Protest gegen Ruangrupa-Gastprofessoren: Litfaßsäule auf zwei Beinen
Zwei Gastprofessoren der Hamburger Hochschule für Bildende Künste wird Antisemitismus vorgeworfen. Hamideh Kazemi protestiert gegen ihre Berufung.
Es handelte sich dabei um eine Protestaktion der Menschenrechtsaktivistin Hamideh Kazemi. Die gelernte Bauzeichnerin protestierte mit ihrer Aktion gegen die Berufung zweier Mitglieder der Künstlergruppe Ruangrupa zur Gastprofessur an der HfBK. Auf der diesjährigen Documenta 15 in Kassel hatte die indonesische Künstlergruppe bereits großes Aufsehen erregt, da sie als Kuratorin Kunstwerke ausstellte, die antisemitische Abbildungen enthielten. Außerdem unterstützte die Gruppe in einem offenen Brief die Kampagne Boycot, Disinvestment, Sanctions (BDS), die sich gegen Israels Besatzungspolitik wendet. Der Bundestag hatte BDS in einem Beschluss 2019 als antisemitisch eingestuft.
„Es geht mir darum, gegen eine unerträgliche Doppelmoral zu protestieren“, sagt die 53-jährige Exiliranerin. Sie möchte Antisemitismus als eine universelle Gefahr für die Menschenrechte benennen, die auch bei Akteur*innen aus dem „globalen Süden“ kritisiert werden müsse. „Wenn man Ruangrupas Antisemitismus in Schutz nimmt, ist das Kulturrelativismus“, sagt Kazemi. „Die politisch Verantwortlichen, die der Gruppe eine Bühne geben, verstecken sich mit ihrem eigenen Antisemitismus hinter Akteur*innen des globalen Südens.“
2001 war Kazemi aus dem Iran nach Deutschland geflohen, da sie die Unterdrückung von Frauen durch die Moralgesetze des islamischen Regimes nicht weiter ertragen wollte. „Im Iran ist der Antisemitismus sehr präsent. Bei jedem Freitagsgebet wird zur Vernichtung Israels aufgerufen“, erklärt sie. Nachdem sie sich eine Weile in Deutschland aufgehalten hatte, musste sie feststellen, dass auch hier Antisemitismus zum Alltag gehöre.
Distanzierung vom BDS gefordert
Spätestens als 2015 viele Geflüchtete nach Deutschland kamen, begann ihr politischer Aktivismus. „Viele Exiliraner*innen haben homophobe und antisemitische Ansichten nach Deutschland gebracht. Da musste ich aktiv werden“, sagt sie. Sie begann Proteste gegen das Islamische Zentrum Hamburg zu organisieren, das wegen seiner Nähe zum iranischen Regime in der Kritik steht.
Nun fordert Kazemi von der HfBK sowie von den Gastprofessoren der Ruangrupa eine deutliche Distanzierung von BDS. Außerdem müsse die Universität „unbedingt Lehrveranstaltungen über das Thema Antisemitismus anbieten“. Viele Studierende seien erschreckend unaufgeklärt. So habe sie während ihrer Protestaktion viel Unverständnis von den Mitarbeiter*innen wie auch von Studierenden erfahren. „Israel ist ein Apartheidsstaat“, habe ihr eine Studierende sogar hinterher gerufen. „Es ist nun wichtig, dass der Protest weitergeht und kein Gras über die Sache wächst,“ sagt Kazemi. Es seien weitere Aktionen zusammen mit dem Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft geplant.
Einen ersten Erfolg der Protestaktionen sieht sie bereits in einer von der HfBK organisierten Veranstaltung, die sich mit dem Antisemitismusbegriff auseinandersetzt. Doch damit die Kritik am Antisemitismus kein bloßes Lippenbekenntnis bleibt, wird wohl auch in Zukunft die wandernde Litfaßsäule in der HfBK ihre Runden drehen müssen.
In einer früheren Version dieses Textes war der Eindruck entstanden, Ruangrupa habe auf der Documenta selbst antisemitische Darstellungen gezeigt. Es handelte sich aber um Werke anderer Künstler:innen, deren Auswahl Ruangrupa als Kuratorin verantwortete. Wir bedauern den Fehler und haben den Text entsprechend geändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Jahresrückblick Erderhitzung
Das Klima-Jahr in zehn Punkten
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos