsdurchsetzung wesentlich erschwert und dafür ihren Interessen erhebliches Gewicht verleiht. Beides spricht klar gegen eine einstweilige Anordnung.

      Ob das Verbot grundsätzlich Bestand hat, ist aber keineswegs klar, mMn sogar unwahrscheinlich. Diese Rechtsfrage ist aber von erheblicher Bedeutung und gerade deshalb auch erst Gegenstand des Hauptsacheverfahrens.

    • @D-h. Beckmann:

      Na ja, die Entscheidung ist den rechten Anti-Demokraten so oder so gelegen.



      Diese Leute haben es jetzt zum Wiederholten Male erreicht, dass das BVerfG Entscheidungen getroffen hat, welche das Versammlungsrecht einschränken.



      "Corona-Protestler" sind eine rechtsextreme Bewegung, die ein autoritäres Regierungs-System anstrebt.

      • @Wagenbär:

        Gegenwärtigen Autoritarismus damit zu rechtfertigen, dass es sich dabei eigentlich um geköderte Entscheidungen handeln würde, die einer zukünftigen rechtsextremen Regierung nützen, ist ein einmaliges Maß an kognitiver Dissonanz. Denken Sie doch noch mal darüber nach, wer aktuell autoritär auftritt.