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Klimagesetze in FrankreichNote 6 von Umweltschützern

Flugverbote für Inlandsstrecken, Werbeverbote für fossile Firmen: Umweltorganisationen in Frankreich halten das neue Klimapaket für unzureichend.

Keine Inlandsstrecken mehr: Flugzeuge von Air France am Flughafen Paris Orly Foto: Lionel Urman/imago

Paris taz | Die Nationalversammlung mit der Mehrheit der Regierungsparteien und der eher konservative Senat haben sich in Frankreich trotz großer Differenzen auf einen Kompromiss in der Klimapolitik geeinigt. Umweltministerin Barbara Pompili freute sich am Dienstag über eine „globale kulturelle Wende“, die es erlauben werde, „die Ökologie in unser Alltagsleben einzuführen“.

Allerdings spricht auch die Ex-Grüne, die sich Präsident Emmanuel Macron angeschlossen hat, um Ministerin zu werden, bloß von einer „Etappe“. Es ist zu offensichtlich, dass das Ergebnis der langen Parlamentsdebatten unter den ursprünglichen Erwartungen und auch hinter den anfänglichen Zielen der Regierung zurückbleibt.

Ausgangspunkt waren 150 Vorschläge eines vom Präsidenten initiierten Klima-Bürgerrats. Allerdings wurden dessen Ideen und Forderungen nur zum Teil und oft in abgeschwächter Form berücksichtigt.

Noch vor zwei Wochen musste die Regierung aufgrund des Widerstands im Senat auf die gewünschte Volksabstimmung über eine Verfassungsgarantie für den Klima- und Umweltschutz verzichten.

Schwerverkehrsabgabe wird möglich

Heute erteilten die Umweltorganisationen der Regierung für das verabschiedete Klimapaket die Note „Ungenügend“. „Das Wunder hat sich nicht ereignet, und das Gesetz ist sehr weit von den Klimazielen und den Erwartungen der Bür­ge­r:in­nen entfernt“, kommentierte beispielsweise der WWF Frankreich. Für die rechte Oppositionspartei „Les Républicains“ hat es dagegen noch „zu viel neue Abgaben und juristische Regeln“.

Immerhin werden laut den neuen Regelungen Kurzstreckenflüge im Inland untersagt, wenn für dieselbe Verbindung täglich mehrere Bahnen fahren und die Fahrtzeit nicht länger als zweieinhalb Stunden dauert. Zudem wird zumindest für einige Grenzregionen die Möglichkeit einer Schwerverkehrsabgabe eingeführt und die Großstädte werden ermahnt, Fahrzeuge mit hohem Abgasausstoß aus den Zentren zu verbannen.

Im Bereich der Werbung wird die Reklame für fossile Energien und Fahrzeuge mit CO2-Emissionen von mehr als 123 Gramm pro Kilometer verboten. In den Schulrestaurants muss mindestens ein Mal pro Woche vegetarisch gegessen werden, 50 Prozent der Nahrungsmittel hier müssen künftig aus nachhaltiger Produktion und 20 Prozent aus der Biolandwirtschaft stammen.

Keine neuen Einkaufszentren mehr

Fortschritte sollen zudem mit Subventionen und Steuererleichterungen für den klimagerechten Umbau von Immobilien erzielt werden. Zum Schutz von Landschaft und Grünzonen sollen außerdem keine großen Einkaufszentren mehr genehmigt und die Versiegelung der Böden gestoppt werden.

Schließlich wird neu im französischen Strafrecht ein „Ökozid-Delikt“ geschaffen: Wer vorsätzlich, Wasser, Boden und Luft verschmutzt, kann im Höchstfall mit zehn Jahren Haft und 4,5 Millionen Euro Geldbuße bestraft werden.

Ob das reicht, die Klimaziele Frankreichs zu erreichen, ist fraglich. Deshalb hat das oberste Verwaltungsgericht des Landes, der Conseil d'Etat, dem Staat Anfang Juli ein Frist von neun Monaten eingeräumt, um dafür die „nötigen Maßnahmen“ zu ergreifen.

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10 Kommentare

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  • Krass, dass die liberale, ja wohl quasi FDP-ähnliche Macron-Regierung zumindest Forderungen durchsetzt, die nach Ansicht von all den laschen Laschets Landesverrat gleichkommen: Veggie-Day, Flugverbot, SUV-Werbeverbot.

  • Auch wenn es unzureichend ist - im Vergleich zur deutschen Weichspül-Klimapolitik erscheinen die französischen Klimagesetze recht radikal.



    Eigentlich dachte ich, die Deutschen wären die SuperÖkos. So hieß es doch des öfteren, zumindest in der Vergangenheit und aktuell ja immer noch seitens der Regierenden ... ;-/

  • Irgendwie gab es schon lange keine Meldung zu Extremwetterlagen. Um diese Lücke aufzufüllen, mal was es heute so gibt:

    - Hitzewelle in Wales, Cornwall und Nordirland mit Temperaturen bis zu 32°C.

    www.bbc.com/news/uk-wales-57892927

    www.bbc.com/news/av/uk-wales-57910591

    - 3 - 5 Zentimeter große Hagelkörner in England, Leicastershire:

    www.bbc.com/news/u...stershire-57909700

    - massive Überflutungen in Henan/China:

    www.scmp.com/news/..._1&pgtype=homepage

    • @jox:

      Noch zu den Überflutungen in Henan/China ... ich hoffe, der obige Kommentar wirkt nicht flapsig, in Wirklichkeit erschrecken und bestürzen mich diese Vorgänge sehr.

      Es gibt Videos auf zB youtube von den Überflutungen, ich verlinke sie aber nicht. Wer sie aufruft und betrachtet, sollte sich vorher im Klaren sein, was seine Motivation ist, und ob es ihm gut tut, diese zu sehen.



      Denn diese Videos zeigen Menschen in extremer Gefahr, wie zum Beispiel in einer U-Bahn, wo den Menschen das Wasser bis zur Brust reicht. Und sie zeigen auch Menschen, die ertrinken. Das sind sehr verstörende Bilder.

      Auch, weil uns ganz wenig trennt von den Menschen in den Städten da. Uns betrifft exakt die gleiche Realität.

      Was vor gerade knapp einer Woche in Westdeutschland geschah, trifft nun Menschen in China, in einer, wie es aussieht, noch schlimmeren Größenordnung.

      Gleichzeitig haben sie, glaube ich, weite Bedeutung, denn sie zeigen eine Katastrophe ganz ähnlicher Art wie in Ahrweiler in einer Umgebung ähnlich wie in, sagen wir, Frankfurt, Essen oder Stuttgart. Vielleicht auch Lyon.

      Die Bilder haben die gleiche irreale Atmosphäre, aber wenn Ahrweiler und Erftstadt nun unsere Gegenwart abbilden, so geben die Bilder aus China einen wahrlich albtraumhaften Blick auf unsere Zukunft: Die großen Städte überflutet mit eingeschlossenen Menschen.

      Wir erleben den Beginn einer globalen Katastrophe.

      Es geht nicht mehr um kleine Eisbären, die ängstlich auf einer Scholle sitzen. Es geht um uns selbst.

      Was ich mir von den Grünen wünsche ist der Mumm, jetzt die Samthandschuhe abzulegen und zu kämpfen. Denn bei der Geschwindigkeit, mit der die Wettermuster zusammen brechen und Extremwetter auftreten, haben wir höchstwahrscheinlich nicht mehr viel Zeit - wenn wir überhaupt noch welche haben. Wir können auch nicht mehr allein auf die Wissenschaft warten, denn sie ist nun zu langsam um allein in der Krise das Handeln zu leiten.

      • @jox:

        Warum sollte mensch auch auf die Wissenschaft warten? Diese bestätigt doch u.a. ihre zuvor aufgestellten Klimamodelle und Theorien. Zudem hat sie genügend Grundlagen bzw. technische Möglichkeiten zur Lösung der Energieproblematik geschaffen - Elektromotor (erste elektrische Straßenbahn 1881 konnte bereits 50 Personen transportieren und das noch vor dem ersten "Auto" (von Carl Benz 1886), das noch wie eine Kutsche aussah), Photovoltaik, Windrad, Elektrischer Generator ...

        • @Uranus:

          Die Wissenschaft kann das unerwartete Vorkommen von Eisbergen auf einer Schifffahrtsroute prognostizieren, nach einer Springtide... sie kann aber nicht dem Kapitän der Titanic sagen, wie er die unabwendbar gewordene Kollision noch so lenkt, dass das Schiff möglichst nicht sinkt.

          Das heißt nicht, dass Wissenschaftler oder Schiffsingenieure da nicht eine sinnvolle Strategie entwickeln könnten, aber wahrscheinlich nicht in wenigen Minuten.

          Die Klimaforscher haben oft genug gesagt, dass wir auf Kollisionskurs sind.

          Wir erreichen mehr und mehr die zweite Art von Situation.

          • @jox:

            Er hätte nicht versuchen sollen auszuweichen, sonder direkt drauf halten sollen.



            Die Chancen wären deutlich besser gewesen.

            Das Auweichmanöver in letzter Sekunde hat die Titanik aufgeschlitzt, wie eine Sardinenbüxe.

            Die Titanic war tatsächlich für eine solche Art von Kolision ausgelegt.

            Im Beispiel der Titanic, gab es also durchaus ,noch etwas was getan werden konnte, so viel Hoffnung mache ich mir nicht, wenn wir den Kippunkt überschritten haben, ab dem sich die golbalen Prozesse der Erderwärmung verselbständigen.

            • @Obscuritas:

              Die Kipppunkte und Domini-Effekte sind gefährlich. Sicherlich gibt es auch Effekte, die um so schlimmer werden, je länger wir warten; Immerhin ist der Prozess angetrieben vom CO2, das wir emittieren, und das die Komponente ist, über die wir am meisten Kontrolle haben.

              Die Gefahr, dass es irgendwann zu spät ist um katastrophale Folgen zu vermeiden, ist real. Aber sie ist kein gutes Argument dafür halt nichts zu tun, wie in sozialen Netzwerken propagiert wird. Denn was wir jetzt sehen z.B. mit den Übeflutungen an Ahr und Erft ist nicht mehr als ein schwacher Vorgeschmack auf das was da ohne Gegensteuern noch kommen würde.

  • Durchaus interessant zum Nachdenken über individuelle Massnahmen: Der CO2-Rechner vom Umweltbundestamt (was fehlt, ist ein CO2-Rechner für die deutsche Industrie und die internationalen Fossilenergieunternehmen.)

    uba.co2-rechner.de/de_DE/

  • Das häufige touristische Fliegen einzuschränken ist wahrscheinlich, wenn man eine TODO-Liste aufstellt und nach dem Quotientem von Kosten durch Nutzen ordnet, die bei weitem einfachste und kostengünstigste Maßnahme, um Emissionen zu verringern. Denn jeder Flug produziert mehrere hundert Kilo CO2 pro Person, das ist in der selben Größenordnung wie der Heizbedarf pro Person in einer fossil beheizten und nicht direkt kleinen Wohnung.

    Natürlich muss man auch wieder Arbeitsplätze zum Ausgleich schaffen, aber man kann ja z.B. Einnahmen aus der CO2-Steuer in den Kulturbereich stecken, der ist CO2-arm und kann durchaus Menschen helfen, den Sinn im Leben vielleicht eher zuhause zu suchen (und zu finden) statt in Phuket.