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Protest gegen Abholzung in FlensburgHotel statt Wald

In Flensburg harren Aktivist*innen seit drei Monaten im Bahnhofswäldchen aus. Es ist die nördlichste Waldbesetzung Deutschlands.

Kämpfen um jeden Baum: Besetzer*innen im Flensburger Bahnhofswald Foto: Jannis Große

Kiel taz | Der Wald ist eigentlich nur ein Wäldchen, doch er ist fast ebenso umkämpft, wie es der Dannenröder oder der Hambacher Wald waren. Seit Anfang Oktober sind in mehreren Bäumen auf einem Grundstück nahe dem Flensburger Bahnhof Wohnplattformen entstanden, in denen eine Gruppe Aktivist*innen rund um die Uhr ausharrt.

Parallel sammelt eine Bürgerinitiative Unterschriften und Spenden für den Erhalt des Wäldchens. An seinem Platz wollen lokale Investoren ein Hotel und ein Parkhaus errichten. Der Protest der Gegner*innen richtet sich auch gegen die Stadt Flensburg. Die ursprünglich für diesen Montag geplante Räumung der Besetzer*inen wurde am Wochenende wegen der hohen Corona-Zahlen in Flensburg kurzfristig abgesagt.

58 Bäume sollen fallen, sagt die Verwaltung – die Aktivist*innen zählen deutlich mehr. Sprecherin Hanna Poddig deutet auf einen Baum: „Weil er sich gabelt, ist der Stamm zu dünn, daher fällt er nicht unter die Satzung.“ Klar sei, dass der rund 140 Jahre alte Wald durch die Rodungen seinen Charakter verliere.

Dabei seien gerade die alten Bäume wichtig für das Mikroklima der Stadt, weil sie mit ihrem Totholz vielen Tieren Lebensraum böten, sagt Helmreich Eberlein von der „Bürgerinitiaitve Bahnhofswald“. Die Gruppe kämpft seit Jahren gegen den Bau eines Parkhauses und eines Hotels. Auch in der Stadtpolitik sind die Pläne der Flensburger Investoren Jan Duschkewitz und Ralf Hansen umstritten. Dennoch hatte im Sommer eine Mehrheit im Stadtrat den Plänen zugestimmt.

Die Stadt reagiere nur auf den Antrag der Investoren, so Stadtsprecher Clemens Teschendorf zur taz. Dennoch sieht die Verwaltung unter der Oberbürgermeisterin Simone Lange (SPD) Vorteile: Ein Hotel direkt am Bahnhof mache die Anreise per Bahn attraktiver, das Parkhaus käme Pendler*innen zugute. Dass das Mikroklima leidet, sei nicht wahrscheinlich: „Es ist ein sehr grünes Viertel.“

Die gefällten Bäume werden auf einer Ausgleichsfläche ersetzt, die Investoren wollen dort deutlich mehr pflanzen als vorgeschrieben. „Wir werden regulierend eingreifen und dafür sorgen, dass dort eine gute Qualität entsteht“, verspricht Teschendorf. Aber er gibt auch zu, dass nach der Rodung am jetzigen Standort „der Wald nicht mehr als Wald besteht“.

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8 Kommentare

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  • Und erneut werden demokratisch getroffene Entscheidungen durch eine kleine laute Gruppe verhindert.

    • @DiMa:

      Meinen sie die Demokratische Entscheidung die von einer kleinen leisen Gruppe von Marktradikalen beschlossen wurde?

  • RS
    Ria Sauter

    Wünsche den Baumbesetzern Erfolg und Durchhaltevermögen!



    Ich bin oft in Flensburg, mit der Bahn.Kein einziges Mal musste ich im Freien übernachten. Es gibt genügend Übernachtungsmöglichkeiten und genügend Parkplätze.

  • We proudly present:

    Die südlichste Baumbesetzung Deutschlands:

    www.sueddeutsche.d...01-210115-99-41940

    Solidarität mit Baum- und Waldbesetzerinnen und Besetzer aller Himmelsrichtungen!

  • Ich bin sehr für Umweltschutz und sympathisiere mit der Grundhaltung der Protestierenden, aber hier finde ich es doch etwas übertrieben, sich so für ein Wäldchen einzusetzen, dessen Bäume auf einer Ausgleichsfläche offenbar mehr als nur ersetzt werden sollen; zumal ein Hotel am Bahnhof aus Sicht der erwünschten Förderung des öffentlichen Verkehrs - und damit indirekt ebenfalls des Umweltschutzes - doch sicher ein sinnvolles Projekt ist. Persönlich würde ich meine Energie lieber für Anliegen einsetzen, bei denen es um die Bekämpfung ernsthafter Bedrohungen für die Umwelt geht, was hier anscheinend eher nicht der Fall ist - es sieht mir mehr nach einer emotionalen Reaktion aus. Wobei ja anscheinend auch ein Parkhaus zu den Plänen gehört; *das* sehe ich im Gegensatz zum Hotel sicher nicht als sinnvolles oder zukunftsweisendes Projekt an.

    • @Herumreisender:

      Alte Bäume sind viel effektiver und das kann durch Neupflanzungen nicht mal eben kompensiert werden.



      Und Du glaubst doch nicht im Ernst, dass diejenigen, die das Hotel nutzen, mit der Bahn anreisen??? Noch dazu, wenn direkt daneben ein Parkhaus steht.



      Echt ganz großes Kino, wie die Verantwortlichen



      im Artikel versuchen, die Waldvernichtung als Akt des Klimaschutzes darzustellen.



      Den Investoren gehts bestimmt auch gar nicht ums Geld. Denen geht es um die Verkehrswende...

      • @Rübenmus Fanzine:

        Nun, ich selber bin, wie mein Benutzername sagt, bis zur aktuellen Pandemie recht viel herumgereist - und zwar mit der Bahn und habe dann jeweils gerne ein Hotel beim Bahnhof gebucht. Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus wäre ein Hotel am Bahnhof von Flensburg also wohl genau das, was ich buchen würde. Ich mag z.B. die Intercity-Hotels, die es an diversen Bahnhöfen gibt.

        • @Herumreisender:

          Dann verweise ich gerne auf den Kommentar von Frau Flieder. Oder Google.



          Ich habe mir gerade mal die Mühe gemacht und kurz gesucht (10 Sek.).



          Und siehe da: Ohne Ende Übernachtungsmöglichkeiten! Sogar in der Bahnhofstraße...