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Protest gegen die AfDAlternativlos

Sunny Riedel
Kommentar von Sunny Riedel

Auf ihrem Parteitag in Riesa zeigte sich die AfD radikal und selbstbewusst. Für De­mo­kra­t:in­nen ist es jetzt Zeit, sich das Momentum zurückzuholen.

Anti-AfD-Protestierende am Wochenende in Riesa Foto: Thilo Schmuelgen/reuters

D ie AfD hat Oberwasser. Auf ihrem Parteitag in Riesa verabschiedete sie ein Wahlprogramm, in dem die als „Remigration“ getarnte Massendeportation rassifizierter Menschen in Deutschland als Ziel genannt wird. Ein Plan, der noch vor einem Jahr Millionen Menschen so sehr empörte, dass sie monatelang überall im Land zur kältesten und dunkelsten Jahreszeit auf die Straße gingen.

Und heute? Erschrecken wir uns noch, wenn die Nachrichten von einer erneuten Radikalisierung der AfD sprechen? Pflichtschuldig fast fällt der Jubel über 200 Busse und an die 15.000 Antifaschistinnen aus, die sich in Riesa bei Kälte und Polizeigewalt der AfD entgegenstellen. Und zugleich machen sich Zweifel breit: Was bringt es eigentlich wirklich? Haben 2 Stunden Verspätung des Parteitags irgendeine Auswirkung auf das, was am Ende wirklich zählt, nämlich das Wahlergebnis am 23.2.?

Alle Kräfte zu sammeln und wieder auf die Straße zu gehen, wieder und wieder und wieder, mit langem Atem gegen die Zerstörung der Demokratie anzukämpfen – das kann, muss und wird sich am Ende durchsetzen

Neueste Umfragen sehen die AfD bei über 20 Prozent der Stimmen. Schuld hat nicht die geschwächte Zivilgesellschaft, die Gründe liegen anderswo: Der Wahlaufruf des Techmilliardärs Elon Musk, für den sich die ebenfalls finanzstarke Springerpresse hergegeben hat, ein Verlag, der schon immer mit dem Riecher eines Investmentbankers in jedem Dreck wühlte, um am Ende zuverlässig auf der Seite des Gewinners zu stehen. Das massenhaft gestreamte Gespräch zwischen AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel und Elon Musk. Die bevorstehende FPÖ-Regierung in Österreich, das angesichts einer verantwortungslosen und geschichtsvergessenen ÖVP wie eine Blaupause für Deutschland wirkt. Der Trump-Sieg in den USA, der als Schock bei vielen noch immer nachwirkt.

Und die Gegenbewegung? Stumm. Die Zeiten, in denen wir selbstbewusst und sekundiert von Bands wie den Toten Hosen, den Ärzten oder Feine Sahne Fischfilet „Wir sind mehr“ durch die Straßen schrien sind verdammt lange her. Mittlerweile haben Pandemie und Haushaltsloch die Kultur ausgedünnt und Parteien, die sich früher „eher links“ verorteten, verschärfen das Asylrecht und lassen sich von einem Wettkampf der Unmenschlichkeit nach rechts treiben. Auch sie wollen am Ende nicht zu den Verlieren gehören – und biedern sich dem vermeintlichen Volkswillen nach Abschiebungen im großen Stil an, als wären es die Sorgen jener desinformierten Wutbürger, die man ernst nehmen müsse und nicht die derer, die massenhaft für den Erhalt der Demokratie aufgestanden waren.

Empört euch weiter, haltet die Stimmung aufrecht!

Die Quittung gab es nur wenige Monate nach den Demos. Bei der Europawahl wurde die AfD mit 16 Prozent zur zweitstärksten Kraft gewählt. Weitere Erfolge bei drei ostdeutschen Landtagswahlen folgten. Das saß erst mal.

Es ist heute schwerer denn je, sich wieder zu berappeln, den Optimismus wiederzufinden, zumal uns ja von überall her der komplette Niedergang Deutschlands plausibel gemacht wird. Und es ist schwer, sich nicht an das schleichende Gift der immer deutlicheren sprachlichen Entgleisung zu gewöhnen, nur weil gefühlt immer mehr Menschen auf immer mehr Kanälen immer entfesselter immer Menschenfeindlicheres äußern. „Alice für Deutschland“, der neue selbstbewusste Claim der AfD, nur wenige Buchstaben entfernt vom SA-Spruch, für den Björn Höcke im vergangenen Jahr noch verurteilt wurde.

Der beständige Tabubruch ist im ersten Moment wirkmächtig. Aber wir sollten auch die eigenen Stärken nicht unterschätzen. Sich das Momentum zurückzuholen, alle Kräfte zu sammeln und wieder auf die Straße zu gehen, wieder und wieder und wieder, mit langem Atem gegen die Zerstörung der Demokratie anzukämpfen – das kann, muss und wird sich am Ende durchsetzen.

Viele, die im vergangenen Jahr nach Veröffentlichung der Correctiv-Recherchen über das Potsdamer Treffen von Rechtsextremen auf die Straße gegangen sind, waren damals erstmals auf einer Demo. Viele berichteten überrascht und euphorisiert von einem Gefühl des Empowerments und von einem Zeichen des Zusammenhalts. Von der Erleichterung darüber, dass es endlich einen Aufstand der Anständigen gegeben hatte. Einen solchen Aufstand sehen wir auch jetzt wieder, in Österreich etwa, wo die Hoffnung, eine rechtsradikale Regierung zu verhindern noch viel kleiner ist, als hier. Auch wir hier in Deutschland sind noch lange nicht am Ende. Empört euch weiter, haltet die Stimmung aufrecht! Es gibt keine Alternative.

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Sunny Riedel
Redakteurin taz1
Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Anna Klöpper das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Lateinamerika, Gesellschaft, Aktuelles. An der DJS gelernt.
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15 Kommentare

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  • Wenn Hitler für Alice Weidel ein Sozialist und Kommunist war, ist sie selbst samt ihrer Partei nach der gleichen Logik eine Alternative im Sinne der Alternativen Listen und somit für ihre eigenen Anhänger unwählbar.Leider haben die es nicht so mit Logik.

  • Danke für den sehr guten Artikel.



    Was machen diese neurechten Tendenzen, diese immer offener werdenden Deportationsfantasmen mit den Betroffenen?



    Wie können sie geschützt werden?



    Wie kann man ihnen Solidarität zeigen?

  • Meine Oma hätte die politische Lage wohl so kommentiert: " Es war zu lange Frieden in Deutschland. Und wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis! "



    Die Menschen haben jeden Respekt vor dem Wohlstand verloren, den sie täglich geniessen dürfen und rennen Schlangenölverkäufern, Neppern, Schleppern, Bauernfängern und Geisslern hinterher, die ihnen das Blaue vom Himmel versprechen. Ich würde mich auch nicht mehr wundern, wenn sich herausstellen würde, dass Corona den IQ weltweit um 20% gesenkt hätte - so fühlt es sich nämlich an: Alle bekloppt geworden!

    • @Schytomyr Shiba:

      Jetzt brauchen Sie doch nicht gleich ableistisch zu werden.



      Selbst ein Intelligenter kann die rechtsextreme AfD wählen, und umgekehrt kann ebenso ein Dummer eine demokratische Partei unterstützen. Die Problematik liegt nur darin, wenn man glaubt, über andere stehen zu können.



      Und das sind diese AfD-Faschisten.

  • Die AfD betreibt Trumpismus pur, sie liefert lediglich LKWs mit Scheiße an und verteilt sie im öffentlichen Diskussionsraum. Was gesagt wird ist völlig egal, Hitler Kommunist, Windräder abreißen, raus aus dem Euro, vermutlich demnächst Hobbingen neue Hauptstadt und Bernd Höcke neuer Papst. Die rechte Blubbermaschine donnert unaufhörlich in den Äther, die „fassungslose“ Linke und liberale Demokratie nimmt den Müll ernst und beschäftigt sich mit Argumenten, die nie welche waren. Ergebnis: die Rechten sagen über was geredet wird, sie diktieren den Diskurs. Über echte Politik redet keiner mehr, Ergebnis: Trump ist POTUS und die AfD hat 50% mehr in Umfragewerten als die Sozis.



    Nicht mehr über jedes Stöckchen springen kann man da nur raten, Donald Tusk hat es richtig gemacht. Über die Themen reden, eigene Punkte setzen anstatt nur die gequirlte Scheisse der anderen kompostieren. Und genau falsch machts die Union: die Nazis kopieren führt zu Kickln im Kanzleramt und Konservative, die am Ende melonisiert oder lepenisiert werden. Lernen und Strategie anpassen, die 90er sind vorbei. Rechtsextreme schlagen ist machbar, Herr Nachbar.

    • @Bambus05:

      Interessanter Hinweis. Es bleibt nur schwierig, zu unterscheiden, wo man wirklich ignorieren und wo entschieden widersprechen sollte. Es ist eine Art Müll sortieren.

    • @Bambus05:

      Schön gesagt!

  • Noch kein Kommentar zu diesem wichtigen Beitrag, der aufrüttelt und Mut macht. Kommt hoffentlich noch, sonst weiß ich auch nicht weiter. Letztes Jahr war ich auf einigen Demos gegen die AfD. Und dieses Jahr? Jetzt, wo es wieder einmal auf die Zivilgesellschaft ankommt, müssen wir uns nicht nur empören sondern auch engagieren (s. a. Stéphane Hessel).



    Mensch könnte verzweifeln und erstarren ob der politischen und ökologischen Weltlage. Aber ist das wirklich eine Option? Nein! Denn das wollen die Rechten ja, dass wir uns lähmen lassen, dass uns der Atem ausgeht. Aber wir wollen doch atmen, frei heraus- schreien, was wir nicht wollen, dass wir dieses Gedankengut nicht wollen. Und dafür müssen wir widerständig sein und uns engagieren.



    Der Demos muss sprechen und handeln, sagen, dass wir diesen Sprachduktus und diese menschen- und planetenverachtende Politik nicht zulassen, dass wir auf der Straße, in den Medien im Bekannten- und Verwandtenkreis bekunden werden, dass wir das nicht zulassen werden. Niemals!



    Ich habe bislang noch keine Demonstration organisiert, kenne auch nicht viele Menschen und werde es, auch mit Hilfe der Seite Demokrateam jetzt versuchen. Empört euch!

  • Bürger der Bundesrepublik, ich sage euch!



    Zeigen wir es den verdammten AfD-Faschisten, dass unsere Demokratie noch nie so lebendig war wie heute!



    Empört euch, haltet die Stimmung aufrecht!

  • Wenn Riesa eines endgültig gezeigt hat, dann dass jeder, der sich gegen die faschistische AfD engagiert, sich auch mit der Brutalität der Polizei auseinandersetzen muss.

  • "AfD bei über 20 Prozent der Stimmen. Schuld hat ... Der Wahlaufruf des Techmilliardärs Elon Musk, für den sich die ebenfalls finanzstarke Springerpresse hergegeben hat, ... Das massenhaft gestreamte Gespräch zwischen AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel und Elon Musk. ... Die bevorstehende FPÖ-Regierung in Österreich"

    Das sehe ich komplett anders. > 20 % sind die, weil > 20% der Wähler glauben, dass die Rechten von der AFD ihre Probleme besser adressieren und lösen können, als die Parteien, welche bisher an der Macht waren. Die haben die Probleme nämlich nicht gelöst.

    Garantiert ist der Musk nicht der 20%-Zauberer. Und auch nicht die Österreicher. Es sind die "etablierten" Parteien. Die machen das.

    Weil sie mit dem Steuergeld nicht klarkommen, weil es Altersarmut gibt, niedrige Renten in Deutschland, die dennoch europaweit am höchsten besteuert werden, wenig Wohnungseigentum, hohe Mieten, Zustrom aus dem Ausland in die Sozialsysteme, steigende Gesundheitskosten, Energiekosten, Lebenshaltung, schlechte Wirtschaftslage, Unternehmenspleiten mit Entlassungen, grottiger ÖPNV...

    Wer verspricht Besserung: die AFD.

    Das ist der Grund für die 20%, die denen glauben.

    • @EIN MANN:

      Exakt so!

    • @EIN MANN:

      >Wer verspricht Besserung: die AFD.



      Das ist der Grund für die 20%, die denen glauben.<

      Der afd glauben? Muss gar nicht sein. Bei schwarz/grün oder schwarz/rot weiß man was kommt. Das reicht.

      • @testen:

        Wenn es bisher eine starke Grippe war, wird die durch Pest UND Cholera nicht kuriert.

        • @Erfahrungssammler:

          Das ist richtig. Aber die Frage war: wo kommen >20% AFD her?

          Ganz genau weiß ich es auch nicht, ich habe da nur so Vermutungen. Was aber sicher nicht die ganz große Rolle spielt ist Herr Musk oder die Österreicher.

          Was die AFD außer oben Genanntem noch richtig schön fördert: Blockaden ihrer Parteitage.