Pro & Contra Pressefreiheit in den USA: Gefährdet Trump die Pressefreiheit?

350 US-Zeitungen protestieren mit der Aktion #FreePress gegen Trumps Umgang mit den Medien. Auch in der taz wird diskutiert.

Donald Trump zeigt mit dem Finger auf, im Hintergrund USA-Flaggen

Donald Trump hat 2017 einige Medien als „Feinde des Volkes“ bezeichnet Foto: imago/ZUMA Press

In den USA protestieren rund 350 Zeitungen in einer Aktion unter dem Motto #FreePress gegen Donald Trumps Umgang mit den Medien. Aber nicht alle KollegInnen halten dieses gemeinsame Vorgehen gegen den Präsidenten für angemessen – auch in der taz wird darüber diskutiert…

Gefährdet Trump die Pressefreiheit?

Ja, sagt Barbara Junge

Die Reichweiten großer Trump-kritischer Medien in den USA wachsen, die Einnahmen bei einigen von ihnen steigen. Denn jener Teil der US-Bevölkerung, der Donald Trump als US-Präsidenten ablehnt oder fürchtet, klammert sich an die Bastionen der demokratischen Öffentlichkeit. So ist Trump allgegenwärtig, der Hunger nach Nachrichten groß, und der US-Präsident spielt mitsamt seiner virtuosen Hetze gegen die Medien einen integralen Part einer Show. Ist der Aufruf Hunderter US-Medien zum Schutz der Pressefreiheit deshalb nur Panikmache, mehr Werbeaktion denn politischer Aufschrei?

Oder ist „free press“ nicht genau das richtige Zeichen? Ja. In den USA findet sich die Pressefreiheit in viel besserer Verfassung als in Autokratien wie der Türkei. Hoffentlich doch! Dennoch sehen sich Journalisten und Journalistinnen bei der freien Ausübung ihrer Arbeit auch in den USA behindert, manche sogar bedroht. In der großen westlichen Demokratie ist die Pressefreiheit längst verletzt. Keine Show kann das überspielen. Steigende Lese-Zahlen sind Ausdruck wachsender politischer Polarisierung und kein Grund zur Beruhigung. Trump mag eine moderne Karikatur historischer Vorbilder sein und seine politischen Handlungen mögen verschlungenen Pfaden folgen, sein Weg ist stramm antidemokratisch und gegen eine freie Presse gerichtet.

Der „Volksfeind“ ist ein Begriff zur Rechtfertigung politischer Verfolgung. Adolf Hitler hat ihn gegen Juden, politische Gegner und die freie Presse eingesetzt. Josef Stalin wand ihn in der Großen Säuberung insbesondere auf Intellektuelle an. Mit seiner Bezeichnung der Medien als Feinde des Volkes reiht sich Trump in diese Ahnengalerie ein und hat damit zumindest verbal die Arena zur Verfolgung einer der wichtigsten Kräfte des demokratischen Systems eröffnet. Und er tat dies seit Beginn seiner Amtszeit. Er weiß, was er spricht.

Trump verschiebt die gesellschaftlichen Kategorien. Er macht sagbar, was bis vor Kurzem nicht sagbar schien. Er macht machbar, was bislang nicht denkbar war. Ein Phänomen, das ähnlich längst auch in Europa greift. Trump hetzt seine Anhänger gegen Medien und Medienvertreter auf. In extremen Foren wird sogar zu den Waffen gerufen.

Stillhalten in der Hoffnung, dafür dann weniger gehasst zu werden, ist keine Option. Einzeln zu kämpfen, statt Solidarität zu suchen – nur aus Angst, Vorurteile einer gleichgeschalteten Presse zu bestätigen –, ist eine irrige Hoffnung. Anhänger von Donald Trump brauchen keine Bestätigung. Sagen, was ist, hat Spiegel-Gründer Rudolf Augstein formuliert.

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Nein, sagt Peter Weissenburger

Namhafte US-Journalist*innen verrennen sich in einen Trump-Antagonismus, ein reflexartiges Sich-Behaupten gegen den großen Medienfeind. Die entsprechenden Erklärungen schreiben sich fast von selbst.

Ja, er hat mal einige Medien als „Feinde des Volkes“ bezeichnet. Dem Präsidenten einer der mächtigsten Demokratien der Welt steht so etwas schlecht. Aber zwei Jahre nach der Trump-Wahl haben Journalist*innen weiter jede Freiheit, die sie auch schon unter Clinton, Bush und Obama hatten. Die neue Regierung hat den Zugang der Presse nicht eingeschränkt; dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist nicht die Finanzierung gekürzt worden, und Journalist*innen sitzen nicht im Gefängnis oder arbeiten in Angst, dort zu landen.

Wen Trump heute zum Feind erklärt, mit dem trinkt er morgen Tee und andersherum

Es ist selbstverständlich die Aufgabe der Presse, einem reaktionären Demagogen wie Donald Trump täglich Kontra zu geben. Aber wenn nun der Boston Globe, Initiator der #FreePress-Aktion schreibt, der Präsident habe „nach allen Kräften versucht, kritische Journalist*innen einzuschüchtern“, müssten sich eigentlich alle totlachen, die gerade versuchen, in der Türkei, in Thailand oder auf den Philippinen ihre Arbeit als Jour­nalist*in zu machen. Nicht nur ist die Presse in den USA viel zu mächtig und gut vernetzt, um sich Sorgen um Repressionen machen zu müssen – der Präsident hat auch überhaupt kein Interesse daran, ihr zu schaden.

Wen Trump heute zum Feind erklärt, mit dem trinkt er morgen Tee und andersherum. New-York-Times-Korrespondentin Maggie Haberman nannte er im April noch eine „drittklassige Reporterin“ und „verlogene Anfängerin“, weil ihm ein Artikel von ihr nicht passte. Haberman aber berichtet weiterhin aus dem Weißen Haus, darf ins Oval Office, Trump beantwortet wie eh und je ihre Fragen.

Es ist ein Freund-Feind-Spiel, das der Medienpräsident spielt, rhetorische Entgleisung für rhetorische Entgleisung. Zeitungen und Nachrichtensender spielen es mit, weil sie in den vergangenen Jahren beobachtet haben, dass es ihnen wiederum Aufmerksamkeit einbringt. Die New York Times verzeichnet seit der Präsidentschaftswahl steigende Abonnementzahlen, eben weil der Präsident sie auf seine „Fake News“-Liste gesetzt hat. Aber nicht die TV-Networks und die berühmten Blätter leiden in den USA.

In der Krise stecken vielmehr die Zeitungen der kleinen und mittelgroßen Städte, denen die Digitalisierung wie auch überall sonst ihr Geschäftsmodell zunichte gemacht hat. Die versuchen sich jetzt an den Anti-Trump-Ruhm der großen Redaktionen ranzuhängen, indem sie die Aktion des Boston Globe nutzen – um Leser*innen zu werben. Womit #FreePress letztlich eine Abokampagne ist.

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taz-Chefredakteurin, Initiatorin der taz-Klima-Offensive und des taz Klimahubs. Ehemals US-Korrespondentin des Tagesspiegel in Washington.

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