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Prognos-Studie zum Strombedarf 2030Deutschland braucht mehr Strom

Wenn der Ausstieg aus den Fossilen schneller geht, steigt auch der Strombedarf rasanter als bisher gedacht. Das weiß nun auch Minister Peter Altmaier.

Der Ausbau von erneuerbaren Energien muss deutlich steigen Foto: Jochen Tack/imago

Berlin taz | Die nächste Bundesregierung muss beim Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich zulegen: Der Strombedarf bis 2030 dürfte 15 Prozent höher sein, als die jetzige Koalition bisher angenommen hatte. Das zeigen vorläufige Berechnungen des Prognos-Instituts im Auftrag des Bundeswirtschaftsressorts, die Minister Peter Altmaier (CDU) am Dienstag vorstellte.

Demnach steigt der Stromverbrauch von heute rund 544 Terawattstunden bis 2030 auf 645 bis 665 Terawattstunden. Im März hatte das Institut noch errechnet, dass dann 591 Terawattstunden Energie benötigt würden – eine Terawattstunde entspricht einer Milliarde Kilowattstunden. Endgültige Hochrechnungen sollen erst im September oder Herbst vorliegen.

Überraschend ist der hohe Bedarf nicht. Verschiedene Zahlen stehen bereits im Raum. Das energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln hatte im Juni vorhergesagt, dass der Bruttostromverbrauch in Deutschland bis 2030 auf knapp 685 Terawattstunden steigen werde. Und auch diese Zahl könnte zu niedrig sein. So hat die besonders energieintensive chemische Industrie angekündigt, dass sie bis Mitte der 2030er Jahre zehnmal so viel Strom benötigen werde wie heute, wenn sie ihre Produktionsprozesse elektrifizieren solle – das wären 628 Terawattstunden nur für diesen Sektor.

„Hochlauf“ bei Elektroautos

Altmaier begründete die Neuberechnung vor allem mit der Verschärfung des EU- und des deutschen Ziels. Dies erfordere mehr Energie etwa für elektrische Wärmepumpen oder E-Mobilität. Die EU will die CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent, Deutschland um 65 Prozent verringern. Bei Elektrofahrzeugen gebe es jetzt schon einen „ungeahnten Hochlauf“. Statt der bislang angenommenen 7 bis 10 Millionen Elektroautos und Hybride würden bis 2030 wohl 14 Millionen strombetriebene Fahrzeuge auf deutschen Straßen erwartet.

Da der Strom großteils aus erneuerbaren Quellen stammen soll, müssen Wind- und Solarenergie zwangsläufig ausgebaut werden – das vergangene Jahr war das erste, in dem der Anteil der Erneuerbaren mehr als die Hälfte der Stromproduktion ausmachte. Zahlen nannte Altmaier hierzu nicht.

Er könne sich aber klare Vorgaben für die Bundesländer vorstellen, auf wie viel Fläche dort Windräder aufgestellt werden müssten. Auch Investitionszuschüsse für den Einbau von Photovoltaikanlagen oder Wärmepumpen sowie straffere Planungs- und Genehmigungsverfahren seien gangbare Wege.

Beim Bundesverband Erneuerbare Energie warnt man davor, „wichtige Monate“ zu verlieren. „Spätestens ein erstes 100-Tage-Programm einer neuen Bundesregierung muss den Erneuerbaren-Turbo in allen Sektoren und für die Sektorenkopplung einschalten, zusammen mit den Ländern mehr Flächen und Genehmigungen bereitstellen und eine Akzeptanzoffensive mit und für die Bürgerinnen und Bürger starten“, sagte Präsidentin Simone Peter.

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16 Kommentare

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  • Interessant ist, dass sich immer noch niemand Gedanken macht, wohin bei 100% EE der Strom herkommt, wenns dunkel und windstill ist. Momentan retten uns französische Atomkraftwerke und polnische Kohlekraftwerke und auch unsere eigenen fossilen Kraftwerke vor einem tödlichen Stromausfall. Bis irgendeine Form tauglicher Speichertechnik einsatzbereit ist, werden noch Jahrzehnte vergehen. Wehe uns, wenn wir unsere fossilen Kraftwerke abschalten und weder die Franzosen noch die Polen Strom liefern können.

  • Was haben wir doch für eine kluge und vorausschauend agierende Regierung.



    Wer konnte schon damit rechnen, daß der Stromverbrauch steigen könnte, wenn Autos in Zukunft Strom statt Benzin tanken und Häuser mit stromverbrauchenden Wärmepumpen statt Erdgas beheizt werden.

  • Man könnte China folgen und das Crypto mining verbieten.

    • @LeSti:

      Kryptomining ist in Deutschland aufgrund der Extremstrompreise irrelevant.

      • @Luftfahrer:

        Komisch dass zb ebay Kleinanzeigen gerade mit Riggs überflutet wurde als Ethereum seinen peak hinter sich hatte. Mining findet auch in Deutschland statt. Auch profitabel. Man kriegt ja Gewerbekundentarife und kann darüber hinaus Hardware auch noch abschreiben.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Völlig falsche Überschrift.



    Es müsste lauten "Deutschland muss dringend Strom sparen".

  • Der hohe Energiebedarf, der hohe Anspruch an Lebensstil und entsprechend hohen Verbrauch sind durchaus problematisch. Ein höherer Energiebedarf ließe, so mensch dies durch regenerative Eneriequellen decken wollte, Konzepte zu, die weiteren Flächenverbrauch und Eingriffe durch Solar- und Windenergieanlagen und Vergiftung durch Monokulturen für Biogasanlagen bedeuteten und das bereits ausgeprägte Massensterben der Tiere weiter befeuert. Entsprechend müsste ein Umdenken bezüglich des Energieverbrauches und deren Verursacher*innen erfolgen und Energienutzung verändert werden. Ich jedenfalls würde eine warme Wohnung im Winter bevorzugen, als dass ich mit dem Auto führe, wo ich ÖPNV oder Fahrrad nutzen könnte,



    ... würde biovegane Nahrungsmittel bevorzugen, als dass sich Reiche ein weiteres neues teures Spielzeug zulegen könnten,



    ... würde Bahnreisen machen, als dass sich Konzerne ihre Produktion pseudo-klimaneutral labeln könnten,



    ... würde seltene Fledermäuse in Wälder leben wissen, als dass einige Menschen in E-Autos umherrasen könnten,



    ... würde indigene Menschen weiterhin für ihre gesunde Ernährung sorgend wissen, als dass einige womöglich bald in Biosprit-betriebenen Flugzeugen über den Globus jetten oder in Kreuzfahrtschiffen über die Ozeane schippern könnten ...

  • Nichts weiss Herr Altmeier! Die Entwicklung der nächsten Jahre wird weiter dynamisch sein und es gibt zu viele Variablen, bei wenigen, beunruhigenden Fakten: Abschaltung von Kohle- und Atomkraftwerken. Fast Stillstand beim Netzausbau. Keine Pläne, regenerative Energie im grosstechnischen Maßstsab zu speichern. Kein nennenswertes Einsparpotential in einer konsumgeilen Industrienation. Hab ich was vergessen? Gerade nehmen wir wohl gerade Anlauf aus beängstigend mageren Steigerungsraten bei Wind- und Solarenergie. Wir sind aber nicht in China, wo man die für unsere Klimapläne dringend notwendigen, drastisch beschleunigten Zubauten vielleicht befehlen könnte. Hab ich Vorschläge? Augen zu und durch. Wenig originell, macht doch von Grün bis Gelb schon jede Partei genau das.

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    Freue mich schon auf die 20 neuen Windräder vor meinem Fenster. Abstand dann nur noch 500 Meter.

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Wenn mensch die Verbrauche zurückführe für Industrie und insbesondere Rüstungs- und Luxuswarenproduktion wie infolge auch Transport, ÖPNV und Bahn ausbaute statt am Auto festzuhalten ... müssten bspw. nicht so viele Windräder gebaut werden. Ökologisch machte das auch Sinn, da der Flächenverbrauch und Umwälzung der restlicher Natur und Kulturlandschaften für Ressourcen wesentlich kleiner ausfallen würden. Aber die CDU wird nicht einmal ihrer Selbstbezeichnung als konservativ gerecht. Um Konservierung, wozu ja auch Erhalt der Natur gehörte, geht es denen nicht sondern um Kapitalinteressen und Interessen der Reichen. Leider lassen sich zu viele Menschen für deren Agenda einspannen ...

      • 0G
        02854 (Profil gelöscht)
        @Uranus:

        Gebe ich Ihnen Recht. Wer braucht 200 Joghurtsorten zur Auswahl.

        • @02854 (Profil gelöscht):

          Aber wer sollte entscheiden welcher Joghurt es denn sein soll?



          Das Ministerium für Joghurt?

          In einer freiheitlichen Gesellschaft sollten freie Bürger selber entscheiden dürfen was sie tun und lassen und der Wert der Dinge sollte sich durch Preise an einem Markt bestimmen.

          Natürlich sollte auch die Umwelt ihren Preis haben deswegen sind Co2 Zertifikate der richtige Weg, die dürfen gerne sehr teuer sein…



          Wenn Strom knapp wird, darf der auch gerne teuer sein, das führt automatisch zum stromsparen

          • @Paul Rabe:

            "In einer freiheitlichen Gesellschaft sollten freie Bürger selber entscheiden dürfen was sie tun und lassen und der Wert der Dinge sollte sich durch Preise an einem Markt bestimmen.



            Natürlich sollte auch die Umwelt ihren Preis haben deswegen sind Co2 Zertifikate der richtige Weg, die dürfen gerne sehr teuer sein."

            Merken Sie nicht, dass Sie die Frage aus Satz 1 in Satz 2 selbst beantworten?

          • @Paul Rabe:

            "Wenn Strom knapp wird, darf der auch gerne teuer sein, das führt automatisch zum stromsparen"



            Allerdings würde das bei jetziger Einkommens- und Vermögensverteilung stark die Armen treffen. Den Reichen dürfte es relativ egal sein bzw. sie würden es kaum im Portemonnaie spüren. Es bedürfte also diesbezüglich ein Stellen der Verteilungsfrage. Das Stellen der Systemfrage wäre da noch hilfreicher, da anhand dieser in Fokus gerückt werden könnte, wie gering die Mitbestimmung der Menschen darüber ist, was, wie, wieviel produziert werden soll ...

            • 9G
              95820 (Profil gelöscht)
              @Uranus:

              Und wer dann gar keinen Strom mehr verbraucht, muss für die Einspeisung von PV-Überschuss Gebühren zahlen. So wie Negativzinsen für Sparguthaben. Der Markt regelt das.

            • @Uranus:

              Um diesen Gemeinplatz mal aufzugreifen: Wie lautet denn diese ominöse Systemfrage? Das frage ich mich jetzt schon jahrzehntelang.