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Proteste gegen AfD-Besuche an SchulenHeul weiter

Kommentar von Nina Schieben

AfD-Politiker*innen haben an Schulen nichts verloren. Es gibt keinen Grund, ihnen den Teppich auszurollen. Ihre Opfer-Inszenierung gehört ignoriert.

Unter Polizeischutz: AfD-Rechtsaußen Beatrix von Storch am Dienstag auf dem Weg zum Hans-und-Hilde-Coppi-Gymnasium in Berlin Foto: Jens Kalaene/dpa

B ekanntlich lässt die AfD keine Gelegenheit aus, sich als Opfer einer vermeintlichen Cancel Culture zu inszenieren. So auch in der Debatte darüber, ob Schulen Po­li­ti­ke­r*in­nen der Rechtsaußenpartei in den Unterricht einladen sollten.

Zuletzt war das am Dienstag dieser Woche anlässlich einer Podiumsdiskussion an einem Gymnasium in Berlin-Lichtenberg der Fall, zu der auch Rechtsaußenfrau Beatrix von Storch eingeladen wurde, die hier für die AfD als Direktkandidatin für die Bundestagswahl antritt. Ein Auftritt, der laute Proteste der Schü­le­r*in­nen­schaft provozierte – und doch durchgezogen wurde.

Alice Weidel, Beatrix von Storch und Co. verweisen auf das staatliche Neutralitätsgebot, wonach Lehrkräfte der politischen Willensbildung ihrer Schü­le­r*in­nen verpflichtet sind, ohne eigene Präferenzen geltend zu machen. Der AfD das Schultor zu verriegeln, sei eine Missachtung dessen, was Neutralität geböte. Und überhaupt perfides Canceln. So die Selbstdarstellung von rechts.

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Remigrationspläne im Klassenzimmer?

An dieser Stelle lohnt ein kurzes Sinnieren über das, was Schulen im besten Sinne sein sollten: Orte der freien Persönlichkeitsentfaltung für alle Schü­le­r*in­nen, unabhängig davon, ob sie weiß oder Schwarz sind, passdeutsch oder geflüchtet, hetero oder queer, atheistisch oder muslimisch, able- oder disable-bodied sind. Oder irgendetwas dazwischen.

Wir sprechen von einem Menschen- und Gesellschaftsbild, das der nationalistisch-völkischen Ideologie der AfD nicht nur zuwider ist, sondern auch aktiv von ihr bekämpft wird. Wie soll sich das also für Schü­le­r*in­nen mit Migrationsgeschichte anfühlen, in einem Klassenzimmer einem AfD-Gast gegenüberzusitzen, der seinen Remigrationsplänen freien Lauf lässt? Man mag es sich nicht vorstellen.

Be­für­wor­te­r*in­nen von AfD-Schulbesuchen führen das Argument an, es gebe auch gemäßigte Rechte, denen die Remigrationspläne der Partei zu weit gingen. Weiter wird argumentiert, die Einladung von AfDle­r*in­nen an Schulen böte Schü­le­r*in­nen die Möglichkeit, diese auf ihre Inhaltslosigkeit hin zu entlarven – durch einen gut vorbereiteten Faktencheck, versteht sich.

Dass nicht alle AfD-Politiker*innen so plump-rechts auftreten wie ihre Anführer Björn Höcke und Alice Weidel, ist – neben der Opfer-Inszenierung – eine weitere Strategie der Rechten. Nicht alle bezeichnen die Schoah als „Vogelschiss“ wie das AfD-Urgestein Alexander Gauland.

Reduktionistische Antworten auf komplexe Fragen

Gleichwohl reproduzieren sie geschichtsrevisionistische und verschwörungstheoretische Narrative. Und Begriffe wie Remigration, Bevölkerungsaustausch und Überfremdung werden durch harmloser anmutende Beschreibungen gekonnt umschifft.

Genau das ist zugleich so gefährlich. Die AfD macht mit reduktionistischen Antworten auf komplexe Fragen Politik – und zieht damit junge Menschen an Land, die von der Krisenhaftigkeit der Gegenwart überfordert und verunsichert sind.

Es spielt keine Rolle, ob man offen rechtsextreme oder subtil rechtsextreme Po­li­ti­ke­r*innen einlädt. Sie gehören alle einer vom Verfassungsschutz als in Teilen gesichert rechtsextremen eingestuften Partei an. Sie sind Ver­tre­te­r*in­nen eines nationalistischen Weltbildes.

Und jenseits der Tatsache, dass die Einladung von Rechtsextremen keinen Mehrwert, sondern vielmehr eine Gefahr für Meinungsbildung von Schü­le­r*in­nen darstellt, muss auch das festgestellt werden: All jene, die weiterhin verbissen am Neutralitätsgebot festhalten, laufen heiter in die Normalisierungsfalle der Opfer-Inszenierung und des Wahrheiten-umdrehen-Spiels der AfD.

Noch immer wird die AfD selbst im demokratischen Spektrum nicht durchweg als das wahrgenommen, was sie ist: eine die Gesellschaft spaltende Kraft. Stattdessen wird ihr weiterhin der Bauch gepinselt und mancherorts sogar der muffige Schulteppich ausgerollt. Die AfD dürfte sich bestätigt fühlen.

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4 Kommentare

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  • Mir scheint die Gefahr, welche entsteht, wenn AFD-Zugehörige trotz eines partikularen Interesses an ihrem Auftreten - welches es an den meisten Schulen dieses Landes leider geben wird, gemessen an den aktuellen Wahlprognosen - komplett ausgeladen werden und so weiter ihre Standarderzählungen vom sie ausschließenden politischem Mainstream droppen können, deutlich größer, als wenn ihnen die Schüler*innen vorbereitet entgegentreten können, sie in einen Dialog abseits ihrer Verbitterungsmärchen gezogen werden und deren Aussagen im Nachhinein Gegenstand sozialkundlicher o.ä. Analysen gemacht werden.

  • Alice Weidel, Beatrix von Storch und Co. verweisen auf das staatliche Neutralitätsgebot, wonach Lehrkräfte der politischen Willensbildung ihrer Schü­le­r*in­nen verpflichtet sind, ohne eigene Präferenzen geltend zu machen. Der AfD das Schultor zu verriegeln, sei eine Missachtung dessen, was Neutralität geböte.

    Hä? Und? Das stimmt natürlich und wer das wie der Artikel in den darunter folgenden Zeilen wegdiskutiert, der missachtet halt unsere demokratischen Grundsätze. Fertig. Nur weil man auf der richtigen Seite steht, kann man nicht die Regeln missachten. Demokratie tut weh und das ist gut so. Sonst wäre es nämlich keine Demokratie mehr.

  • Schulen sind ein ganz normaler Teil der Verwaltung, nicht mehr, nicht weniger. Es gibt für Schulen keine Ausnahmen normaler Grundsätze und Parteien, die nicht verboten sind, genießen Grundrechte. Damit gilt das Neutralitätsgebot der Verwaltung gegenüber über Parteien. Wenn eine Schule Perteien ein Forum bietet, hat sie diese allen Parteien gegenüber zu tun.

    Dies schließt nicht aus, dass ein begründeten Rauswurf erfolgt, wenn an der Schule die Grenze der Meinungsfeiheit überschritten wird und das schließt auch nicht aus, dass sich Schulen kritisch mit den Programmen auseinander setzen dürfen.

    Alles Weitere setzt ein Parteiverbot voraus.

  • Gute Zusammenfassung.

    Und Neutralität ist nicht absolut, Schulen sollten nicht bezüglich der Einstellung zu Demokratie, Gewaltlosigkeit und sachlicher Politik neutral zu sein.