Profit-Wahn von Vermieter*innen: Die Trickkiste des Kapitalismus
Wohnraum vermieten ist vor allem eins: eine Einladung zur Profitproduktion. Warum der Mietenwahn in Städten eine politische Intervention erfordert.
E ine Vermieterin besitzt eine Zweizimmerwohnung in einer beliebten Wohngegend in Berlin, sie will – weil es herrscht ja Kapitalismus – das Maximum an Profit aus ihrem Besitz rausschlagen. Damals, im Jahr 2019, gilt noch der Berliner Mietendeckel, und die bundesweite Mietpreisbremse gibt es ja auch. Also lässt sich die Vermieterin einen Trick einfallen, um mehr als doppelt so viel wie die zulässige Miete abzukassieren.
Im Mietvertrag steht, dass die Wohnung für 526 Euro vermietet wird, hinzu kommen 96 Euro Nebenkosten. Direkt unter diesen beiden eher üblichen Kostenpunkten wird ein „Kunstwerk“, das sich in der Wohnung befindet, erwähnt und separat vermietet. Zusätzliche Kosten pro Monat: 578 Euro. Die verzweifelten Mieter*innen, die aus dem Ausland zugezogen und dort Wucherpreise für Wohnraum gewohnt sind, unterschreiben den Vertrag. Der Fall wird später vor einem Berliner Gericht landen.
Gelesen habe ich das alles in der entsprechenden Gerichtsakte. Und diese Geschichte ist nur eine kleine Illustration, wie der Mietenwahnsinn in deutschen Städten längst um sich gegriffen hat. Die Liste mit dreisten Abzocken von Vermieter*innen ist lang: Falsche Quadratmeterangaben in Mietverträgen, angebliche „freiwillige Zusatzzahlungen“ in nachträglichen Vereinbarungen, zu denen Mieter*innen rechtswidrig gedrängt werden, willkürlich angesetzte und einbehaltene Kautionen, nötige Reparaturen werden nicht durchgeführt, Mieter*innen leben in verschimmelten Wohnungen.
Auch bezeichnend: Über das erteilte Lastschriftmandat ziehen Vermieter*innen in mehreren Fällen einfach mehr Geld ein, so wie es ihnen gefällt. Hinter diesen und unzähligen anderen Berichten stecken mal private Vermieter*innen und mal große Immobilienkonzerne wie Deutsche Wohnen oder Vonovia. Der Markt regelt das schon – im Sinne der Vermieter*innen oder ihrer Aktionär*innen.
Keine Intervention der Politik
Sie denken jetzt: Wie geschmacklos kann es eigentlich noch werden? Na ja: Beim vermieteten „Kunstwerk“ für 578 Euro (in Worten: fünfhundertachtundsiebzig Euro) handelt es sich um eine Art Wandtattoo, das angeblich von der Vermieterin selbst in einem Zimmer angebracht wurde.
Das „Kunstwerk“ erinnert an eine stilisierte Blume, wie von einem Kinder-Tattoo-Sticker aus der Bravo in den neunziger Jahren. Dabei wäre das hässliche Wandtattoo meiner Meinung nach ein guter Anlass für eine Mietminderung von mindestens 100 Prozent (in Worten: hundert Prozent).
Die betroffenen Mieter*innen sind längst ausgezogen und haben – mit viel Glück – eine andere Wohnung gefunden. Weil die politischen Parteien keine effektive Regelung gegen diesen Mietenwahnsinn auf dem deutschen Wohnungsmarkt einbringen wollen oder können, ist es auch das einzig effektive Mittel derzeit: Glück muss man haben um eine*n anständige*n Vermieter*in zu finden.
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