piwik no script img

Protest für VerkehrswendeVW-Zug bei Wolfsburg blockiert

Klimaaktivist*innen haben die Auslieferung von Volkswagen-Fahrzeugen verzögert. Auch die E-Autos, auf die der Konzern setzt, seien keine Lösung.

Alle Räder stehen still: Vor dem VW-Zug haben sich AktivistInnen angekettet Foto: Pay Numrich

Hannover taz | Am Dienstagmittag haben etwa 80 Klimaaktivist*innen aus der gesamten Republik bei Wolfsburg in Niedersachsen einen Autozug gestoppt. Der Zug hatte das Werksgelände von VW, das in Wolfsburg seinen Stammsitz hat, gerade verlassen und rollte langsam im Ortsteil Fallersleben über eine Brücke über den Mittellandkanal, als sich die Klimaktivist*innen in Sichtweite auf die Schienen stellten, Transparente hochhielten und so den Zug zum Halten zwangen. Die Autos, die etwa 60 Lkw-Ladungen ausmachen sollen, sollten an die Vertragshändler ausgeliefert werden.

Etwa zehn Aktivist*innen, die sich „Aktion Autofrei“ nennen, haben sich an verschiedenen Stellen vor und unter dem Zug an die Gleise gekettet, berichtet eine Teilnehmerin, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte. Das zeigen auch Fotos, die das Bündnis auf Twitter veröffentlicht hat. Ein weiteres Foto zeigt, dass am frühen Nachmittag auch die Eingangshalle des VW-Ausstellungsgeländes Autostadt besetzt worden ist.

Derzeit sind der VW-Werkschutz sowie die Polizei vor Ort am gestoppten Zug. Wegen des nahen Mittellandkanals ist auch die Wasserpolizei involviert. Der Verkehr zum Werkgelände ist lahmgelegt, der Individualverkehr soll nicht betroffen sein. Das Unternehmen war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen.

„Mit der Aktion wollen wir ein Zeichen setzen, dass endlich was passiert“, sagt David Neiser, 31, Nomade und unabhängiger Aktivist, wie er sich selbst bezeichnet. Er unterstützt „Aktion Autofrei“. „Die Öffentlichkeit muss wachgerüttelt werden“, sagt Neiser. So wie das Bündnis fordert Neiser, Autos komplett abzuschaffen. „Die Produktion eines jeden Autos verursacht Schäden in der Umwelt durch den hohen Verbrauch an Rohstoffen und Energie“, heißt es auf der Homepage des Bündnisses. Autos versperrten Wege und Plätze in Städten, der „motorisierte Verkehr verdirbt die Lebensqualität in Dörfern und Städten durch Lärm, Luftschadstoffe und die ständige Unfallgefahr“. Für Parkplätze werden Freiflächen versiegelt, ergänzt Neiser.

Empfohlener externer Inhalt

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen:

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Doch warum wird ausgerechnet VW blockiert? Der Konzern stellt seine Produktion bei laufendem Betrieb auf E-Autos um, ab Mitte 2020 sollen das Werk im sächsischen Zwickau nur noch E-Autos verlassen. Laut VW sollen künftig 330.000 und damit jeden Tag 1.500 E-Autos in Zwickau vom Band rollen.

Für Neiser und „Aktion Autofrei“ sind Elektromobile jedoch keine Lösung. „E-Autos und individualisierte E-Mobilität sind keine Alternativen“, sagt Neiser: „Das Problem auch beim E-Auto sind die Ressourcen, die bei der Produktion verbraucht werden.“ So würden beim Bau der Batterien und Akkus zu viele wertvolle Rohstoffe wie beispielsweise Lithium verbraucht. „Es drohen Kriege um das Metall“, warnt das Bündnis auf seiner Homepage. Das Bündnis setzt auf autofreie Städte und Dörfer und den Ausbau eines kostenfreien ÖPNV.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

18 Kommentare

 / 
  • Wer den Verkehrswahnsinn blockieren will muss beim Kopf des Bürgers anfangen und den Individualverkehr blockieren. Also Straßen blockieren, nicht Zugstecken.

    • @Rudolf Fissner:

      Abgesehen von der zweifelhaften Legitimität solcher Aktionen: Was soll es denn bringen, Straßen zu blockieren? Glauben Sie, es erhöht bei der breiten Masse der Bevölkerung die Akzeptanz für Klimaschutzmaßnahmen, wenn Leute nicht mehr rechtzeitig zum Kindergarten kommen, um ihre Kinder abzuholen, oder verspätet zur Arbeit erscheinen? Und das einer der Betroffenen in Zukunft sein Auto stehen lässt, weil er sich vor Blockaden dieser Art fürchtet, ist ebenso fernliegend.

      • @Lockenkopf:

        Genau das ist doch das Problem: Solange die Autofahrer denken, dass es ohne Auto nicht geht, ist der Ansatzpunkt bei den Herstellern eine Sisyphosarbeit. Die Herstellung wird vielleicht anderswo stattfinden, aber wo eine Nachfrage ist, da ergibt sich auch ein Angebot.

        • @Normalo:

          Die Autofahrer werden aber nach seiner solchen Aktion gerade nicht denken, dass es auch ohne Auto geht. Die werden sich über die Blockierer ärgern und das war es. Solche Aktionen haben einen rein symbolischen Wert und sind im Übrigen - man sollte es nicht ganz außer Acht lassen - rechtswidrig.

          • @Lockenkopf:

            Schon klar. Aber wie sonst sollte man das Übel an der Wurzel packen? Auf Randfiguren rumhacken, aber auf leisen Sohlen um jene Mehrheit herumschleichen, die die eigentliche Veränderung exklusiv in der Hand hält?

            VW zu blockieren ist am Ende auch nicht rechtmäßiger und setzt nicht mal da an, wo der Paradigmenwechsel stattfinden muss. Das sind nunmal die Verbraucher. Wenn man denen ein wenig auf die Nerven gehen muss, dann ist das eben der Preis. Tut man es nicht, wird es mit dem Klimaschutz immer genau dann nicht klappen, sobald deren Interessen berührt sind und sie irgendwas zu entscheiden haben. Denn dieser ausgestreckte Finger auf die, die die Verbraucherwünsche erfüllen, ist doch ein tolles Placebo, das es jedem Einzelnen leichtmacht, sich selbst für unzuständig zu erklären.

            Noch besser wäre natürlich, das mal zu akzeptieren und sich verstärkt um Lösungen zu kümmern, die man den Verbrauchern auch verkaufen kann - also nicht "Verbot! Einschränkung! Verzicht!", sondern positiv besetzbare Alternativen. "Dann klappt's auch mit dem Nachbarn..."

            ...und wenn es am Ende WIRKLICH nur über Verzicht geht, dann muss man das den Menschen eben ehrlich verklickern - aber ihnen selbst ganz unmissverständlich und nicht irgendwelchen ersetzbaren Sündenböcken.

          • @Lockenkopf:

            @LOCKENKOPF: Und eine Bahnstrecke blockieren und ein Unternehmen in seinen Rechten einschränken ist nicht rechtswidrig?



            NORMALO und RUDOLF FISSNER haben es schon auf den Punkt gebracht. Wenn VW keine Autos mehr baut, dann wird es jmd. anderes tun. Das Problem ist der Kunde der ein Auto nachfragt. Das Beispiel mit dem Kindergarten und der Arbeit ist schon gut: Muss man das mit dem Auto machen? Das sind alles regelmäßige und planbare Wege. Wunderbar für den nicht automobilen Verkehr...

  • gut gemacht!weiter so !weg mit der automobilindustrie!

  • Während dessen baut VW ein neues Werk in der Türkei. Warscheinlich mit den Maschinen, die in Deutschland abgebaut werden.



    Und baut die Benziner und Diesel dort für den Nahost Markt munter weiter.

  • Wer sich vorstellt, dass unsere Spezies bei steigenden Produktionszahlen von Autos noch eine Chance hat (und VW tut das!) ist auf dem Holzweg.

    Dabei ist es relativ wurscht, ob die Dinger Elektro, Diesel oder sonst was sind.

    Die Autoindustrie pfeift im Walde und tut so, als könnte alles "weiter wie bisher", nur halt in Elektro weitergehen.

    Dabei sitzen genug kluge IngenieurInnen dort, die das eigentlich wissen müssten.

    D.h. die Autoindustrie fährt ganz bewusst die Bude in die Fritten -- um ihre kurzfristigen Gewinne zu retten [1]. Da kann ich gut nachvollziehen, wenn jemand kein Bock auf Verhandlung hat, auf dieser Basis.

    [1] haben sie uns ja vor kurzem vorgeführt, wie sie das machen.

  • Die Aktivistinnen haben sich an Schienen gekettet?

    Ist ihnen nicht bewusst, dass sie damit das Image der Unzuverlässigkeit der Bahn nur verstärken?

    VW wird das nächste Mal einen Spediteur bestellen.

    Die Aktivist_innen hätten sich treffender "Aktion Bahnfrei" nennen sollen.

    • @rero:

      Das Gleis ist ein Zubringer, daher hat die Blockade keine Auswirkung auf den normalen Schienenverkehr.

    • 9G
      90618 (Profil gelöscht)
      @rero:

      In Deutschland hängt die Automobilindustrie sehr stark von der Bahn ab. Klar kann VW beim nächsten mal 60(!) LKWs bestellen um die gleiche Menge Autos zu transportieren. Aber dann werden die autofreien Aktivisten eben die Fahrbahn blockieren.

      • @90618 (Profil gelöscht):

        Das wäre super, denn dann trifft es hoffentlich auch diejenigen die am Ende des Tages das Automobil auf der Fahrbahn unsinnig nutzen - neben den 60 LKWs... Die Konsequenz aus der Aktion war, dass Fahrradfahrer und Fußgänger die Umliegenden Verkehrswege nicht nutzen konnten, weil sie versperrt waren - von parkenden Polizeieinsatzfahrzeugen. Die Straße war aber frei und die Autofahrer hatten mal wieder freie Fahrt. Irgendwie dämlich...

      • @90618 (Profil gelöscht):

        Das ist doch auch deren eigentliches Ziel. Der Straßenverkehr und nicht der Schienenverkehr !

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Sehr gut. Kommt endlich ein bisschen Schwung in die Kiste.

  • Die 330000 E-Mobile werden für VW (und andere "Klimaschützer" der "Freien Fahrt für freie Bürger" Bewegung) besonders wichtig sein, um die EU-Grenzwerte für die Gesamtfahrzeugflotte einhalten zu können. Wie viele fossile PKW produziert VW denn sonst noch so, im In- und Ausland?

    Auf jeden Fall werden die Springer, DuMont, Burda, Bertelsmann, Mohn &Co was zu schreiben haben, die Innenminister, Polizeigewerkschaften und der Verfassungsschutz wieder in "Habt acht Stellung" gehen, um die Kriminalisierung der fff oder sonstiger Klimaschutzaktivisten voran zu treiben. Wo schon Schulstreiks als rütteln am Rechtsstaat bezeichnet wurde, wird dass eine erwartbare Konsequenz sein. Nicht nur, um die Bewegung zu spalten.

  • Eigentlich sagt man ja, die Revolution fräße ihre Kinder.



    Hier ist es umgekehrt. Die Kinder fressen nun die Revolution.



    Tja...

    • 9G
      90618 (Profil gelöscht)
      @Frank Erlangen:

      Welche Revolution wird denn hier gefressen?