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Pro & Contra Varoufakis’ neue BewegungKann Gianis Varoufakis Europa retten?

Martin Kaul
Jan Feddersen
Kommentar von Martin Kaul und Jan Feddersen

Der griechische Ex-Finanzminister präsentiert ein neues Bündnis für mehr Demokratie. Kann er Europas Zerfall stoppen?

Warnt vor Nationalismus und neuen Mauern in Europa: Gianis Varoufakis am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung der neuen Protestbewegung „Democracy in Europe Movement 2025“ Foto: reuters

J a

Jetzt warnen sie wieder: Vor dem Mopedminister, dem Penthousepolitiker, dem Giergriechen Gianis Varoufakis. Das ist der Typ, der am Dienstag in Berlin eine europaweite Bewegung ausgerufen hat und dafür 12 Euro Eintritt verlangte. Es ist ein Kinderspiel, die Attacken gegen Varoufakis so zu untermalen. Es ist aber auch äußerst billig. Fakt ist: Varoufakis füllt mit seinem Vorstoß eine Leerstelle, die die europäische Sozialdemokratie hinterlassen hat. Dafür sollten wir ihm danken.

Denn wenn es diesem Europa an einem mangelt, dann an einer linken – und das heißt konkret: an einer sozialen, humanistischen und demokratischen – Vision. Es sind doch in Wirklichkeit diese Linken, die inzwischen zum Kitt der europäischen Idee geworden sind. Sie betreiben in Griechenland die Volksapotheken und sie schmieren in deutschen Flüchtlingsheimen die Butterstullen für Geflohene. Sie sind es, die den europäischen Laden am Laufen halten. Aus einstigen Staatszersetzern sind längst die Staatenretter geworden.

Eines aber fehlt diesen Helden des Alltags: eine große Erzählung, die ihnen gerecht wird. Und die bestehen kann gegen den Versuch von Europas Repräsentanten, den Kontinent wieder in Nationen aufzuteilen und die europäische Idee mit Mauern zu verteidigen. Varoufakis bietet diese Erzählung und eine Vision.

Er setzt dabei auf eine banale Prämisse: dass sich die europäische Linke niemals gegen, sondern immer nur für Europa entscheiden darf. Wer Politikern wie Sigmar Gabriel, aber auch Sahra Wagenknecht oder Oskar Lafontaine zuhört, weiß, dass dies unter Europas Linken keineswegs selbstverständlich ist. Und so ist es gut, dass Varoufakis diesen, ja: großspurigen, Anlauf wagt.

Es gab einmal einen europäischen Sozialdemokraten, der auch als Luftikus und Frauenschwarm verspottet wurde. Sein Name war Willy Brandt (“Mehr Demokratie wagen“). Brandt war Vorsitzender der SPD, Bundeskanzler und 16 Jahre lang Präsident der Sozialistischen Internationale. Was ihn auszeichnete, war, dass er sich nicht versteckte. Nach ihm gab es unter Europas Sozialdemokraten keine großen Visionäre mehr, die die soziale Idee derart fordernd und internationalistisch voranführten. Vision, das ist ja nur noch ein Schimpfwort.

Nun ist Gianis Varoufakis kein neuer Willy Brandt. Aber er proklamiert laut und fordernd eine Idee von Europa, die den Sozialdemokraten abhandenkam. Sein Mittel ist der große Auftritt – ja und? Jetzt mal unter uns: Auch und gerade Freunde des Eurovision Song Contest sollten doch Verständnis dafür haben, wenn für gute Ideen auch mit popkulturellen Mitteln gekämpft wird. Oder? Martin Kaul

Nein

Das Beste, was über diesen griechischen Bürger zu sagen wäre, könnte dies sein: Er hat die europäische Öffentlichkeit ein knappes Jahr tüchtig in Atem gehalten. Manche sahen – und sehen immer noch – in ihm einen Helden, der den Moloch, die Krake namens EU mit dem Syriza-Wahlsieg in Griechenland 2015 endlich revolutioniert. Oder wenigstens den revolutionierenden Prozess anstößt. Stattdessen hat der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (und mit ihm fast alle anderen EU-Mitgliedsstaaten) ihn an die alte marxistische Wahrheit erinnert: dass der Wohlstand eines Landes am Niveau der Produktivkraftentwicklung hängt – nicht am moralisierenden Wehen und Klagen seiner Eliten.

Gianis Varoufakis war und ist der Traum aller Linken, die immer noch das ganz und gar Andere glauben erreichen zu können. Sie geben vor, die Welt verändern zu wollen, und scheitern doch, weil sie Solidarität sagen und Privilegierung in eigener Sache meinen.

Denn: Hatte Syriza, hatte Varoufakis ein Programm, sein Land zu reformieren? Nein, der einzige Klingelton, der von diesem Mann in die europäische Agora hineinplärrte, war einer, der klang wie: „Subventioniert uns weiter wie bisher, sonst sind wir sauer!“

Dass der einstige Finanzminister Griechenlands schließlich gehen musste, damit er seinem Land keinen weiteren Schaden antun konnte – etwa mit der womöglich realisierten Drohung, aus dem Euro auszuscheiden und sich dem Kreml zuzuwenden –, verstand sich für Linke, die in Athen noch ganz bei Trost sind, von selbst.

Vor allem weil die realpolitisch orientierten Linken (Orthodoxe, Linksliberale, Dicke-Bretter-Bohrer, keine Operetten-Pseudo-Marlon-Brandos) begriffen hatten, dass ihnen ein Mann nichts nützt, der aus EU-Gremiensitzungen Seminare machen wollte – und Lehrstunden zu Leerstunden machte.

Varoufakis will nun mit einem Manifest die EU-Wirklichkeit aus den Angeln heben. Ausgerechnet in der Volksbühne, dem Berliner Epizentrum des Caffe-latte-Halb-Bolschewismus. Ein Trauerspiel. Pop-Idole, die zu Wracks werden, sind besonders niederschmetternd.

Das, was dieses Manifest sein soll, ist kein Aufbruch zu modernen Höhen, sondern eine Sektenhuberei, wie sie in der bundesdeutschen Geschichte der Linken wiederholt beklagt werden musste. Hinter diesen pseudopolitischen Gründerzeiten mag Ohnmacht stecken oder Größenwahn: Varoufakis jedenfalls wird es nicht sein, der weiter zocken darf.

Das europäische „Haus“ ist aufgebaut worden von Politikern, die mehr konnten als Fensterreden: nicht von einem wie ihm. Jan Feddersen

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Martin Kaul
Reporter
Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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22 Kommentare

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  • Varoufakis nicht, er ist ja nur ein Mensch. Aber seine Einsicht, wenn sie zur Einsicht einer Mehrheit werden.

  • JA!

  • "Gianis Varoufakis war und ist der Traum aller Linken, die immer noch das ganz und gar Andere glauben erreichen zu können."

     

    Ich dachte ja eigentlich, dass dieser Glaube an die Möglichkeit eines Anderswerden Einstellungsvoraussetzung für einen taz-Redakteur ist. Muss mich wohl getäuscht haben. Aber vermutlich ist dieser Text eine Bewerbung bei Welt oder Bild wo er auch hingehört.

    Ich wage allerdings zu bezweifeln, dass dort derart schlecht recherchierende Journalisten eine Chance bekommen.

    Es würde mich nur interessieren, wen der Herr Feddersen mit den Dickbrettbohrern meint - wohl doch nicht etwa sich selbst?

    Allerdings hab ich mir sagen lassen, dass mancher Dickbrettbohrer nur zu faul war dünne Bretter zu sägen.

    Egal - mit diesem Artikel fängt der countdown zum Ende meines taz-Abos an.

  • Den Griechen, Varoufakis und uns allen ist übel mitgespiel worden (Verlaufsform).

     

    In der Tat sind die üblichen politischen demokratiaschen Mittelin der EU und der BRD fast außer Kraft gesetzt udn die "feindliche Übernahme" durch die USA ist im vollen Gange!

     

    Der Konfrontationskurs der Gewerkschaften gegen die CDU/CS/SPD große Koalition mir dem Ausgangf, eine echte linke SPD/GRÜNE/LINKE Koalition so schnell wie möglich zu etablieren, mit "Frithjof Hansen Flüchtlingspass"!!, Bekämpfungde Fluchtuirsachen, Ende vin Harzt IV und Ausbsui des Soazauiaksttesm verünftoigesaebeyslosengeld und Grundeinkommen etc, sollrte aiuf den Weg gebracht werden,

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Dr. rer. nat. Harald Wenk:

      "Bekämpfungde Fluchtuirsachen, Ende vin Harzt IV und Ausbsui des Soazauiaksttesm verünftoigesaebeyslosengeld und Grundeinkommen etc, sollrte aiuf den Weg gebracht werden,"

       

      Ganz meiner Meinung.

  • " Hatte Syriza, hatte Varoufakis ein Programm, sein Land zu reformieren? Nein, der einzige Klingelton, der von diesem Mann in die europäische Agora hineinplärrte, war einer, der klang wie: „Subventioniert uns weiter wie bisher, sonst sind wir sauer!“

     

    Schlichtweg falsch! Wer außerhalb der Mainstream-Medien suchte, konnte auch fündig werden. Natürlich hatte Syriza eigene Reformprogramme vorgelegt, die von Wirtschaftswissenschaftlern positiv bewertet wurden.

    • @Andrea27:

      Ja aber auch diese Konzepte beruhten immer auf der Maxime noch mehr Geld in das System zu pumpen, dass Griechenland nicht hatte.

       

      Das muss nicht falsch sein, aber die Strategie die der nette Herr anlegte dafür beruhte halt auf einer Fehleinschätzung der Präferenzen seiner Gegenspieler.

       

      Nachfolgend ist eh etwas komisch, wie lauter Menschen einen Spieltheoretiker als absolute Fachkompetenz in Makroökonomie betrachten...das ist ca. so als würde ich meinen HNO-Arzt fragen, wie er meine Herztransplantation durchführen möchte.

  • Nicht er kann europa RETTEN sondern nur wir selbst, wenn wir Souverän sind und zur Wahl gehen!

    Heute können wir am Beispiel USA Wahlkampf sehen, wenn der Souverän (also WIR) nicht zu faul sind "unsere selbstverschuldete Unmündigkeit" (Kant) zu verlassen, uns informieren und zur Wahl gehen. Freunde von Bernie Sanders sozialen Themen, zeigen, wie es geht: https://www.youtube.com/watch?v=miOHoCXsRCc Er hat mit sozialen Argumenten gestern gewonnen. Schade, dass es bei uns keine SOZIALEN PARTEIEN mehr gibt.? Oder hält jemand die CSU für sozial?

  • Schafft er das oder schafft er das nicht?

     

    Wer nicht wagt – der nicht gewinnt.

     

    Die Frage ist auch:

     

    „Wäre es besser, wenn er das schaffen würde oder schlechter, und wem nutzt das?“

     

    Frau Merkel beziehungsweise Deutschland braucht weitere Verbündeten, die fest daran glauben, dass wir es gemeinsam schaffen! Krisen können viel besser gemeinsam gemeistert werden und die EU darf nicht zerfallen!

  • wenig substantielles. ich bin so schlau wie vorher.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Worst Case:

      Egal, wichtig ist doch, dass eine profilierte Schau auf Europa die Schlagzeilen erreicht und wieder Diskussionen entfacht.

      Dass es der politisch noch wenig belastete Querdenker Jannis Varoufakis ist, halte ich für einen Glücksfall.

    • @Worst Case:

      sach ich doch -

       

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      • 5G
        571 (Profil gelöscht)
        @Lowandorder:

        Zuschlagen!

        Der Preis ist heiß,

        nächstes Jahr ein Cent teurer.

  • "Stattdessen hat der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (und mit ihm fast alle anderen EU-Mitgliedsstaaten) ihn an die alte marxistische Wahrheit erinnert: dass der Wohlstand eines Landes am Niveau der Produktivkraftentwicklung hängt – nicht am moralisierenden Wehen und Klagen seiner Eliten."

     

    sind wir europa, eine gemeinschaft oder ein boxring, wo jeder gegen den anderen kämpft? Eine exklusive Kampfarena sozusagen?

    wieso kriegt dann der osten noch geld zugeschoben? an der wirtschaftskraft kanns nicht liegen. wennschon absoluter wettbewerb lassne wir den osten doch auch mal spüren wie schwach sie sind.

     

    --das ist übrigens Ironie--nur damit das klar ist.

  • Er hätte es fast geschafft sein Land innerhalb von wenigen Monaten endgültig an die Wand zu fahren. Warum sollte er also Europa retten können?

    • @Martin74:

      Er hätte es fast geschafft sein Land zui retten, warum sollte er Europa retten. Warum sollte überhaupt jemand Europa retten? Ei Kontinent der nur Krieg ohne Frieden über die Welt gebracht hat!

      Die Griechen werden oder tun größtenteils siche schon bedauern das MuttersöhnchenTsipras gewählt zu haben und so wie die Schotten es sicher bedauern bei England gebleiben zu sein Europa gewählt zu haben. Kein Rückrad eben. aber veilleicht haben die Schotten ja noch Glück und werden über die Engländer Europa los. Europa eine gute Idee. Aber ohne Deutschland und die USA Imperialisten. Es wird immer sichtbarer.

    • 5G
      571 (Profil gelöscht)
      @Martin74:

      "Er hätte es fast geschafft..."

       

      Mit Schäubles tatkräftiger Unterstützung wurde seine Mission vorzeitig beendet. Er hat GR nicht retten, aber unserer schwarzen Null die Larve abnehmen können.

    • @Martin74:

      wie? es ginge noch schlechter als jetzt, wo alles gerettet ist? na da ham die griechen glück gehabt!

      • @nutzer:

        So einfach ist es nicht! Es waren die Konservativen und Sozialisten die den Schuldenberg aufgetürmt hatten und die Linken sollten es dann richten. Glauben Sie mir, wären die immer noch an der Macht hätte der ganze Bohei gar nicht stattgefunden.

        • @Herbert Priess:

          Also die Aussage "und Sozialisten...und die Linken sollten es dann richten"...sollte man sich schon mal auf der Zunge zergehen lassen.

  • Verstehe die Frage nicht!

    Aber ich muß ja auch nicht alles verstehen.

    Hans-Ulrich Grefe

  • Das europäische „Haus“ ist aufgebaut worden von Politikern, die mehr konnten als Fensterreden: nicht von einem wie ihm. Jan Feddersen

     

    Danke taz -

    Dass das mal klar ist! Danke.

    Denn - ja was wären wir Beladenen der Ebene denn!

    Ohne eure DA DA DA Edelfeder JAF JAF JAF FEDDERSEN!

     

    (ps Dortmund führt grad 1 : 0 ;))

    Damit& gern zurück nach Balin;!¡)