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Protest in der Nähe von LiverpoolRechte Hetze gegen Boat People

In Großbritannien steigen die Flüchtlingszahlen, ihre Unterbringung sorgt für Spannungen. Ein Protest wurde von Rechtsextremen infiltriert.

Rechte Proteste vor einer Flüchtlingsunterunft im britischen Knowsley am 10. Februar Foto: Tony Broster/reuters

London taz | In England sorgt ein gewaltsamer Protest vor einer Flüchtlingsunterkunft für Diskussionen. Am vergangenen Freitag kam es in der nordwestenglischen Stadt Knowsley am Rande von Liverpool zu gewalttätigen Protesten vor dem Suites Hotel, in dem seit Mitte Januar Asylbewerber untergebracht sind. Dabei wurden ein Polizeitransporter in Brand gesetzt und einige Personen, darunter ein Polizeibeamter, leicht verletzt.

Von den fünfzehn Festgenommenen wurde inzwischen ein 19-Jähriger angeklagt. Die Flüchtlingshilfsorganisation Care4Calais sagt der taz, dass die Hotelbewohner seit den gewaltsamen Protesten unter Angst und Schlafstörungen litten.

Der Protest war zunächst friedlich gewesen, aber er wurde von einer Gruppe von Menschen mit Hämmern und Böllern infiltriert, die randalieren wollten. Einige skandierten laut „Kinderschänder!“ Von einem antirassistischen Gegenprotest am gleichen Abend soll keine Gewalt ausgegangen sein.

Unmittelbarer Auslöser soll ein in den sozialen Medien zirkulierendes 30-Sekunden-Video einer Teenagerin gewesen sein, die behauptete, dass ein Mittzwanziger, der auf dem Video gesehen werden konnte, sie Anfang der Woche um ihre Nummer gebeten habe, und sie den Mann darauf belehrt habe, dass derartiges Ansprechen einer Minderjährigen in Großbritannien verboten sei. Dies löste einen Sturm von rassistischen Posts aus, die den Vorfall als typisches Verhalten von Einwanderern beschrieben. Derartige Männer lebten in dem Hotel in Kirkby, hieß es.

Nach den Protesten befragte die Polizei einen Mann in einem ganz anderen Teil Englands dazu. Inwiefern überhaupt eine Verbindung zwischen dem Video und dem Hotel besteht, steht aus. Was für die Wut des rechten Milieus reichte, wurde von der Polizei als Gerüchteküche verurteilt.

Mit der Inflation verschlimmert sich die Lage in Knowsley

Der Vorfall fällt in eine Zeit zunehmender Probleme der britischen Behörden mit illegalen Einreisen. Mit der Welle von Bootsüberquerungen aus Frankreich nach Großbritannien ist ein Rückstau bei der Bearbeitung von Asylanträgen entstanden: Über 140.000 Asyl­be­wer­be­r:in­nen warten auf eine Entscheidung. Über 45.000 Asyl­be­wer­be­r:in­nen sind in Hotels untergebracht, was den Staat laut Innenministerium umgerechnet 6,3 Millionen Euro am Tag kostet.

Zu ihrer Unterbringung berät sich das Innenministerium mit den Lokalbehörden, doch die Stadtbehörde von Knowsley sagt, das Innenministerium habe sie erst am 13. Januar benachrichtigt, weil es vorher die falsche Stadtbehörde verständigt hatte, und am 17. Januar mitgeteilt, dass zwei Tage später die ersten Asylbewerber im Suites Hotel eintreffen würden – zu kurzfristig für eine gute Vorbereitung.

Ob Knowsley für Flüchtlinge eine gute Wahl war, ist fraglich. Die Gemeinde mit 150.000 Be­woh­ne­r:in­nen ist die zweitärmste Englands. 25 Prozent aller Kinder leben in Familien mit Niedrigstlöhnen. In allen Statistiken ist Knowsley eine der verheerendsten Ecken in England, egal ob es um Alkoholsucht, Teenagerschwangerschaften, Gewaltvorfälle oder fehlende Schulabschlüsse geht. Mit der Lebenshaltungskrise können sich diese Probleme nur weiter verschlimmert haben – für böswillige rechtsradikale Hetze das richtige Umfeld.

Es dauerte nach der Ankunft der Flüchtlinge nicht lange. Am 23. Januar klagte die rechtsextreme Gruppe „Britain First“ in einem Video über das Hotel und seine „illegalen Immigranten“. Am 4. Februar verteilte eine weitere rechtsextreme Gruppe vor dem Hotel Flugblätter. Darauf stand, dass Migranten in einem Fünf-Sterne-Hotel untergebracht worden seien, während Briten frieren müssten. Die antirassistische Gruppe Hope not Hate nennt weitere Personen aus der rechtsextremen Szene.

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