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In Ruhe Kaffee trinken geht hier gut Foto: Dann Pettersson

Projekt gegen BevölkerungsschwundBe­woh­ne­r:in gesucht

Die brandenburgische Grenzstadt Guben will Menschen mit kostenlosem Probe­wohnen zu sich locken. Kann das gelingen?

N euerdings steht ein Garten­zwerg vor Anika Franzes Wohnhaus, durch ihren Garten fließt ein kleiner Bach, und aus ihrem Wohnzimmerfenster blickt sie auf eine Kleingartenanlage. In ihrer Wohnung herrscht zwar noch Umzugschaos, doch Franze fühlt sich wohl in ihrem neuen Zuhause: der ostdeutschen Kleinstadt Guben.

Dabei schlägt ihr Herz eigentlich für Berlin-Friedrichshain. 37 Jahre lang war der Stadtteil Franzes Heimat. „Berlin ist Teil meiner Genetik“, sagt sie. Ihre Familie lebt seit fünf Gene­ra­tio­nen in Friedrichshain, Franze selbst ist dort geboren. Doch immer öfter wurde ihr die Großstadt „zu viel“, wie sie sagt. Zu viel Lärm, zu viel Dreck, zu viel Elend.

An einem Morgen im Frühjahr 2024, erzählt Franze, wollte sie wieder einmal dem Trubel der Großstadt entkommen. Also ist sie ins Auto gestiegen und raus nach Brandenburg gefahren. „Dahin, wo es kein Handynetz mehr gibt und nur noch der Radiosender Antenne Brandenburg Empfang hat“, erzählt sie. Dort hörte sie zum ersten Mal von einer Aktion der brandenburgischen Kleinstadt Guben: Ein Probewohnen, bei dem alle Interessierten mehrere Wochen in Guben unterkommen können.

Anika Franze diktierte sich die E-Mail-Adresse in ihr Handy, unter der sie sich einige Wochen später meldete. Immerhin ist das Probewohnen umsonst, nur 50 Euro für die Nebenkosten braucht es. Und ein bisschen Mut vielleicht.

Mit dem Probewohnen kämpft die Stadt Guben, im östlichsten Zipfel von Brandenburg gelegen, gegen ein jahrzehntelanges Verlassenwerden. Seit 1990 hat sich Gubens Ein­woh­ne­r:in­nen­zahl auf 16.000 halbiert, und auch für die nächsten Jahre gehen Prognosen von einem massiven Bevölkerungsrückgang aus.

Gubens Verlassenwerden begann genau genommen schon nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Stadt ihren historischen Stadtkern an Polen abtreten musste. Seitdem trennt die schma­le Neiße die beiden Hälften, die lange ein Ganzes bildeten: Guben in Deutschland, ­Gubin in Polen.

Hüte für den ganzen Osten

Zu DDR-Zeiten florierte Gubens Planwirtschaft. Die Stadt fertigte Hüte für den ganzen Osten, war Sitz eines einflussreichen Chemiefaserkombinats. „Perle der Niederlausitz“ wurde sie liebevoll genannt.

Doch dann fiel die Mauer, und aus der einstigen Perle wurde eine Wende­verliererin, deren Be­woh­ne­r:in­nen ihr Glück im Westen suchten. „Guben hat sich aufgeblasen wie ein Luftballon und wird schrumpfen wie ein Luftballon“, meinte der Stadtplaner Heinz Nagler, der sich vor Jahren mit der Stadt beschäftigt hat.

Er sollte recht behalten. Gubens Sterberate ist mittlerweile viermal so hoch wie seine Geburtenrate. Schon jetzt liegt das Medianalter bei knapp 58 Jahren, in den nächsten Jahren wird es weiter steigen. Die Spuren sind in der Stadt überdeutlich zu sehen: leere Straßen, leere Fabrikgelände, leere Jugendzentren. An Gubens glanzvolle Zeiten erinnern zahlreiche Villen, die den Tuch- und Hutfabrikanten der Stadt gehörten. Mit ihren tadellos verputzen Fassaden und stolzen Säulen ragen sie neben mittlerweile verlassenen Wohnhäusern und leerstehenden Büroräumen empor.

An einem Abend im Oktober diskutieren die Gu­be­ne­r:in­nen wieder einmal, wie sie ihre Innenstadt beleben können. Bei der Ein­woh­ne­r:in­nen­ver­samm­lung im Saal der alten Tuch­fa­brik sind viele graue Schöpfe zu sehen, einer gehört Gubens Bürgermeister Fred Mahro.

Bevor Mahro anzugtragender CDU-Politiker wurde, war er Elektrotechniker und Gewerkschafter. „Ich arbeite sieben Tage die Woche – auch im Schlaf“, sagt er über sich. Mahro ist einer, der Hände schüttelt und Kaffee ausgibt. Guben, erzählt Mahro, sei so verlassen, dass am Stadtrand Wohnhäuser abgerissen werden müssten, nur um den Stadtkern wiederzubeleben. „Uns fehlt eine ganze Generation“, sagt er. Das Probewohnen soll diese Lücke füllen.

Um einen Platz in Guben zu bekommen, musste sich die Friedrichshainerin Anika Franze bewerben. Ausgewählt wurden die Kan­di­da­t:in­nen auch danach, wie sie sich während ihres Aufenthalts für die Stadt engagieren wollten. „Mehrwert für Guben“ nennt Kerstin Geilich das. Sie leitet das Gubener Tourismus- und Marktingbüro, das das Probewohnen organisiert. Gemeinsam mit ihrer Tochter Linda sichtete sie 38 eingegangene Bewerbungen. Trotzdem bemühten sich Mutter und Tochter Geilich persönlich um Anika Franze. „Ich hatte das Gefühl, ich bin hier nicht mehr anonym, so egal wie in Berlin“, sagt Franze.

Wie in einem Groschenroman

Anfang Juli zog sie als Erste von insgesamt 30 Pro­be­woh­ne­r:in­nen nach Guben. Als sie mit ihrer Gitarre im Gepäck in der idyllische Kleinstadt ankam, habe sie sich wie in einem Groschenroman gefühlt. Ein „Abenteuer“ sei das gewesen. An ihrem ersten Tag als Gubenerin auf Probe wurde sie von Regen und einer Jahresration Snackwurst des ortsansässigen Bifi-Konzerns begrüßt. In den Wochen darauf saß sie oft mit einem Bubble-Tea am Entensteig, um die grüne Idylle zu bewundern. Freitagabends traf sie die anderen Probewohnenden und Bürgermeister Fred Mahro zum Stammtisch. Kurzum: Anika Franze fühlte sich wohl. Aber langfristig hier bleiben?

Ende Juli zog eine weitere Probewohnerin allein nach Guben, die auf den ersten Blick viel mit Anika Franze gemeinsam hat, sich sogar einen Vornamen mit ihr teilt, und trotzdem eine ganz andere Erfahrung machte. Annika Harloff kommt genau wie Anika Franze aus dem Berliner Osten, aus Lichtenberg, sie probiert gern Neues, ist abenteuerlustig.

Anika Franze ist aus Berlin-Friedrichshain hergezogen Foto: Dann Pettersson

In Berlin ist Harloff Teil eines Kleinkunstkollektivs, auch Zauberei und Burlesque gehört dazu. Jahrzehntelang hat sie in verschiedenen Teilen der Welt gewohnt: Hongkong, Singapur, Serbien und zuletzt in einer Künstlerresidenz in Portugal. Warum also nicht auch Guben, dachte sie. Harloff verdient ihr Geld als Karriereberaterin und kann remote von überall arbeiten.

Doch ihr Start in Guben missglückte: Weil sie kein Auto hat, musste sie eine ganze Strecke mit ihrem Koffer zur Probewohnung laufen. Die Busse fahren in Guben oft nur einmal die Stunde, die letzte Fahrt ist vor 20 Uhr. „Abends werden in Guben die Bürgersteige hochgeklappt“, sagt Annika Harloff. „Playmobiltown“ nennt sie die malerische, aber oft menschenleere Innenstadt. Sie scheut sich nicht davor, neue Menschen kennenzulernen, doch zu den Gu­be­ne­r:in­nen fand sie keinen richtigen Zugang. Die Menschen seien zwar freundlich, aber auch engstirnig, sagt sie. Sie habe nicht das Gefühl gehabt, in Guben auf eine starke Will­kommens­kultur zu stoßen.

„Was soll ich hier in Guben machen?“, fragte sich Harloff. Restaurants seien mittags zu, und ohne Auto komme man auch nicht in den Genuss der umliegenden Natur. Sie vermisste Berlins Diversität, Offenheit und Experimentierfreude. „Ich brauche Vielfalt in meinem Leben“, sagt sie. Ursprünglich wollte sie drei Wochen bleiben, erst verkürzte sie auf zwei Wochen, und schlussendlich blieb sie nur fünf Tage. „Guben lebt in dem, was es mal war“, sagt sie.

Dabei ist Bürgermeister Fred Mahro sehr daran gelegen, dem heutigen Guben wieder zu altem Glanz zu verhelfen. „Lithium“ lautet sein Schlüsselwort dafür. Und tatsächlich hat der Lithium-Hersteller RockTech angekündigt, ab 2027 Lithium­hydroxid unter anderem für E-Auto-Batterien in Guben herzustellen. Auch der Bifi-Hersteller, der allen Pro­be­woh­ne­r:in­nen einen kleines Präsent gemacht hat, baut seit Anfang des Jahres ein Werk in Guben. Nachdem letztes Jahr Gubens größter Arbeitgeber, der Kunstfaserhersteller Trevira, zunächst 100 Mit­ar­bei­te­r:in­nen entließ und im September nochmals 210 Entlassungen ankündigte, könnte nun ein kleiner Aufschwung für die Wirtschaft folgen.

So lange bleibt Gubens Sorgenkind die Innenstadt, in der überall „Zu vermieten“-Schilder an den Scheiben kleben. Immerhin hat dort, mitten im Leerstand, vor einigen Monaten ein neues Geschäft geöffnet: ein Friseursalon mit dem Namen Barber Prinz – direkt neben der Touristeninformation, in der Kerstin und Linda Geilich arbeiten. In großen goldenen Lettern prangt der Name über dem Salon. „Es läuft gut mit dem Geschäft“, erzählt Inhaber Ahmad Al-Saleh. Seit mittlerweile neun Jahren lebt er in Deutschland, inzwischen ist er deutscher Staatsbürger.

Probewohnen in Guben

Die Stadt Guben liegt an der polnischen Grenze und hatte Anfang des Jahres

, die Zahl sinkt stetig. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Stadt geteilt, die polnische Hälfte heißt Gubin und liegt auf der anderen Seite der Neiße. In der DDR trug sie den Namen Wilhelm-Pieck-Stadt Guben, bekannt war sie durch die Produktion von Hüten aus Chemiefasern.

Das Projekt „Probewohnen in Guben“ gibt es seit diesem Jahr. 38 Bewerbungen sind in den letzten Monaten bei der Gubener Willkommensagentur eingegangen – dazu kamen über 100 An­frage für Wohnungen und Jobs in Guben. 17 Parteien bekamen schlussendlich die Zusage, im Sommer zwischen zwei und drei Wochen in der Kleinstadt probezuwohnen.

Insgesamt fünf Wohnungen mit zwei und drei Zimmern hat die Gubener Wohnungsbaugesellschaft dafür zur Verfügung gestellt. Die Teilnehmenden wurden aufgefordert, sich während ihrer Zeit in Guben für die Kleinstadt zu engagieren oder ein Praktikum zu machen. Außerdem gab es Gutscheine für Kultur- und Freizeitangebote in der Region.

Andere Projekte in ostdeutschen Städten: Eberswalde verloste 2018 eine kostenlose Probe­woche, Frankfurt (Oder) folgte im Herbst 2021, ebenso die sächsische Stadt Görlitz. Der Görlitzer Aufruf richtete sich insbesondere an Menschen, die zu Klima­neu­tralität forschen. Alle drei Städte leiden seit der Wende wie Guben unter Bevölkerungsschwund.

Als er von dem kostenlosen Probewohnen hörte, fragte er nebenan bei der Touristeninformation nach, aber es sei schon zu spät gewesen: Die handverlesenen Plätze waren schon weg. Dabei hätte Al-Saleh eine Wohnung gut gebrauchen können, seine bisherige Suche sei nicht so ganz einfach gewesen. Im Zentrum von Guben sei kein Platz, habe man ihm gesagt. Ein Wohnungsdeal, dem aus seiner Sicht nichts im Wege gestanden hätte, sei kurzfristig wieder geplatzt.

Auch mit der Gewerbelizenz habe er so seine Schwierigkeiten gehabt, erzählt er. Obwohl das Ladenlokal schon vorher ein Angelshop gewesen war, also schon als Gewerbe benutzt wurde, habe er noch allerlei nachbessern müssen, als er seinen Salon eröffnete. Ahmad Al-Saleh lächelt und zuckt mit den Schultern.

Geht man den Kopfsteinpflasterweg an Ahmad Al-Salehs Barbershop weiter, dauert es keine fünf Minuten bis nach Polen. Nur die Schilder lassen erkennen, dass am Ende der schmalen Brücke aus dem deutschen Guben das polnische Gubin wird. Doch seit Bundesinnenministerin Nancy Faser im September Kontrollen an allen deutschen Außengrenzen anordnete, fährt die Polizei auch hier an dieser unauffälligen Grenze verstärkt Streife. Ahmed Al-Saleh erzählt, dass die Polizei ihn kürzlich zum ersten Mal an der Grenze kon­trol­liert habe. Die Po­li­zis­t:in­nen hätten ihn drangsaliert und einen Müllsack aus dem Laden, den er im Auto hatte, in seinen Kofferraum ausgekippt.

Sofort im Anschluss betont er, er habe ansonsten nur gute Erfahrung mit der Polizei gemacht und fühle sich grundsätzlich wohl in Guben. Doch ein bisschen ratlos lässt ihn die Situation schon zurück. Zwar nehme er wahr, dass die AfD in Guben wie fast überall in Brandenburg immer stärker werde, doch wenn AfDler über die Schwelle seines Barbershops treten, seien sie immer freundlich, erzählt Al-Saleh. „15 Euro kostet hier ein Haarschnitt – das ist unschlagbar“, sagt er und grinst.

Fällt beim Gang durch die Stadt ins Auge: Leerstand in Guben Foto: Dann Pettersson

Ähnlich wie in anderen Grenzregionen im Osten Brandenburgs holte die AfD bei der Landtagswahl in Gubens Wahlkreis Spree-Neiße I fast 40 Prozent der Stimmen. Ausgerechnet Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke von der SPD verlor hier sein Direktmandat gegen den AfD-Kandidaten Steffen Kubitzki.

Schon zuvor war Guben in die Schlagzeilen geraten: 1999 hetzten hier Neonazis den Algerier Farid Guendoul so lange durch die Kleinstadt, bis er durch eine geschlossene Glastür sprang und schließlich verblutete. 2020 schlugen und traten Vermummte im Stadtpark auf vier Geflüchtete ein. Eine Woche nach dieser Tat drängte ein Rechtsextremist mit seinem Auto drei Geflüchtete vom Fahrrad.

Als 2022 etwa 700 Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern nach Guben kamen, fühlte sich die Stadt wie viele andere Kommunen überfordert. Schulen und Kitas hätten nicht genügend Kapazitäten, die medizinische Versorgung sei am Limit, sagte Bürgermeister Mahro damals. Davon, dass Menschen aus der Ukraine Teil von Gubens Wiederbelebung sein können, ist keine Rede. Dabei können Ukrai­ne­r:in­nen anders als Geflüchtete aus anderen Ländern bei gültiger Aufenthaltserlaubnis in Deutschland arbeiten.

Die Heimkehrer­-Offensive

Doch Fred Mahro hatte damals schon andere Pläne, wie das Problem der „fehlenden Generation“ in Guben zu lösen sei. Bei der „Offensive“, wie Mahro es nennt, waren auch Kerstin und Linda Geilich dabei, die bereits 2018 die Willkommensagentur „Guben tut gut“ gegründet hatten.

Vor allem ehemalige Gu­be­ne­r:in­nen nahmen sie in den Blick, sie starteten Aufrufe auf Social Media: Wohin seid ihr gezogen, und was können wir tun, damit ihr heimkommt? Gemeinsam mit dem Bürgermeister fuhren sie in ostdeutsche Großstädte wie Dresden, Berlin und Greifswald, wo sie fortgezogene Gu­be­ne­r:in­nen verortet hatten. In Berlin lud Mahro die ehemaligen Gu­be­ne­r:in­nen auf einen Weihnachtsmarkt zu einem Getränk ein.

Läuft etwas nicht nach Plan, fährt Anika Franze rüber nach Polen und kauft dort Kuchen und Süßigkeiten

Irgendwann wurde aus der Heimkehrer-Offensive eine größere Idee: das Probewohnen. Warum nicht alle einladen, nach Guben zu kommen? Und zwar in der Probezeit kostenlos?

Eberswalde, Frankfurt (Oder) und Görlitz hatten schon ähnliche Projekte gestartet, das Geld dafür kommt aus Strukturmitteln des Landes Brandenburg. Als das Probewohnen in diesem Sommer überregional Wellen schlug, traten sich in Guben diverse Fernsehteams und Zeitungsreporter auf die Füße. Die alt­ein­ge­ses­se­nen Gu­be­ne­r:in­nen wunderten sich über die Aufmerksamkeit für ihre Kleinstadt: „Hier will doch eh niemand hin“, heißt es, wenn man die Leute auf der Straße fragt.

Doch das stimmt nicht ganz. Zwar war Probewohnerin Annika Harloff, als sie nach fünf Tagen wieder zurück in ihre Wohnung in Berlin-Lichtenberg zog, froh, wieder zu Hause zu sein. Anika Franze hingegen fand in Guben, was ihr in der Großstadt fehlte: Ruhe.

Nach Ablauf der drei Probewochen musste sie eine neue Wohnung suchen, doch die Umstände machten es ihr leicht: Zwölf Wohnungen hat sie sich in Guben angeschaut, alle bezahlbar, in alle davon hätte sie einziehen können. Menschen in Berlin – und auch der Barbershop-Inhaber Ahmad Al-Saleh – können davon nur träumen.

wochentaz

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Schließlich entschied sich Franze für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, das etwas wie ein Puppenhaus anmutet: Blumen auf dem Sims, buntes Treppenhaus, Fachwerkbalken. Ein kleiner Bach vor dem Haus. Gartenzwerg. Seit Anfang Oktober kümmert sie sich um die Einrichtung ihrer Wohnung. Läuft etwas nicht nach Plan, fährt sie rüber nach Polen und kauft dort Kuchen und Süßigkeiten. Aber manchmal hilft auch polnischer Kuchen nichts. Dann sitzt Anika Franze allein in ihrer neuen Maisonettewohnung mit Fachfachwerkbalken, vergräbt den Kopf in den Händen und weint. Weil alles neu und überfordernd ist.

Ob sie in dieser Stadt alt werden möchte, weiß sie noch nicht. Ihre Wohnung in Berlin hat sie erst einmal behalten.

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9 Kommentare

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  • Statt Wohnungen zum "Probewohnen" anzubieten, würde die Stadt Guben lieber gut honorierte Arbeitsplätze zum Probearbeiten offerieren und Startups und anderen Firmen den roten Teppich ausrollen mit niedriger Gewerbesteuer, guter Infrastruktur, schnellem Internet etc.. Wo Arbeitsplätzen sind, kommen die Menschen ganz von selbst hin. Siehe München, Frankfurt, Stuttgart, Hamburg etc.

  • Dem Herrn Saleh kann man nur raten, umzuziehen.

  • Ich finde dieses Probewohnkonzept durchaus interessant, würde für mich aber auch nur funktionieren, wenn die öffentlichen Verkehrsmittel und gute Zuganbindungen an Großstädte vorhanden wären. Grenze und Flussnähe sind auch eher abschreckend.

    • @ImInternet:

      Brandenburg hat nur zwei Großstädte.

      Potsdam und ganz knapp Cottbus.

      Bei dem ÖPNV sehen Sie, dass es eben seine Berechtigung hat, wenn manche in Ostdeutschland sich abgehängt fühlen.

      Was haben Sie gegen das internationale Flair einer Grenze und Flussidylle?

      • @rero:

        Bin selbst 2020 von Berlin in eine kleines Städtchen ganz ähnlich wie Guben und auch im Spree-Neiße Kreis gezogen. Die Anbindung mit der Bahn an die Großstadt Cottbus war tatsächlich ein wichtiger Faktor bei der Standortentscheidung. Finde, dass die Anbindung besser ist, als viele sagen. Zu uns nach Forst (Lausitz) fährt die Regionalbahn stündlich und braucht nur 18 Minuten. Nett ist: beim Bordpersonal bekommt man sogar Kaffee und Kaltgetränke. Verbesserungsbedarf gibt es beim Heimweg mit den Öffis: wenn man das kulturelle Programm der nahen Großstadt abends nutzen möchte, ist der letzte Zug um kurz nach 23 Uhr schon etwas früh. Hier könnte die Region von anderen lernen und nachts einen Nachtbus anbieten, sodass auch Nachteulen wieder zurück nach Hause kommen. Das würde meiner Meinung nach auch die Attraktivität für junge Menschen erhöhen! In Cottbus selbst ist der Wohnraum mittlerweile auch knapp, sodass mittlerweile insbesondere internationale Studierende erwägen in die umliegenden Kleinstädte wie Guben, Spremberg oder Forst zu ziehen, die mit dem ÖPNV gut genug angebunden sind. Klarer Vorteil von Forst: hier liegt der Bahnhof zentral, nicht abgelegen.

  • Ich weiß nicht, ob man in 5 Tagen eine Stadt wirklich kennenlernen kann, um sich einen Eindruck machen zu können.

    Brandenburg hat sehr viele Kleinstädte mit einem hohen Maß an Lebensqualität.

    Ich treffe oft sehr nette und aufgeschlossene Menschen.

    Engstirnigkeit kenne ich aus Berlin mehr als genug.

    Wenn man auf Vorkommnisse zurückgreifen muss, die 25 Jahre her sind, spricht das ja dafür, dass aktuell in Guben wenig passiert.

    In den 90ern galt Berlin-Lichtenberg auch als Rechtenhochburg. Rechte haben dort mehrere Menschen ermordet.

    Umso wichtiger für Guben, dass Linke hinziehen.

  • Dass es in einer menschenarmen Peripherie bei Polen liegt, ließe sich auch über Berlin sofort sagen.

    Guben könnte vielleicht aus seiner Oderlage gleich bei Polen noch mehr machen, EU-Zuschüsse sollten auch drin sein für Grenzüberschreitendes.

    Einerseits der schöne Alterssitz, andererseits soll aber auch noch jemand vorbeikommen. Vielleicht sollten da die Bus-/Bahnverbindungen nach u.a. Berlin auch gut gepflegt werden. Mit WLAN für evtl. Langpendler.

    • @Janix:

      Sie bezeichnen Berlin mit 3.800.000 Einwohnern als menschenarm ?

      • @Stoffel:

        Nein, das tue ich nicht. Es liegt in einer menschenarmen _Peripherie. Um Berlin _herum leben in einem riesigen Umkreis weniger als im Ruhrgebiet.



        Sie hatten es anders verstanden, das war nicht meine Absicht.