Privatisierte Pflegeheime in Hamburg: Senat sondiert Möglichkeiten eines Rückkaufs
Hamburgs rot-grüner Senat erwägt, die 2007 privatisierten Pflegeheime des Trägers „Pflegen und Wohnen“ zurückzukaufen. 2026 endet deren Bestandsschutz.
Zu näheren Erklärungen waren am Donnerstag weder die Finanzbehörde noch die Sozialbehörde bereit. Auch Pflegen und Wohnen und ihre Mutterfirma Deutsche Wohnen wollten sich nicht äußern. Es gab allerdings auch keine lauten Dementis.
In der Einleitung seiner Antwort ließ der Senat an dem 2007 unter der CDU-Regierung eingetüteten Verkaufsdeal kein gutes Haar. Da damals die Verbindlichkeiten und die Versorgungsleistungen bei der Stadt blieben, sei der Verkauf für diese „in der Gesamtschau nicht wirtschaftlich vorteilhaft“ gewesen. Gleichzeitig steige demografiebedingt die Nachfrage nach Pflegeheimplätzen. Zur Sicherstellung guter Pflege seien „gute betriebliche Strukturen“ der zentrale Schlüssel. Deutlicher wird der Senat nicht.
SPD: Verkauf war ein Riesenfehler
Die Pflegefirma, die derzeit etwa 2.400 Plätze und knapp 2.000 Mitarbeitende hat, wechselte im Laufe der Jahre die Eigentümer und gehört inzwischen zum Wohnungsbaukonzern Vonovia. Im August berichtete das Hamburger Abendblatt mit Berufung auf das Handelsblatt, dass der Konzern Immobilien im Wert von 1,5 Milliarden Euro verkaufen wolle und dies vor allem in der Pflegesparte.
Die Vonovia habe die Deutsche Wohnen gekauft, der die Pflegeheime gehörten und diese quasi als Beifang übernommen, berichtet der bei der Gewerkschaft Ver.di für den Pflegebereich zuständige Sekretär Arnold Rekittke. Ein Teil der Heime in anderen Bundesländern sei bereits verkauft, unter anderem an einen chinesischen Immobilienfonds.
„Die Vonovia hat das Ziel, bis Ende 2024 auch für die Hamburger Häuser einen Käufer zu finden“, sagt Rekittke. Da suche sie jemanden, der zahlt, was sie haben will. Als Gewerkschaft habe Ver.di in Hamburg mit den derzeitigen Inhabern keine schlechten Erfahrungen gemacht. „Es wäre aber gut, einen Käufer zu finden, der nicht auf Profit orientiert ist“, sagt Rekittke.
Ein Kritiker des Verkaufs war der damalige Oppositionspolitiker und heutige SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf. Er sagte auf taz-Nachfrage, „dass die CDU Pflegen und Wohnen im Jahr 2007 verkauft hat, war ein Riesenfehler“. Die SPD habe später dafür gesorgt, dass Pflegen und Wohnen die Grundstücke nicht zur Spekulation nutzen konnte, sagt Kienscherf und spielt darauf an, dass die frühere SPD-Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks 2017, als die Heimfirma zwischenzeitlich an einen Hedgefonds verkauft worden war, eine entsprechende Änderung der Bebauungspläne veranlasste.
CDU wittert schon Wahlgeschenk
Auch Kienscherf äußert sich nicht konkret zu möglichen Verhandlungen. Er sagt aber, das Unternehmen sei „lange Zeit nicht zu konstruktiven Gesprächen bereit gewesen“ und zu Pflegende dürften nicht zu Spekulationsobjekten werden. „Deswegen ist es gut und sinnvoll, sich mit der Zukunft von Pflegen und Wohnen zu beschäftigen“, sagt Kienscherf. Klar sei aber auch, dass dieses Thema nicht zur Spekulation und Gewinnmaximierung tauge, „auch wenn dies offensichtlich das Ziel der CDU zu sein scheint“. Hamburg ist im Wahlkampf.
Die CDU stört sich indes an der unklaren Antwort. „Der Senat drückt sich um klare Worte. Womöglich sind die Überlegungen schon viel weiter, als hier eingeräumt wird“, sagt Stephan Gamm. Er vermute, hier werde ein Wahlgeschenk vorbereitet. Gamm hält einen Rückkauf nicht für sinnvoll: „Pflegen und Wohnen ist ein gut funktierendes Unternehmen.“ Hilfe bräuchten die unter Personalnot leidenden kleineren nicht staatlichen Heime.
Die Linke hatte die Rekommunalisierung schon 2017 gefordert. Ihr Gesundheitspolitiker Deniz Celik sagt: „Wir begrüßen die positiven Signale aus dem Senat. Ein Rückkauf von Pflegen und Wohnen würde allen nützen.“ Er verweist darauf, dass allein von 2021 bis 2023 in Hamburg etwa 700 Plätze weniger belegt wurden und allein in diesem Jahr fünf private Heime schlossen, weil sich der Betrieb angesichts von Personalnot nicht rentiert habe.
Gehörte das Unternehmen der Stadt, könnten die Pflegebedürftigen weiterhin drauf vertrauen, ihren Platz zu behalten oder einen zu finden. Sollte aber 2026 die Verpflichtung zur Standorterhaltung auslaufen, wäre zu befürchten, dass weiter Plätze abgebaut und Einrichtungen geschlossen werden. „Für die pflegerische Versorgung wäre das katastrophal“, sagt Celik.
Auch der Sozialverband SoVD Hamburg begrüßt einen Rückkauf. „Der Senat muss endlich handeln und Pflegen und Wohnen wieder in die öffentliche Hand bringen“, sagt der Vorsitzende Klaus Wicher. „Ein Pflegeheim ist keine Fabrik.“ Privatisierungen führten keineswegs automatisch zu besserer Leistung. Der Staat müsse Handeln, damit Pflegebedürftige auch Plätze finden und sie es sich leisten können. Dafür sei es nötig, alle Pflegeheime von Investitionskosten zu entlasten. Dass diese Kosten weiterhin auf die Pflegebedürftigen abgewälzt werden, so der SovD-Mann, sei ein Skandal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau