Privatjet zum Weltwirtschaftsforum: Kurz, privat, klimaschädlich
Zum Weltwirtschaftsforum in Davos nimmt die Zahl der Flüge mit Privatjets an den Schweizer Airports stark zu. Greenpeace fordert ein Verbot.
Der Kongress der internationalen Wirtschafts- und Politikelite findet in der kommenden Woche in dem Schweizer Bergort statt. Die Beratungsfirma CE Delft hat sich die Flüge rund um das vergangene WEF angeschaut, das zwischen dem 22. und dem 26. Mai 2022 stattfand. Auf sieben Airports, von denen Davos gut zu erreichen ist, darunter Zürich, Genf und Samedan, sind demnach in jener Woche 1.040 Privatjets gelandet oder gestartet. In normalen Wochen vor und nach dem WEF waren es durchschnittlich 540 Flüge dieser Art. Die ungefähre Verdoppelung sei damit auf den Kongress in Davos zurückzuführen, urteilt CE Delft.
Der Mehrheit der Reisen mit Privatjets waren Flüge kurzer oder mittlerer Distanz, beispielsweise von 500 oder 750 Kilometern, was etwa der Entfernung von Wien oder Berlin nach Davos entspricht. Aber auch Langstreckenflüge über 3.000 Kilometer kamen öfter vor als normalerweise.
Manche Privatjets stoßen bis zu zwei Tonnen Kohlendioxid pro Flugstunde aus, schreibt CE Delft. Diese Art der Fortbewegung sei damit 50-mal so klimaschädlich, wie mit dem Zug zu fahren. Die Schweiz und Davos sind mit der Bahn aus allen Richtungen gut zu erreichen. „Privatjets sind die klimaschädlichste Art, sich fortzubewegen“, sagte Greenpeace-Verkehrsexpertin Marissa Reiserer, „wer sie noch dazu auf Kurzstrecken nutzt, die gut mit der Bahn zu absolvieren sind, handelt ignorant.“
Empfehlungen kümmern Manager:innen nicht
Das WEF und sein Chef Klaus Schwab nehmen die Verantwortung für das Klima offiziell ernst. Während des Kongresses gibt es haufenweise Veranstaltungen zum Thema. „Das Jahrestreffen wird klimaneutral sein“, erklären die Veranstalter:innen außerdem. Kohlendioxidausstoß wird reduziert und kompensiert. Seinen Gästen empfehle das WEF, mit der Bahn anzureisen, sagte ein Sprecher zur taz. Man rate auch, auf Kurzstreckenflüge zu verzichten. Derartige Empfehlungen scheinen einige Manager:innen und Politiker:innen jedoch nicht zu beeinflussen.
Greenpeace verlangt deshalb eine gesetzliche Lösung in Deutschland und weiteren Staaten. „Die Bundesregierung sollte sich hinter Frankreich stellen und für ein Verbot von Privatjets und Kurzstreckenflügen eintreten“, sagte Greenpeace-Expertin Reiserer. Die französische Regierung hat Kurzstreckenflüge verboten, die Bahnfahrten bis zu zweieinhalb Stunden ersetzen. Das betrifft etwa die Strecken zwischen Paris und Bordeaux, Nantes und Lyon.
Solche Vorschläge stammten aus dem französischen Bürger:innen-Klimarat, der 2020 stattfand. Die EU-Kommission hat dem Kurzflugverbot inzwischen ihren Segen erteilt. Das Bundesverkehrsministerium von Volker Wissing (FDP) wollte sich bis Redaktionsschluss nicht zum Verbot von Kurzstreckenflügen äußern. Der Sprecher des WEF sagte über weniger kurze Flüge: „Macht Sinn.“
Nach der Coronapause startet der Kongress der globalen Business- und Politikelite in Davos zum traditionellen Januar-Termin ab kommenden Montag wieder wie in den Jahren zuvor. Ermöglicht durch das Ende der Covid-Restriktionen in China, erwartet das WEF auch von dort eine Regierungsdelegation. Russland wird boykottiert. Die Veranstalter:innen rechnen mit 52 Staatsoberhäuptern und Regierungschef:innen, unter anderen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Auf der Tagesordnung stehen die globale Energiewende, die Eindämmung der Inflation, die Neuordnung der Machtblöcke und weitere Themen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss