piwik no script img

Pro und ContraSind Elektroautos die Lösung?

Autos mit Elektromotor sind auf dem Vormarsch. Doch ist es das, was wir brauchen? Die Meinungen hierüber gehen auseinander – sogar bei der taz nord.

Gibt es immer öfter: Parkplatz für E-Auto. Foto: dpa

Ja, sagt Sven-Michael Veit

D er entscheidende Begriff lautet Wende. Er impliziert Änderungen und Neuerungen, technologische wie mentale. Verkehrswende mithin meint, mobil zu sein, ohne den Planeten zu verdrecken. Und dafür ist ein Individualverkehr, der kaum oder gar nicht umweltschädlich ist, die wichtigste Voraussetzung. Ein Teil davon ist die Elektromobilität.

Unstrittig ist, dass die Verbrennung fossiler Energien massenhaft Luftschadstoffe und Klimagase verursacht. Bei der Eisenbahn, zumindest in Mitteleuropa und einigen anderen wohlhabenderen Regionen dieser Erde, ist dieses dunkle Zeitalter nahezu beendet, Kraftwerke, Heizungen und Schiffe werden sehr bald folgen. Beim Auto indes muss, psychologisch bedingt, eine Überhöhung des Problems konstatiert werden.

Der Mensch will von A nach B können, er will es jederzeit und er will es bequem. Deshalb kann der motorisierte Individualverkehr nicht abgeschafft werden, bestenfalls reformiert. Die Erkenntnis mithin muss lauten, dass nicht das Auto böse ist, sondern der Verbrennungsmotor.

Alle großen deutschen Städte stehen vor dem ungelösten Problem der gesundheitsgefährdenden Luftverschmutzung, eine der Hauptursachen ist der Autoverkehr mit Benzin- und Dieselmotoren. Die Sperrung einzelner Straßen für alte Dieselqualmer wie in Hamburg löst das Pro­blem nicht, um großflächige Fahrverbote wird schon bald kaum eine Stadt herumkommen. Es sei denn, sie verbannt die Verursacher. Und deshalb liegt hier der Ansatzpunkt.

Um großflächige Fahrverbote wird schon bald kaum eine Stadt herumkommen – es sei denn, sie verbannt die Verursacher

Ab dem Jahr 2030 dürfen in der Europäischen Union nur noch emissionsfreie Autos neu zugelassen werden, und ohne E-Autos wird das nicht gehen können. Den Zeitpunkt mag man spät finden, auch zu spät, aber in der realen Welt ist das die politische Zielbeschreibung. Allein um diese umzusetzen, ist eine massive finanzielle und verkehrspolitische Förderung notwendig.

Denn noch sind E-Autos relativ teuer, bis zur Massenproduktion braucht es deshalb staatliche Unterstützung. Die aber ist billig: Wenn Elek­tro-Autos (auch E-Busse und E-Schiffe natürlich) von der Mehrwertsteuer befreit werden, sind sie schon bald nicht mehr teurer als ein vergleichbarer Benziner oder Diesel, teilweise sogar günstiger. Und der Strom zum Aufladen ist eh erstens günstiger als fossiler Kraftstoff und zweitens umweltfreundlicher. Ökostrom aus Windkraftwerken gibt es gerade im Norden reichlich, und die letzten Speicherprobleme werden in ein paar Jahren ebenfalls gelöst sein.

Das alles ändert nichts an der Tatsache, das auch E-Autos Staus verursachen können und ohnehin (Park-)Platz wegnehmen. Deshalb ist elementarer Bestandteil jeder ernsthaften Verkehrswende, den ökologisierten öffentlichen Nahverkehr ebenso zu fördern wie Alternativen zum eigenen Auto – allen voran das Fahrrad und natürlich auch das E-Bike, aber auch Car-Sharing, Sammeltaxis und andere Modelle.

Alle Verkehrsmittel der Zukunft werden ohne Verbrennungsmotoren betrieben werden. Auf absehbare Sicht ist das E-Fahrzeug die einzig realistische Alternative. Mag sein, dass es in 30 Jahren eine bessere Möglichkeit gibt. Aber jetzt geht es zunächst um die Gestaltung dieser nächsten drei Jahrzehnte.

***

Nein, sagt Gernot Knödler

Wer auf das Elektroauto setzt, denkt nicht weit genug. Das Elektroauto ändert nichts am Rohstoffverbrauch; es verstopft weiterhin unsere Städte, es produziert weiter Verkehrstote. Dabei kann es seine Vorteile erst ausspielen, wenn es mit erneuerbarer Energie gefüttert wird. Das Angebot daran ist aber noch viel zu gering.

Des Pudels Kern liegt darin, dass das Elektroauto nichts am Grundprinzip des Autofahrens ändert: Eine Tonne Auto bewegt 70 Kilogramm Mensch und ab und zu noch einen Kasten Bier. Zur Erinnerung: Am 1. August war Welterschöpfungstag (Earth Overshoot Day), der Tag, an dem die Menschheit rechnerisch ihr Ressourcenbudget fürs laufende Jahr verbraucht hat. Jedes Jahr verschiebt sich dieser Tag nach vorn, weil immer mehr Menschen immer mehr Ressourcen verbrauchen. Der Planet würde eine flächendeckende Kfz-Dichte wie in Deutschland – derzeit 687 pro 1.000 Einwohner – nicht aushalten.

Das liegt schon mal an der aufwendigen, vielstufigen Herstellung, gilt aber auch für den Betrieb. Es ist unklar, ob die Gesamt-Ökobilanz von Elektroautos besser ist als die von Dieseln, wenn sie den derzeitigen deutschen Strommix tanken. Ihr größter Trumpf ist, dass sie emissionsfrei fahren. Diesen können sie aber nur ausspielen, wenn sie ihre Akkus mit Strom aus erneuerbaren Energien speisen. Andernfalls fällt die Emission halt im Kraftwerk an.

Davon, genügend erneuerbare Energie bereitzustellen, ist Deutschland allen Windkraft-Jubelmeldungen zum Trotz noch weit entfernt. Im vergangenen Jahr stammten nur 13 Prozent der in Deutschland verbrauchten Primärenergie aus erneuerbaren Quellen. Der Verkehr verbrauchte fast 30 Prozent der Primärenergie – also der ursprünglichen Energie vor einer Umwandlung von Mineralöl in Benzin oder Atomkraft in Strom. Selbst wenn erneuerbare Energie nirgendwo anders eingesetzt würde: Sie würde für den Verkehr nicht reichen.

Selbst wenn erneuerbare Energie nirgendwo anders eingesetzt würde: Sie würde für den Verkehr nicht reichen

Der Umstieg auf Elektroautos könnte sogar einen ökologisch negativen Effekt auslösen und die Zahl der PKW in Deutschland, die zwischen 2008 und 2018 von 41,2 auf 46,5 Millionen gestiegen ist, weiter wachsen lassen. Schließlich sind die E-Autos ja scheinbar emissionsfrei und leise.

Sie sind so leise, dass überlegt wird, sie mit künstlichen Geräuschen zu versehen, um die wachsende Zahl schwerhöriger Rentner zu warnen. Dabei ist zu bedenken, dass Lärmarmut der E-Autos die Lebensqualität in den Städten nicht automatisch verbessern würde. Denn das Geräusch der PKW-Motoren ist schon heute nicht das größte Problem: Es sind die Auto- und Motorradposer mit ihren auf Krach getrimmten Motoren und Auspuffanlagen.

Die eigentliche Chance, die der Elektroantrieb bietet, liegt beim Fahrrad. Hier stimmt das Verhältnis zwischen Eigengewicht und transportierter Ladung. Das E-Bike macht das Radeln angenehm, an den entscheidenden Stellen weniger schweißtreibend und für jede Altersklasse möglich. Mehr Leute auf dem Rad bedeuten mehr Platz und mehr Leben auf den Straßen, nebenbei bemerkt wohl auch weniger Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Und wer wirklich mal ein Auto braucht, soll sich halt ein Carsharing-E-Auto mieten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

5 Kommentare

 / 
  • Wir können hier diskutieren bis wir schwarz werden ! Jedes Nicht gebaute Fahrzeug ist das umweltfreundlichste.... Unser Wirtschaftsystem basiert auf Zentralisierung, Maximierung und Rendietedenken !Die Behauptung Mobilität bringt Freiheit und Unabhängigkeit ist einer der größten Fehler die dem Menschen je vorgegaukelt wurde ! Freiheit beginnt im Kopf und nicht auf der Straße ! Solange es bei den Produzenten und in unserer Gesellschaft kein Umdenken gibt werden Autos , egal ob mit Benzin oder Elektroantrieb , unsere Probleme nicht gelöst werden ! Bis vor ca 250 Jahren lebten wir Menschen Jahrtausende mehr oder weniger im Einklang mit der Natur ohne größere Schäden zu hinterlassen.... In den letzten 2 - 3 Jahrhunterten haben wir es nun geschafft Urwälder abzuholzen , die Pole und Gletscher zum schmelzen zu bringen und unsere Meere mit Plastik zu verschmutzen! Und wir reden hier darüber ob Pest oder Colera besser ist .... der Preis bleibt gleich...

  • Das Elektroauto kommt, sicher, so nach und nach, aber nicht komplett von heute auf morgen. Es wird noch seine Zeit dauern. Dazu müssen zunächst auch mal die Vorraussetzungen geschaffen werden. Die Energieerzeugung oder auch Umwandlung muß sauber sein, sie darf nicht aus Kohlekraftwerken usw. kommen. Auch die dazugehörige Infrastruktur, z.B. Elektotankstellen, die zum Beispiel die Batterien auswechseln in nur zwei Minuten geören auch dazu und vieles mehr.



    Der Indidividualverkehr wird meiner Meinung auch noch danach existieren. Elektrofahrräder, Elektroroller wird es auch weiterhin geben, aber auch heute noch nicht existierende Fortbewegungsmittel.



    Der Ideenvielfalt sind keine Grenzen gesetzt.

  • Der Verkehr hat in den letzten Monaten stark zugenommen.



    Als Radfahrer merkt man: auf dem Weg zur Arbeit aber diskriminiert durch Ampeln und Strecken, die die Motorisierten bevorzugen.



    ÖPNV zu teuer.

  • Ich finde die Diskussion etwas am Thema vorbei, da ich das Zeitalter des PKW, des eigenen persönlichen Kraftwagens sowieso für gezählt halte. Sobald die Technik fürs autonome Autofahren weit und sicher genug ist, dass sie einem menschlichen Fahrer überlegen ist, wird sich der Besitz eines eigenen PKW, außer in der äußersten Provinz nicht mehr rentieren. Die Versicherung für das autonome Fahrzeug wird dann deutlich günstiger und das Fahren mit "smarten" autonomen Autos, die eventuell gleich mehrere Leute mitnehmen, dahinbringen wo sie hinwollen und dann gleich die nächsten Leute aufnehmen, ohne groß Parkplätze zu verstopfen ebenso deutlich billiger, als der Besitz eines eigenen PKW. Den Verkehr der Zukunft sollte man sich als einem gesunden Mix aus klassischem Massentransport (Bus, Bahn), ergänzt durch algorithmengesteuerten Individualverkehr und Fuß und Fahrrad vorstellen. Dann müssen auch weniger neue Autos gebaut werden und die Elektrowende wird machbar.

  • Einen „Individualverkehr, der kaum oder gar nicht umweltschädlich ist“, ist weniger „die wichtigste Voraussetzung“ für die Technologie- und die Mentalitäts-Wende als eine Illusion.

    Selbst wenn Autos Sonne tanken und frische Luft ausstoßen – man muss sie erst mal bauen, bevor man sie fahren kann. Und zwar so billig, dass sie gekauft werden und trotzdem noch Gewinn abwerfen. Das wird schwer werden ohne Raubbau an der Natur – und an den Menschen.

    Das Elektroauto kann unter günstigen Bedingungen so etwas sein wie eine E-Zigarette: Der Einstieg in den Ausstieg. Das klappt aber nur, wenn das Ziel stimmt. Und zwar nicht nur bei den Käufern, sondern auch bei den Herstellern und bei den Händlern.

    Wo ein Wille ist, heißt es, sei auch ein Weg. Genau genommen sind ganz viele Wege, wo ganz viele Willen sind. Das E-Auto kann hilfreich sein. Dann nämlich, wenn sich die Überzeugung durchsetzt, dass Gott bzw. die Natur den Menschen bereits ausgestattet hat mit allem, was er braucht für einen „Individualverkehr, der kaum oder gar nicht umweltschädlich ist“.

    (Fast) Alle haben wir zwei Beine, mit denen wir gehen können. Wir BRAUCHEN keine Autos, Züge, Flugzeuge oder Schiffe. Wir WOLLEN sie nur, weil wir damit leichter von A nach B kommen. Und seinen Willen kann man ändern. Wenn andere mitmachen.

    Meine Kinder sind (relativ) weit weggezogen von Zuhause. Das ist normal heute. Es hat allerdings Folgen. Eine davon ist, dass wir alle nun (relativ) viel Zeit auf Straßen verbringen. Ich mindestens so viel Zeit, wie meine fünf Großeltern zusammen auf Straßen verbracht haben im Laufe ihres Lebens. Der Unterschied ist: Ich schaffe in der selben Zeit viel mehr Kilometer.

    Vielleicht sollten wir uns das alle immer mal wieder bewusst machen. Vorzugsweise BEVOR wir entscheiden, nach Übersee zu ziehen oder in die nächste Großstadt. Spätestens aber, wenn wir die Nachteile des Wegzugs erkennen können. Wohl dem, der dann nicht entscheiden braucht: Eltern oder Kinder?

    Reden wir d'rüber!