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Protest gegen Kies- und SandabbauDer neue Kampf gegen Gruben

Bei Frankfurt protestieren Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen gegen Sand- und Kiesabbau in einem Wald. Konflikte wie dieser häufen sich in Deutschland.

Die Ak­ti­vis­t*in­nen haben sich schon im Bannwald eingerichtet Foto: Maximilian Arnhold

Langen taz | Der Weg zur Grube ist kurz, nur dreihundert Meter hinter den Baumhäusern ist der Wald zu Ende. Ein Aktivist, Deckname „Hefe“, legt prüfend eine Hand auf den Bauzaun, der die Bäume von den Baggern trennt. „Das da ist ein Verbrechen“, sagt er und deutet auf die Baufahrzeuge im Sand, die vorerst stillstehen. In der Ferne kreischt eine Motorsäge durch den Wald.

Im Bannwald von Langen bei Frankfurt tobt ein Konflikt, wie er immer häufiger wird: Klima- und Um­welt­ak­ti­vis­t*in­nen protestieren gegen den Sand- und Kiesabbau.

Hier in Langen will die Firma Sehring bis zu 67 Hektar geschützte Natur – deshalb der Name „Bannwald“ – mit einer Grube ersetzen. In unmittelbarer Nähe harren Ak­ti­vis­t*in­nen der Gruppe „Wald statt Asphalt“ seit Juli in einem Protestcamp aus. „Es kann nicht sein, dass in Zeiten des Waldsterbens und der sich verschärfenden Klimakrise wertvolle und intakte Waldgebiete wie der Langener Bannwald gerodet werden“, erklären sie.

Ihr Camp haben die Ak­ti­vis­t*in­nen „Banny“ getauft – in Anlehnung an den berüchtigten Dannenröder Forst „Danni“, der besetzt wurde, um eine Autobahn zu stoppen. Für die derzeit rund ein Dutzend Be­woh­ne­r*in­nen ist Banny auch ein Freiraum, um eine alternative, hierarchiefreie Lebensweise auszuprobieren, erzählt Hefe – möglichst frei von Kapitalismus, Sexismus und Patriarchat: „Was uns alle eint, ist der Kampf gegen die Zerstörung der Natur.

Konflikte um Flächennutzung werden zunehmen

Juristisch ist die Lage im Langener Bannwald bereits entschieden: Das Bundesverwaltungsgericht hat 2022 nach einer Klage des BUND die Genehmigung für den Abbau bestätigt – was die Protestierenden jedoch nicht davon abhält, weiterhin Widerstand zu leisten. Schließlich nimmt die politische und rechtliche Debatte um den Abbau von Sand und Kies in Deutschland gerade erst Fahrt auf.

„Konflikte um die Nutzung natürlicher Ressourcen nehmen seit Jahren weltweit zu“, beobachtet Jürgen Scheffran, Professor für integrative Geografie an der Universität Hamburg. Das gelte auch für Deutschland: Die Landflächen seien begrenzt. Deshalb konkurrierten Unternehmen, Gemeinden, Menschen und Natur um Platz für Siedlungs- und Straßenbau, Landwirtschaft, Energienutzung oder Schutzgebiete, sagt Scheffran. Er forscht zu Klimawandel und Ressourcenkonflikten.

Wegen des „Infrastruktur-Staus“ würden sich solche Fälle in Zukunft verschärfen, warnt er. Der Bau von Infrastruktur sei jahrzehntelang vernachlässigt worden – mit Ausnahme von Straßen. Doch auch Radwege, Bahntrassen oder der Ausbau erneuerbarer Energien benötigten erhebliche Mengen an Ressourcen, stellt der Wissenschaftler fest: „Wenn die vor Ort abgebaut werden, gibt es einen direkten Widerspruch zwischen lokalen Eigeninteressen und übergeordnetem Umwelt- und Klimaschutz.“

Beispiele dafür gibt es viele: Im Rheinland protestieren Bürgerinitiativen wie „Rettet den Niederrhein“ seit 2019 gegen die Ausweitung von Kies-Abbauflächen. In Baden-Württemberg gibt es seit 2021 ein Baumhaus-Camp im Altdorfer Wald bei Ravensburg, das noch heute besteht. Der dortige Wald soll in großen Teilen einer bis zu 90 Meter tiefen Kiesgrube zum Opfer fallen. Im sächsischen Würschnitz wurde Anfang 2023 ein Klima-Protestcamp in einem Waldstück geräumt.

Für Unternehmer ist Protest „ökologischer Nonsens“

Kern der Konflikte ist die Frage, womit in Zukunft gebaut werden soll. Bisher ist das selten nachhaltig. Die Baubranche ist für 15 Prozent der Emissionen in Deutschland verantwortlich. Allein auf die Herstellung von Baustoffen für den Neubau oder die Modernisierung von Gebäuden entfallen rund acht Prozent, was in etwa dem doppelten jährlichen CO₂-Ausstoß des deutschen Flugverkehrs entspricht. Im wirtschaftsstarken Rhein-Main-Gebiet ist der Druck auf die Natur besonders groß: Bau- und Verkehrsprojekte verschlingen viel Platz – und Rohstoffe.

Für Dirk Pollert, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, ist die Ablehnung des Kies- und Sandabbaus „ökologischer Nonsens“. Sand und Kies würden für Wohnungen und die Infrastruktur benötigt. „Vieles kann glücklicherweise mit Rohstoffen aus der Region gebaut werden“, sagt er. CO₂-intensive Transporte würden so vermieden, was klimafreundlicher sei.

Bei den Kli­ma­schüt­ze­r*in­nen sorgt das für Kopfschütteln. „Bauwende heißt nicht: mehr Beton aus Deutschland“, kritisiert Mira. „Im Gegenteil: Es geht darum, von immer mehr Frischbeton wegzukommen.“ Es gebe ökologische Alternativen mit nachwachsenden Ressourcen, erklärt der Aktivist – etwa, wenn in Pflanzen gespeichertes CO₂ in einem Haus verbaut wird, bei Häusern aus Holz oder mit Strohdächern zum Beispiel. „Aber solange es profitabler ist, riesige Waldflächen zu zerstören, als Rohstoffe aus der Natur zu nutzen oder zu recyceln, wird sich nichts ändern.“ Der Aktivist hält inne. „Wir verhindern hier ein Stück weit, dass es sich lohnt.“

Auch Geograf Jürgen Scheffran weist darauf hin, dass die Alternativen zum Sand- und Kiesabbau noch deutlich mehr Geld kosten. Das Recycling großer Mengen von Bauschutt biete zwar großes Potenzial, sei aber sehr teuer. Er plädiert dafür, Marktanreize wie den CO₂-Preis auch für Umweltbelastungen wie beim Sand- und Kiesabbau einzuführen – und bis dahin nicht dort abzubauen, wo die Natur am stärksten belastet wird.

Sollte die Rodung beginnen, sind die Baumhäuser im Weg

Thomas Norgall, der hessische Landesvorsitzende des BUND, kann den Protest in Langen nachvollziehen. Jedoch seien alle Rechtsmittel bereits ausgeschöpft und das Gericht habe letztinstanzlich gegen den Wald entschieden, erklärt er der taz. In der Diskussion fehle es an „Bewusstsein für die Endlichkeit von Kies und Sand“, beklagt er. Es würden dringend Ersatzstoffe gebraucht. „Stattdessen werden sogar Schutzgebiete zerstört, um die letzten Vorkommen auszubeuten.“

Die Fronten scheinen verhärtet. Während die Kli­ma­ak­ti­vis­t*in­nen im Bannwald von Langen weiter ausharren, sieht die Firma Sehring ihre Arbeit durch das Gerichtsurteil abgesichert. Stefan Sehring, Geschäftsführer des Unternehmens, sagte in der „Hessenschau“, die Ak­ti­vis­t*in­nen seien „Antidemokraten“, die Gesetze mit Füßen treten. Er kündigte an, dass Schäden, die durch die Proteste entstünden, mit allen rechtlichen Mitteln eingetrieben würden. Zum weiteren Rohstoffabbau will sich das Unternehmern auf Anfrage der taz nicht äußern.

Immerhin: In Hessens Bannwäldern dürfen künftig keine Vorranggebiete für den Rohstoffabbau mehr ausgewiesen werden. Die schwarz-grüne Landesregierung hatte 2021 eine Gesetzesänderung beschlossen. Bestehende Genehmigungen wie die von Sehring blieben davon allerdings unberührt.

In der Nähe der Abbaugrenze haben die Ak­ti­vis­t*in­nen ein zwölf Meter hohes Baumhaus errichtet, von dem aus sich die Grube gut überblicken lässt. Sollte die Rodung beginnen, stünden sie im Weg. Mira sagt: „Wir werden bleiben, solange uns der Wald braucht.“

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8 Kommentare

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  • "Es gebe ökologische Alternativen mit nachwachsenden Ressourcen, erklärt der Aktivist – etwa, wenn in Pflanzen gespeichertes CO₂ in einem Haus verbaut wird, bei Häusern aus Holz oder mit Strohdächern zum Beispiel. „Aber solange es profitabler ist, riesige Waldflächen zu zerstören, als Rohstoffe aus der Natur zu nutzen oder zu recyceln, wird sich nichts ändern."

    Genau, nehmt Baeume statt riesige Waldflaechen zu zerstoeren!

  • "Wegen des „Infrastruktur-Staus“ würden sich solche Fälle in Zukunft verschärfen, warnt er. Der Bau von Infrastruktur sei jahrzehntelang vernachlässigt worden – mit Ausnahme von Straßen. Doch auch Radwege, Bahntrassen oder der Ausbau erneuerbarer Energien benötigten erhebliche Mengen an Ressourcen, stellt der Wissenschaftler fest: „Wenn die vor Ort abgebaut werden, gibt es einen direkten Widerspruch zwischen lokalen Eigeninteressen und übergeordnetem Umwelt- und Klimaschutz.“"



    Sehr schön das Kernproblem auf den Punkt gebracht. So ein bisschen eine Henne-Ei-Frage...



    Der Ausbau von ÖPNV benötigt Ressourcen, die Wärmewende benötigt Ressourcen - und auch jeder Migrant der hier ankommt und bleiben soll benötigt Ressourcen.



    Selbst die Grünen im Bundestag wollen (und wollten während der Ampel) massiv investieren - und so müssen dich die Aktivisten hinterfragen, wie sinnvoll ihre Position noch ist, denn mit Protest und Blockade machen sie de facto Feldarbeit für Konservative und Rechte - dann bleibt alles wie es ist.



    Will man den klimaneutralen Umbau oder eben degrowth - mit letzterem stehen sie zweifelsfrei alleine da gegen nahezu alle Bürger und auch gegen alle Parteien im Bundestag

  • Vielleicht sollten wir uns noch einmal mit GG Art. 20a beschäftigen und schauen, ob der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen - zu denen ich den Schutz der Wälder unbedingt zählen würde - vom Bundesverwaltungsgericht ausreichend gewürdigt wurde.



    Da hilft aber nur, das Ganze dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

  • Demookratie ist Volksherrschaftt. Und das Volk besteht entgegen Herrn Sehrings Ansicht nicht bloß aus ihm und seiner Familie. Deshalb hat es auch nichts mit Demokratie zu tun, Wald zu roden, um Sand und Kies abzubauen. Das ist einfach nur das Geschäftsmodell von Grubenbetreibern. Die nichts können, außer Sand und Kies zu verkaufen. Davon, daß man auch mit etwas anderem bauen könnte, haben die nichts.

    Der Fall beleuchtet aber ein anderes Problem. Der Rechtsweg ist ausgeschöpft, ohne daß er zu einer zeitgemäßen Lösung geführt hätte. Richter wenden Recht an. Ein Urteil, welches "unter keinem juristischem Gesichtspunkt vertretbar wäre", erfüllt den Tatbestand der Rechtsbeugung. Was den Richter seinen Beamtenstatus kostet. Nun gibt es auch Urteile, die sich unter anderen als juristischen Gesichtspunkten als ebenso wenig vertretbar erweisen. Ob das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes, welches Herr Sehring erstritt, dazugehörte, ließe man sein Wohlergehen außen vor, ist ohne die Urteilsbegründung nicht zu beurteilen. Es wäre an der Zeit, endlich Wege zu finden, um in solchen Fällen nicht sowohl die Richter als auch das Volk, in dessen Namen sie Recht sprechen, ratlos zurückzulassen.

    • @dtx:

      'Das Volk' besteht aber auch nicht nur aus dtx und ein paar Aktivisten. Das Volk hat, wenn ich mich nicht irre, deutlich viele Male für eine Rechts- und Gesellschaftsordnung gestimmt, die dem Privateigentum - auch der Produktionsmittel wie auch der Rohstoffe - einen sehr hohen Stellenwert einräumt.

      Ihr Rechts- und Demokratieverständnis ist, wenn ich es mal so ausdrücken darf, speziell. Wenn ihnen also die Gesetze nicht passen, und die Richter auch nicht, die diese auslegen, dann müssen also andere her?

      Es bleibt Ihnen unbenommen, Mehrheiten für eine Rechts-, Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu sammeln, die dann andere Gesetze erlässt.

      • @fleischsalat:

        Es gibt halt mindestens ein Urteil (AG Köln vom 03.02.2024 – 149 C 520/23), da schrieb der Richter sinngemäß in die Begründung, daß das Ausgeurteilte Unsinn sei, aber er nicht anders könne:

        www.esv.info/aktue...32841/meldung.html

        oder

        www.saarbruecker-z...ng-v1_aid-88358243

        Und es kommt eben nicht alles, was grenzwertig ist, auch in die Zeitungen.

    • @dtx:

      Ergänzend zum ersten Gedanken: Sand- und Kiesgruben sind kapital-, aber alles andere als personalintensiv. Wer da um Arbeitsplätze jammert, gehe sonntags mal essen, erhalte eine gute Gastwirtschaft, damit rettet man mehr Leuten den Lebensunterhalt.

  • Wer den Natur- und Umweltschutz ernst nimmt, wird feststellen, dass die bis heute in Gesetzen und internationalen Abkommen schon festgeschrieben Ziele weit über das hinausgehen, was bisher getan wurde oder geplant wird. Die zahlreichen Interessenkonflikte zwischen Natur-Inwertsetzung und billige Abfallentsorgung einerseits und Natur- und Umweltschutz andererseits sind nur schwer auflösbar. Der Schutz zieht dabei oft den kürzeren, weil weiterhin Rechte und Verwaltungsregeln verschiedenen Behörden und Unternehmen den Zugriff auf Naturressourcen ermöglichen. So können z.B. Genehmigungen und Planungen, die zum Teil schon mehrere Jahre alt oder noch in Arbeit sind, auch heute noch gegen Widerstände rechtssicher durchgesetzt werden. Daneben gibt es noch andere Nutzungsinteressen, die weniger mit Natur- und Umweltschutz zu tun haben, als mit dem penetrant eingeforderten Recht auf Spaß und Selbstverwirklichung.