Projekt Wiederaufstieg in die erste Liga: Hamburger SV in der Zwickmühle
Der HSV kann finanziell nur ein Jahr in der zweiten Liga verkraften. Aber woher soll das Geld kommen, um den sofortigen Wiederaufstieg in die 1. Liga zu schaffen?
Die Gegner heißen nicht mehr FC Bayern, Schalke 04 und Werder Bremen, sondern Erzgebirge Aue, FC Heidenheim oder MSV Duisburg. Unbekanntes Terrain und viele neue Gesichter erwarten den HSV – auch in den eigenen Reihen: Mit Arianit Ferati, Morten Behrens, Josha Vagnoman, Stephan Ambrosius, Moritz-Broni Kwarteng und Tobias Knost rücken sieben Nachwuchsspieler, keiner älter als 21, in den Profi-Kader auf. Zudem stehen die Neuzugänge David Bates von den Glasgow Rangers, Manuel Wintzheimer aus der zweiten Mannschaft des FC Bayern und Christoph Moritz von Zweitliga-Absteiger Kaiserslautern fest.
Der neue Sportvorstand Ralf Becker muss einen jüngeren und deutlich günstigeren Kader als bisher formen und gleichzeitig auf ausreichend Qualität und Erfahrung zu setzen, um den direkten Wiederaufstieg zu erreichen.
Die größeren Schwierigkeiten liegen zunächst beim Verkauf der Großverdiener, um die Personalkosten von 58 auf 30 Millionen zu halbieren. Allerdings sind Spieler wie Kyriakos Papadopoulos, Walace, Filip Kostic, Bobby Wood oder Pierre-Michel Lasogga mit ihren Top-Gehältern im Schnitt von drei Millionen Euro brutto jährlich nur mit Mühe vermittelbar. Für Torhüter Christian Mathenia, Luca Waldschmidt und Andre Hahn konnte der HSV immerhin schon 8,5 Millionen als Einnahmen verbuchen.
Ein Jahr in der 2. Liga kann der HSV dank der frühzeitigen Verlängerung des Vertrages mit seinem Vermarkter Lagardère Sports und neuer Darlehen finanziell stemmen. Ein zweites wohl kaum, was besonders den Druck auf den Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann erhöht. Der 55-Jährige ist kürzlich vom Aufsichtsrat für ein Jahr in die operative Führung delegiert worden. Will er diese Aufgabe längerfristig ausfüllen, führt kein Weg am sofortigen Wiederaufstieg vorbei.
Klaus-Michael Kühne, wichtigster, weil einziger Geldgeber des HSV, weiß um die Not seines Herzensklubs und bietet umgehend Hilfe an. In einem Interview mit der Hamburger Morgenpost (Mopo) äußerte er den Wunsch, weitere zehn Prozent der Anteile an der HSV Fußball AG kaufen zu dürfen, bislang gehören ihm etwa 20 Prozent, womit sein Anteil die kritische Grenze von einem Viertel übersteigen würde.
Kritisch ist diese Grenze, weil sie für eine Sperrminorität bei Beschlüssen der Hauptversammlung der Aktiengesellschaft ausreicht und Kühnes Einfluss faktisch enorm vergrößern würde. Hoffmann wiederum verfolgt den lange überfälligen Plan, sich aus der finanziellen Abhängigkeit Kühnes zu befreien und wieder selbstbestimmter aufzutreten.
Intervention auf Mallorca
Eine echte Chance gibt es nur, wenn alle wichtigen Verantwortungsträger an einem Strang ziehen. Ein Besuch des Cheftrainers bei Kühne während seines Sommerurlaubs auf Mallorca lässt jedoch skeptisch aufhorchen. „Den neuen Sportdirektor, Ralf Becker, habe ich bisher noch nicht kennengelernt. Hingegen hatte ich ein aufschlussreiches Gespräch mit Trainer Christian Titz, der für mich ein großer Hoffnungsträger ist. Wenn ihm genügend Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, kann er eine sehr gute Mannschaft formen“, hatte Kühne im Mopo-Interview gesagt und den Trainer, wie schon vor einem Jahr mit Markus Gisdol, zum starken Mann aufgebaut.
Gisdol ist damals der Versuchung erlegen, seine Interessen mithilfe von Investor Kühne und dem Spielerberater Volker Struth an der Vereinsphilosophie vorbei durchzusetzen.
Kühne weiß aus dem Gespräch mit Titz um den Wunsch nach vier talentierten Spielern. Geht der HSV auf seine Forderungen ein, würde er bei der Finanzierung helfen. Lehnt Hoffmann das Geld allerdings ab und steigt am Ende nicht auf, kann es ziemlich krachen. Umgekehrt droht vereinspolitischer Ärger. Die Basis lehnt weitere Anteilsverkäufe entschieden ab. Eine Zwickmühle für Hoffmann.
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