Protest gegen Updloadfilter: CDU diffamiert Demonstranten
Demonstrierende Gegner der EU-Urheberrechtsreform seien gekauft, meint der EU-Abgeordnete Daniel Caspary. Später relativiert er seine Aussage.
Erst am Sonntag schob er auf Twitter eine Erklärung nach: Er habe „Respekt vor den vielen Menschen, die für ihre Meinung auf die Straße gehen. Wenn Organisationen jedoch durch fragwürdige Methoden versuchten, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, dann darf auch kritisiert werden“, schrieb er und verlinkte auf zwei Webseiten. In beiden geht es um das Angebot von EDRi, einem NGO-Zusammenschluss, der Reisekosten bis zu 450 Euro übernimmt, wenn Aktivisten nach Straßburg oder Brüssel fahren und dort bei Abgeordneten gegen die Urheberrechtsreform lobbyieren.
Am Samstag demonstrierten in Deutschland Zehntausende gegen die vom EU-Parlament geplante Reform des Urheberrechts. Danach würden Internetplattformen wie YouTube in Zukunft automatisch bei Verstößen haften. Bisher tun sie dies nur, wenn Verstöße gemeldet werden und sie nicht reagieren. Kritiker befürchten, dass mit dem Gesetz automatische Uploadfilter das Netz zensieren werden.
Die Union im Europaparlament, die für die Reform eintritt, hatte in der vergangenen Woche schon mit einer Behauptung des Abgeordneten Axel Voss für Spott gesorgt. Er hatte in einem Vice-Interview behauptet, Google habe eine Rubrik, „wo man Memes anklicken kann“.
Wie aus der Zeit gefallen
Anschließend offenbarte auch das Social-Media-Team der Union im EU-Parlament seine Ahnungslosigkeit: Als es Voss beispringen wollte, twitterte es als Beleg den Screenshot einer Google-Suche. Der zeigte zwar das Wort „Memes“. Google hatte damit aber nur nach dem Stichwort gesucht und keine Memes gezeigt.
Bei den Gegnern der Gesetzesreform bestätigte Caspary mit seiner Äußerung vom Samstag das Bild, das Voss schon Tage zuvor geliefert hatte: die Union als eine der Sache unkundige, dafür politische Gegner aber umso heftiger diffamierende Parteienfamilie. Auch in der CDU erntete Caspary Protest: Der Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer sprach vom „wiederholten Zurschaustellen völliger Ahnungslosigkeit. Das schadet CDU und CSU massiv.“
Die Abstimmung am Dienstag im EU-Parlament wird deshalb nicht anders ausgehen. Aber gerne wüsste man, welche Konsequenzen die Union für ihre PR-Arbeit zieht. Denn dass Caspary fast 24 Stunden lang den Eindruck erweckte, er bezeichne die Demonstranten vom Samstag als gekauft, ehe er über Twitter ein Dementi nachschob, wirkt wie aus der Zeit gefallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste