piwik no script img

Protest gegen Abi-Prüfungen„Wann soll ich mich konzentrieren?“

Abiturienten fordern in einem Offenen Brief die Absage der Prüfungen. Die Corona-Krise lasse keine Vorbereitung auf Klausuren zu, sagt Johanna Todaro.

Eine echte Prüfungssituation: Was tun mit dem Abi in Corona-Zeiten? Foto: picture alliance/Ole Spata/dpa
Anna Klöpper
Interview von Anna Klöpper

taz: Frau Todaro, Sie machen gerade Ihr Abitur auf dem zweiten Bildungsweg und haben mit anderen KollegiatInnen einen Offenen Brief an Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) verfasst, in dem Sie dafür plädieren, die Abi-Prüfungen in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie zu verschieben. Was wäre dadurch für Sie gewonnen?

Johanna Todaro: Wir haben viele Alleinerziehende am Kolleg, die meisten müssen nebenher arbeiten – und die meisten dieser Jobs brechen jetzt in der Corona-Krise weg. Einige meiner MitschülerInnen sind in Quarantäne zu Hause, ich übrigens auch seit vergangener Woche. Gleichzeitig habe ich eine Tochter, die in die dritte Klasse geht und mit der ich jetzt täglich Aufgaben für die Schule machen muss. Wann soll ich mich da noch auf meinen Bio-Leistungskurs konzentrieren? Abends, theoretisch, aber da ist die Konzentration auch nicht mehr so, wie sie sein müsste.

Keine guten Bedingungen, um sich auf das Abitur vorzubereiten.

Nein. Viele sind völlig deprimiert, haben keinen Job mehr. Da ist es schlicht nicht möglich, frei von Ängsten zu lernen. Und Existenzsorgen, eventuell auch noch eine Qurantänesituation mit kleinen Kindern zu Hause, das betrifft uns ältere AbiturientInnen natürlich nochmal mehr als die AbiturientInnen, die jetzt 18, 19 sind. Wobei natürlich auch sie betroffen sind und mit dieser außergewöhnlichen Situation umgehen müssen.

Sie kritisieren auch, dass eine Prüfungssituation gesundheitlich eine Gefahr wäre.

Ja, wir fragen uns, wie man den nötigen Abstand bei den Prüfungen sicher stellen will. Wie gesagt, einige von uns sind schon in Quarantäne, ich wurde vergangene Woche zufällig positiv getestet, weil ich in einer Arztpraxis jobbe – ich bin bisher aber symptomfrei. Was, wenn man sich bei den Prüfungen den Virus einfängt? Wie gesagt, bei vielen von uns hängen da auch schon Familien zu Hause dran.

Was ist mit denen, die auf die Prüfungen gebaut haben? Immerhin bringen die ein Drittel der Gesamtpunkte fürs Abitur.

Das ist bei uns weniger ein Thema. Klar könnte es sein, dass einige dann bei so einem „Durchschnitts-Abitur“ nur einen Schnitt von 3,0 erreichen. Aber in der Regel fallen die Prüfungen ja gleich gut oder im Schnitt schlechter aus als in den schon geschriebenen Klausuren. Und unter diesen noch nie da gewesenen Umständen ist davon auszugehen, dass es wohl eher schlechter sein wird.

Im Interview: Johanna Todaro

33, macht dieses Jahr am Kolleg Schöneberg ihr Abitur auf dem zweiten Bildungsweg und möchte danach auf Lehramt studieren.

Der Landesschülerausschuss will erreichen, dass es eine freiwillige Zusatz-Prüfung gibt für alle, die ihren Schnitt verbessern möchten. Wäre das ein Kompromiss?

Das fände ich tatsächlich sehr fair. So etwas könnte man ja auch online oder über Skype machen.

Die Technische Universität denkt bereits darüber nach, Klausuren online schreiben zu lassen: Zum Beispiel zwei Stunden Zeit für ein Aufgabenpapier, das man dann rechtzeitig hochladen muss...

Das ist eine Idee. Aber funktioniert das auch bei der Masse an AbiturientInnen? Außerdem können da auch die Ausgangsbedingungen für den Einzelnen sehr ungleich sein: Man braucht eine gute Internetverbindung, es muss Raum dafür da sei. Und außerdem bleibt ja das Problem der Vorbereitung: die Bibliotheken sind zu, Lerngruppen können sich vielleicht über Skype treffen, aber wenn man dann mit dem Kind zu Hause sitzt, geht das auch nur eingeschränkt.

Noch sind die Abitur-Klausuren nicht abgesagt. Wie bereiten Sie sich gerade auf die Prüfungen vor?

Ich kann mich derzeit überhaupt nicht darauf vorbereiten. Ich bin mit meinem Kind alleine in der Quarantäne, mein Mann muss draußen bleiben, um sich nicht anzustecken. Ich habe keinerlei Unterstützung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!