Protest gegen Femizide in Berlin: Den Alltag unterbrechen
In Charlottenburg wurde einer Anfang September getöteten Frau gedacht. Die Initator:innen fordern zugleich mehr Geld für Prävention und Schutz.

Rund 80 Menschen sind zur Aktion der Initiative Rote Schuhe gekommen, viele von ihnen arbeiten in Beratungsstellen oder Frauenhäusern. Einige zünden ein Grablicht an oder legen Blumen nieder. „Wir wollen uns lebend“, „Stoppt Femizide“ und „Patriarchale Gewalt beenden! Feministische Projekte fördern!“, steht auf Bannern und Schildern.
Gewalt gegen Frauen steigt
Bereits zum fünften Mal in diesem Jahr versammelt sich die Initiative, denn mindestens fünf Femizide gab es 2025 schon in Berlin: „So lange sich politisch nichts ändert, so lange Männer nicht wirksam daran gehindert werden, ihre (Ex-)Partnerinnen zu töten, so lange werden wir unseren Alltag unterbrechen, um diesen Frauen zu gedenken“, sagt eine Organisatorin.
Am 3. September war die 52-jährige Frau aus Vietnam in einem Mehrfamilienhaus in der Blissestraße gefunden worden. Die Polizei geht von einem Tötungsdelikt aus. Die Frau war vermutlich Sexworkerin, laut Staatsanwaltschaft soll an der Adresse ein Wohnungsbordell gewesen sein.
Die Gewalt gegen Frauen in Berlin steigt. Allein 2024 wurden 29 Frauen von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Dennoch fehlten in Berlin derzeit 486 Schutzplätze für gewaltbetroffene Frauen nach den Vorgaben der Istanbul-Konvention, kritisiert die Initiative Rote Schuhe. Täglich müssten bei der Hotline gegen häusliche Gewalt 10 bis 15 schutzsuchende Frauen und ihren Kindern abgewiesen werden, weil es keine freien Platz gebe, heißt es.
Antigewaltprojekte von Kürzungen betroffen
„Der Umgang mit struktureller patriarchaler Gewalt muss sich endlich ändern“, fordert eine Rednerin am Mittwoch. Konkret müssten Beratungsangebote und Plätze in Frauenhäusern ausgebaut und bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Außerdem müsse es mehr Geld für Prävention geben. „Wir möchten hier nicht mehr stehen, wenn schon etwas passiert ist“, sagte eine weitere Rednerin.
Eine Mitarbeiterin der Fachberatungsstelle für Sexarbeitende Hydra appellierte außerdem, keine unterkomplexen Antworten zu akzeptieren: „Patriarchale Gewalt trifft natürlich auch Sexarbeiter:innen, doch nicht, weil wir als Sexarbeiter:innen Sex mit Männern haben, sondern weil Frauen und FLINTA im Patriarchat überall Gewalt ausgesetzt sind.“
Auch Berlins Antigewaltprojekte sind von Haushaltskürzungen des Senats betroffen. 2026 sollen 2 Prozent der Fördermittel eingespart werden. Für das Personal soll es darüber hinaus auch keine Tarifanpassungen geben. „Das betrifft nicht nur einen ohnehin unterfinanzierten Bereich, sondern auch einen Bereich, in dem fast ausschließlich Frauen arbeiten“, so die Initiator:innen. Am Donnerstag ist deshalb eine weitere Aktion vor dem Abgeordnetenhaus geplant.
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