Protest gegen Geflüchtetenunterkunft: Gegenüber wohnen Wutbürger
Das Stadt Hamburg prüft, ob in einem Altbau besonders schutzbedürftige Geflüchtete unterkommen können. Anwohner*innen fühlen sich übergangen.
Ob das Haus, das dem städtischen Sozialunternehmen Fördern und Wohnen gehört, als Unterkunft umgebaut werden kann, prüft die Sozialbehörde derzeit. Doch Anwohner*innen der Sierichstraße haben schon jetzt etwas gegen die Pläne – und fühlen sich von den Behörden übergangen.
Das Haus liegt im Bereich „Winterhude 21“, in einem Teil des Bebauungsplans, der als reines Wohngebiet ausgewiesen ist. Da eine Geflüchtetenunterkunft aber als öffentlich-rechtliche Unterkunft gilt, ist das eigentlich rechtswidrig. Die Sozialbehörde hat deshalb beim Bezirksamt Nord einen Antrag auf Befreiung von dieser Regel gestellt.
Das macht die Anwohner*innen sauer, sagt Philipp Kroll, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU Nord. „Die Gerüchteküche vor Ort ist am Leben“, sagte er im Regionalausschuss vergangene Woche. „Teilweise sind die E-Mails, die wir bekommen, auch sehr AfD-lastig.“ Deshalb stellte Kroll im Regionalausschuss Eppendorf-Winterhude vergangene Woche einen Antrag auf ein Bürgerforum, der allerdings nach der Debatte auf Krolls Wunsch vertagt wurde.
Vier Wochen Zeit für Rückmeldungen
Dabei wurden in der Vergangenheit durchaus Bürger*innen eingebunden. Die Eigentümer*innen desselben Baublocks wurden im Dezember informiert und hatten vier Wochen Zeit für Rückmeldungen. „Es hat bereits von einigen Eigentümern des Baublocks Einwände gegeben“, sagt Alexander Fricke, Sprecher des Bezirksamts Nord. Damit befassen sich nun im Rahmen des Bauplanverfahrens die Behörden.
Außerdem haben Anwohner*innen wegen der Nutzung als Betreuungseinrichtung im reinen Wohngebiet einen Anwalt eingeschaltet, mit dem im Februar ein Treffen organisiert sei, so Fricke. Die Staatsrätin der Sozialbehörde stehe in Kontakt mit den Betroffenen.
Eine ganz bestimmte Gruppe Nachbar*innen hat allerdings ein besonderes Problem: Die von gegenüber. Denn auf der Sierichstraße verläuft die Grenze zwischen einem reinen Wohngebiet und einem allgemeinen. Letzteres bedeutet, dass teilgewerbliche Nutzung von Flächen erlaubt ist – und dass die Stadt deshalb die Menschen dort auch nicht nach Einwänden fragen muss.
Eine Anwohnerin von der anderen Straßenseite, die anonym bleiben will, sagte der taz, dass das ungerecht sei. Sie könne nicht für die ganze Nachbarschaft sprechen, denn sie seien nicht organisiert, aber die Menschen hätten doch Fragen: Wer da reinkäme, für wie lange.
„Die Menschen lesen, wie in der Nähe von anderen Flüchtlingsunterkünften regelmäßige Polizeieinsätze sind, der Supermarkt Sicherheitspersonal einstellen muss, die Häuser an Wert verlieren“, sagt die Anwohnerin. Seit über zwanzig Jahren wohne sie hier. Bei einem solchen Vorgang müsse doch „das ganze Viertel mitgenommen werden“.
Sie möchte von der Stadt informiert werden und mitreden. Es herrsche die Vorstellung, in Winterhude hätten die Menschen so viel, dass sie teilen könnten. „Wir als Viertel müssen diese Menschen integrieren, während die Stadt weiterzieht.“
Klar ist: Geflüchtete brauchen Wohnraum, und erwünscht sind sie selten. Das zeigt auch das Beispiel Sophienterrassen, wo die Stadt die Nutzung der Immobilie aufgrund von Widerstand in der Nachbarschaft im Herbst dieses Jahres wieder schließen muss. Auch gegen Unterkünfte in Duvenstedt und in Bahrenfeld gibt es Vorurteile, Nachbar*innen sprechen sich teils klar rassistisch gegen sie aus.
Susanne Otto, Regionalbeauftragte des Bezirksamt Nord, sagte im Regionalausschuss Eppendorf-Winterhude vergangenen Montag deshalb, dass Informationsveranstaltungen während der Planungsphase weiterhin nicht vorgesehen sind. Erst wenn das Bauprüfverfahren abgeschlossen ist und es wirklich zum Umbau kommt, werden Bürger*innen informiert, sagt Otto.
Natürlich bestehe die Hoffnung, dass es klappt mit einer Unterkunft. „Jede Möglichkeit, die die Stadt hat, um gerade schutzbedürftige Menschen unterzubringen, muss genutzt werden“, sagt Otto. Wenn in Winterhude alles richtig läuft, beginnt im Frühjahr der Umbau. Im Herbst sollen Menschen einziehen können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Sicherheitsleck in der JVA Burg
Sensibler Lageplan kursierte unter Gefangenen