Aktionswoche für Verkehrswende: Kraftwerk und Baustelle blockiert
Mit der Blockade eines Kohlekraftwerks bei VW protestieren Aktivist*innen für eine Mobilitätswende. Der Konzern weist die Vorwürfe zurück.
Eine weitere Gruppe hat einen so genannten Schaber, der Steinkohle aus dem Lager auf Förderbänder schaufelt, erklommen. Auf einem Kran hissen Aktivist*innen ein Banner mit der Aufschrift „Verkehr auf die Schienen schicken, Autoindustrie vors Schienbein kicken.“ Mehrere Personen haben sich über dem Kohlebunker abgeseilt. Zwischen ihnen hängt ein Transparent, auf dem in großen Lettern auf rosanem Untergrund „Runter vom GAS!“ steht.
Seit Freitagmorgen blockieren rund 40 Aktivist*innen gleichzeitig das Steinkohlekraftwerk West bei VW in Wolfsburg und die Baustelle einer Gaspipeline in der Nähe von Braunschweig. Ziel ist es, den laufenden Betrieb des zweitgrößten Autoherstellers weltweit zu behindern.
Rumo Schotter (Name geändert), eine Aktivistin aus der Blockade, sagt zur Aktion: „Wir rasen unaufhaltsam in die Klimakatastrophe. Seit Jahren ist klar, dass wir dringend eine Mobilitätswende brauchen.“ Konzernen wie VW sei das egal. Diese heizten die Krise weiter an und zögen daraus Profite.
Auch Erdgas in der Kritik
„Statt zu hoffen, dass der E-Antrieb uns aus der Klimakrise rettet, sollten wir auf bessere Lösungen setzen“, so Schotter weiter. Solche seien beispielsweise kostenloser ÖPNV, autofreie Städte und ein Ausbau des Schienensystems. „Da weder Konzerne noch Politik handeln, stoppen wir heute mit unserem Einsatz die Produktion klimaschädlicher Drecksschleudern!“
Das blockierte Kraftwerk beliefert das VW-Werk mit Energie für die Autoproduktion. Rund 900.000 Tonnen Steinkohle würden dafür pro Jahr verfeuert, sagen die Aktivist*innen. Die gleichzeitig blockierte Pipeline-Baustelle solle einen Wechsel zu Erdgas ermöglichen. Für Aktivistin Schotter keine Alternative: „Um dem Klimawandel angemessen zu begegnen, müssen wir weg von dreckigen, fossilen Energieträgern.“ Der Umstieg auf Gas sei dabei keine Lösung. „Damit will sich VW nur eine grüne Weste anziehen“, so die Aktivistin. Im kapitalistischen Wirtschaftssystem sei Ausbeutung und Klimazerstörung an der Tagesordnung, das müsse endlich enden.
Die Polizei war erst nach mehreren Stunden vor Ort. Der Werkschutz von VW erkundigte sich, ob alle Aktivist*innen unverletzt seien und fotografierte dann Journalist*innen, die sich außerhalb des Betriebsgeländes befanden. Ab und an liefen Arbeiter*innen über das Gelände, die über die Aktion schimpften. Einer rief im Vorbeilaufen in Richtung der Aktivist*innen: „Ich hoffe, du legst dich auf die Fresse.“
VW weist die Vorwürfe zurück
Der Autobauer Volkswagen weist Vorwürfe von Umweltaktivisten gegen die Klimapolitik des Konzerns zurück. VW setze sich aktiv für einen schnellen Umstieg auf erneuerbare Energien ein und habe sich als erster Autohersteller zu den Pariser Klimazielen bekannt.
VW sei zu Diskussionen über Klimaschutz bereit, hieß es. Aber das Eindringen sei illegal. „Wir dulden keine Gesetzesverstöße, die mit derlei Aktionen von den handelnden Personen begangen werden.“ Deshalb werde man alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, der Anspruch von Schadenersatz werde geprüft.
Die Aktivist*innen am Steinkohlekraftwerk West wollen bleiben, bis sie geräumt werden. Die Blockade ist die erste von vielen Aktionen, die für die kommende Woche geplant sind. In mindestens 50 Städten wollen verschiedenste Gruppen unter dem Motto „Verkehrswende jetzt“ tätig werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“