Angriff auf Oldenburger Klimacamp: Beschuss mit Feuerwerkskörpern

Das Klimacamp in Oldenburg wird seit Tagen spätabends angegriffen. Die Ak­ti­vis­t*in­nen vermuten einen rechten Hintergrund der Täter.

Das Klimacamp, ein weißes Zelt mit Transpis, davor ein rot-weißes Absperrband

Nachts nicht sicher: Das Klimacamp in Oldenburg Foto: Fridays For Future

HAMBURG taz | Plötzlich knallt es, viermal, fünfmal, überall Rauch. Es ist dunkel, Kim (Name geändert) hält Nachtwache im Oldenburger Klimacamp. Um auf die Toilette zu gehen, muss sie eine Wiese überqueren. Direkt vor ihren Füßen kommt einer der Feuerwerkskörper auf, mit denen das Camp seit einigen Wochen angegriffen wird. So erzählt sie es in einem Telefonat mit der taz.

Zu einem ersten Vorfall kam es an einem Wochenende Ende Juni. Dabei wurden mehrere Feuerwerkskörper auf das Klimacamp geworfen, in dem zu dem Zeitpunkt einige Ak­ti­vis­t*in­nen schliefen. Am folgenden Wochenende wurde das Camp erneut mit Böllern angegriffen. Seit vergangenem Samstag wird es täglich abends durch Stroboskop-Licht belästigt.

Hinzu kommen Beleidigungen und Drohungen gegen die Aktivist*innen. Auch zu Handgreiflichkeiten sei es bereits gekommen. Verletzt wurde bisher niemand, jedoch sagt ein Aktivist: „Die Stimmung im Camp ist sehr angespannt, viele haben Angst oder zeigen Erschöpfungserscheinungen.“

Das Klimacamp in Oldenburg wurde im April dieses Jahres aufgebaut. Zu den Auflagen gehört es, dass Tag und Nacht mindestens zwei Personen anwesend sein müssen. Die Ak­ti­vis­t*in­nen wollen mit ihrem Camp auf die Klimakrise aufmerksam machen. Sie organisieren Workshops und Veranstaltungen. Seit drei Wochen ist das nicht mehr möglich.

Sicherheit der Ak­ti­vis­t*in­nen gefährdet

Zwar sei es auch vorher schon immer wieder zu Pöbeleien gekommen, diese hätten aber keine ernsthafte Bedrohung dargestellt. Die aktuellen Angriffe gefährdeten jedoch die Sicherheit der Aktivist*innen. Das Camp aufgeben wollen sie allerdings nicht. Derzeit seien auch nachts mehrere Personen vor Ort, um Wache zu halten und sich gegenseitig zu schützen.

Es seien immer wieder dieselben vier bis fünf Personen, die an den Angriffen beteiligt seien, gibt ein Aktivist an. Teilweise seien es aber bis zu zwölf Personen gewesen. Eine Aktivistin sagt: „Die An­grei­fe­r*in­nen scheinen aus dem rechten Spektrum zu kommen.“ Sie bedienten Codes der rechtsextremen Szene. Auch nationalsozialistische Parolen seien von den An­grei­fe­r*in­nen bereits vernommen worden. Die Ak­ti­vis­t*in­nen haben sich Hilfe bei der Mobilen Beratung Niedersachsen gesucht.

„Wir stehen permanent mit der Polizei im Kontakt, aber die Angriffe gehen weiter“, sagt Kim, die bereits von Beginn an im Camp dabei ist. Wie ernst die Polizei die Angriffe auf das Camp nehme, sei aber stark abhängig von den jeweiligen Beamt*innen. Die Polizei gibt auf taz-Anfrage an, in den vergangenen Wochen insgesamt neun Mal zu Einsätzen zum Camp gekommen zu sein. In zwei Fällen wurden Strafverfahren eingeleitet, wegen Beleidigung und versuchter gefährlicher Körperverletzung. Die Polizei versichert, bei Vorfällen so schnell wie möglich einen Streifenwagen zu schicken.

Kritik an Polizeiarbeit

Insbesondere weil im Camp auch Minderjährige anwesend sind, wünschen sich die Ak­ti­vis­t*in­nen jedoch einen stärkeren Schutz durch die Polizei. Nicht nach jedem Anruf komme die Polizei auch vorbei, außerdem hätten die An­grei­fe­r*in­nen Zeit zu fliehen. „Die Polizei nimmt das zumindest teilweise nicht ernst“, kritisiert ein Aktivist. Auf Nachfrage der taz teilt die Polizei mit, ein dauerhafter Schutz, etwa in Form eines Streifenwagens vor dem Camp, sei „nicht verhältnismäßig“. Eine permanente Präsenz könne nicht gewährleistet werden.

Bereits im vergangenen Jahr hatten Ak­ti­vis­t*in­nen ein Klimacamp in Oldenburg errichtet, welches über den Winter jedoch abgebaut wurde. Auch damals war es zu Pöbeleien und Vandalismus gegen das Camp gekommen, wie die taz berichtete. Die Ak­ti­vis­t*in­nen vermuteten damals keinen politischen Hintergrund. Dennoch kritisierten sie das Verhalten der Polizei. Diese war nach einem Notruf nicht beim Camp vorbeigefahren. In diesem Jahr laufe es zwar besser, dennoch merkt eine Aktivistin an: „Es wäre schön, ernster genommen zu werden.“

Insgesamt stehe die Bevölkerung dem Camp aufgeschlossen und positiv gegenüber. Auch jetzt solidarisierten sich viele Menschen, kämen beim Camp vorbei und spendeten Geld, damit das Klimacamp besser geschützt werden könne. Aus den Reihen der Politik ließ sich bisher nur eine Vertreterin der Grünen beim Camp sehen. „Ich bin entsetzt über die Angriffe auf das Camp“, sagt Ratsfrau Jutta Schober-Stockmann.

Angriffe auf Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen sind deutschlandweit keine Seltenheit und haben in den vergangenen Monaten zugenommen. Auf Twitter kursieren Videos, in denen tätliche Angriffe auf Ak­ti­vis­t*in­nen der Letzten Generation, einer radikalen Klimaschutzgruppe, dokumentiert werden. So etwa im Rahmen einer Aktion in Berlin, als sich Ak­ti­vis­t*in­nen auf einer Straßenkreuzung festklebten. Wütende Autofahrende schubsten und zogen die Ak­ti­vis­t*in­nen von der Straße.

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