Protest in Hamburg geplant: Klimabündnis will Hafen blockieren
Ende Gelände und andere Gruppen rufen zum Protest in Hamburg auf. Die Versammlungsbehörde verbietet das Schlafen im Camp wie schon 2017.

Klimaproteste weiten sich aus: Nach dem Klimacamp im Rheinland (Bild) soll jetzt eins in Hamburg folgen Foto: Tim Wagner/imago
HAMBURG taz | Da werden Erinnerungen an den G20-Gipfel im Jahr 2017 wach: Vom 9. bis zum 15. August laden Aktivist*innen zum Protest gegen globale Ausbeutung, Klimakrise und Neokolonialismus in den Hamburger Hafen ein. Auch 2017 hatten Aktivist*innen in den Hafen mobilisiert, um „die Logistik des Kapitals“ lahmzulegen.
Hinter dem aktuellen Aufruf steht, neben dem Zusammenschluss „…ums Ganze“, der BUND Jugend, Extinction Rebellion und der Grünen Jugend, unter anderem das Bündnis Ende Gelände, das seine jährliche Massenaktion nach Hamburg bringen will. Bereits 2021 hatten die Blockaden der Aktivist*innen in den weißen Maleranzügen nicht mehr im rheinischen Braunkohlerevier, sondern in Norddeutschland stattgefunden. 2.000 Menschen hatten gegen das geplante LNG-Terminal in Brunsbüttel demonstriert.
In diesem Jahr soll einiges anders werden: „Das Aktionsbild soll breiter und vielfältiger sein“, sagt die Ende-Gelände-Sprecherin Charly Dietz. Über die sieben Tage hinweg sollen unterschiedliche Gruppen, auch aus dem Ausland, verschiedene Aktionen im Großraum Hamburg veranstalten. Den Auftakt soll eine Großdemonstration von Fridays for Future bilden. „Gas, egal ob flüssig oder nicht, ist ein Klimakiller. Neue Infrastruktur dafür zu schaffen, ist ein Klimaverbrechen“, sagt Dietz. Die hohen Investitionen in LNG-Terminals seien eine Kampfansage an alle, die für Klimagerechtigkeit kämpften und schon jetzt unter der Erderhitzung litten.
Die Ausweitung auf breite Protestformen und die Kooperation mit internationalen Klimaschützer*innen sei ein logischer Schritt für die Klimabewegung, sagt Liv Roth, Sprecherin von „…ums Ganze!“. Genau wie die multiplen Krisen – Klima, Krieg, Corona, Energie – nicht auf nationaler Ebene lösbar seien, müssten sich auch die Protestierenden zusammenschließen.
Hafenlogistik sei geeigneter Angriffspunkt
„Die gesamte Klimagerechtigkeitsbewegung ist sich mittlerweile der Notwendigkeit eines Systemwandels bewusst“, sagt Roth. „Dieses Bewusstsein müssen wir nun in eine antikapitalistische Praxis übersetzen.“ Die Hafenlogistik sei dafür ein geeigneter Angriffspunkt. Schließlich würden dort die kapitalistische Rohstoffgewinnung, Produktion und der Absatz am Laufen gehalten sowie die koloniale Ausbeutung fortgeschrieben.
Als Ausgangspunkt für Aktionen sowie Ort der Erholung und Vernetzung soll den Klimaschützer*innen eigentlich ein Camp für bis zu 6.000 Menschen dienen. Doch die Hamburger Versammlungsbehörde lehnt das ab. In einem Schreiben spricht sie sich zwar nicht gegen eine vom Grundrecht geschützte Versammlung in Form eines Camps aus. Allerdings dürften die Aktivist*innen dort weder schlafen, noch kochen oder sich waschen. Ähnliche Auflagen hatte die Behörde bereits 2017 bei den G20-Protestcamps verhängt. Ein Gericht erklärte das im Nachhinein für rechtswidrig.
Versammlungsbehörde: Campen nicht nötig
Das Aufstellen von Schlafzelten, großen Zirkuszelten, Pavillons, einer Küchenzeile und Waschmöglichkeiten trage nicht zum politischen Ausdruck bei und diene lediglich dem „Komfort“ der Teilnehmenden, argumentiert die Versammlungsbehörde gegenüber Ende Gelände. Für Übernachtungen böten sich in Hamburg genügend preisgünstige Alternativen und essen könnte man auch ohne Infrastruktur im Camp – etwa durch „die Nutzung von Lieferdiensten.“ Wenn Schlafzelte, Waschmöglichkeiten und eine Küchenzeile das Bild des Camps prägten, sei der politische Ausdruck nicht ersichtlich: „Es würde sich das Bild eines riesigen Zeltlagers bieten“, schreibt die Behörde.
Für die Aktivist*innen ist das nicht hinnehmbar. Am Montag reichten sie Klage beim Verwaltungsgericht ein. Die Linksfraktion in der Hamburgischen Bürger*innenschaft solidarisiert sich mit den Aktivist*innen und kritisiert die Auflagen als schweren Angriff auf die Versammlungsfreiheit. „Es ist unglaublich, dass die Innenbehörde aus den Auseinandersetzungen um die G20-Camps nichts gelernt hat“, sagt der umweltpolitische Sprecher, Stephan Jersch.
Er verweist auch auf eine Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Mai: Die Richter*innen hoben darin den Charakter von Protestcamps als vom Grundgesetz geschützte Versammlungen hervor. Dazu zählten auch infrastrukturelle Einrichtungen, wenn sie für die Versammlung erforderlich seien.
Leser*innenkommentare
Wunderwelt
"Das Aufstellen von Schlafzelten, großen Zirkuszelten, Pavillons, einer Küchenzeile und Waschmöglichkeiten trage nicht zum politischen Ausdruck bei und diene lediglich dem „Komfort“ der Teilnehmenden, argumentiert die Versammlungsbehörde"
... ich würde meinen: da geht der Versammlungsbehörde "der Arsch aber mächtig auf Grundeis".
...könnte sehr interesssant werden die Aktion, denn zum einen ist der Ort sehr Symbolträchtig gewählt und übrigens auch weil solch fadenscheinige Begründungen wie die der Versammlungsbehörde, deutlich machen wie absurd das starre Festhalten an unserer Planeten zerstörenden Lebensweise mittlerweile ist.
Für ausreichend Disruption ist damit dann wohl bereits gesorgt...
fly
Wurde bei dem Widerspruch gegen Verfügung zur Versammlungsfreiheit damit argumeniert, dass man einen Blockade des Hafens und einen Systemwechsel durchführen möchte?
Conor
@fly Für die Blockade des Hafens ist ein Camp nicht erforderlich (siehe Aktionen von LG und XR). Das Camp an sich ist erstmal ein Protestcamp, auf dem es Workshops etc. geben wird und damit unter das Versammlungsgesetz fällt.
Uranus
Das fällt dann wohl unter Schikane und Law and Order durch Konservative. Außerdem kann die Versammlungsbehörde analog zum Spruch "Soll das Volk doch Kuchen essen, wenn es kein Brot hat" sagen: "Wenn das Volk weder Spüle, Versammlungszelt, noch Essensausgabe hat, kann es sich doch Messehalle, 5-Sterne-Hotels und 2-Sterne-Restaurants mieten". Wo ist das Problem? ;-s
Martin L.
Vielleicht ist der Zeitpunkt des KlimaCamps genauso unglücklich gewählt, wie der von Nancy Pelosis Besuch in Taiwan? Denn handhabbare Speicher/Alternativen fehlen für unsere Energieausgehungerte Gesellschaft spätestens ab Herbst... Und ich möchte nicht die Rechte der Indigenen, die in Kohlumbiens Steinkohle-Tagebau für den Export nach Deutschland OHNE Entschädigung weichen müssen, gegen die deutschen "Kollateral(ent)schäd/igung/en" in Lütherath abwägen müssen...
Martin Rees
Völlig widersinnig erscheinen die Alternativangebote, die behördlicherseits annonciert werden, weil sie die Idee des Camps konterkarieren. Eine proaktive Solidarität vorort wie bei Aktionen im Tagebaubereich wäre die Antwort der wachsamen und kritischen Zivilgesellschaft. Skepsis soll geschürt werden, wenn Grundbedürfnisse und -rechte mit Grundgesetzlegitimation gedanklich durch die Verwaltung in die Komfortzone verschoben werden. Vielleicht war die komfortable Klimaanlage im Büro oder daheim zu hoch eingestellt, das Ignoranz-Niveau bringt die Bewegung bestimmt auf Betriebstemperatur. Nach dem sozialen und politischen Mix dieser Thermodynamik wird das eine heiße Woche werden, meteorologisch prognostiziert sowieso.