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Private Schiedsgerichte vor GerichtEnergiefirmen droht Niederlage

Kohle- und Windkonzerne wollen Entschädigungen von EU-Staaten. Sollen solche Klagen möglich bleiben? Der Bundesgerichtshof hat eine klare Tendenz.

Ende der Idylle für BP und Uniper? BP-Raffinerie in Gelsenkirchen Foto: Martin Meissner/ap

Karlsruhe taz | Sollen europäische Energiefirmen auch weiterhin EU-Staaten vor privaten Schiedsgerichten verklagen können – wenn die Firmen sich durch staatliche Politik geschädigt sehen? Über diese komplexe Frage verhandelte der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch fast vier Stunden lang. Die Richter ließen eine klare Tendenz zugunsten der Staaten erkennen.

Die drei verhandelten Fälle zeigten die ganze Bandbreite der Problematik. Zweimal geht es um Konzerne, die sich durch neue klimafreundliche Politik geschädigt sehen. Im dritten Fall ist es umgekehrt: Ein Windkraftunternehmen sieht sich durch restriktive Vorgaben beim Ausbau erneuerbarer Energien ausgebremst.

Konkret klagen die deutschen Konzerne RWE und Uniper gegen die Niederlande, weil das Land bis 2030 aus der Kohleverstromung aussteigen will und den Eigentümern der Kohlekraftwerke dafür keine Entschädigung zahlt (anders als in Deutschland).

RWE verlangt 1,4 Milliarden Euro Schadenersatz, Uniper mehrere Hundert Millionen Euro. Uniper, das in der Gaskrise vom deutschen Staat übernommen wurde, lässt das Verfahren derzeit auf Wunsch der Bundesregierung allerdings ruhen.

Der Weg zur Klage führt über den Energiecharta-Vertrag

Im dritten Verfahren klagt die irische Mainstream-Renewables-Gruppe gegen Deutschland. Die Mainstream-Unternehmen wollten mehrere Offshorewindparks in der Nordsee errichten, sahen sich jedoch durch den energiepolitischen Backlash der großen Koalition ab 2012 ausgebremst und verzichteten auf die Projekte.

Die Gruppe verlangt vom deutschen Staat 275 Millionen Euro Entschädigung für sinnlos gewordene Aufwendungen und entgangene Gewinne – plus 56 Millionen Euro Zinsen. Dass die Politik der aktuellen Ampel­regierung windkraftfreundlicher ist, ändere nichts an den Ansprüchen, hieß es.

Alle drei Firmen klagen vor Icsid-Schiedsgerichten der Weltbank, bei denen sich die Streitparteien auf private Schiedsrichter einigen, meist Rechtsprofessoren oder Anwälte. Der Weg zu den Schiedsgerichten führt über den Energiecharta-Vertrag.

Dieser völkerrechtliche Vertrag, dem rund 50 Staaten beigetreten sind, war 1994 geschaffen worden, um Energieinvestitionen westlicher Konzerne in Osteuropa zu fördern. Unternehmen, die in den neuen Demokratien investierten, sollten darauf vertrauen können, dass sie nicht willkürlich enteignet oder sonst geschädigt werden. Streitfälle sollten nicht vor Gerichten in Ungarn und Kasachstan geklärt werden, sondern vor den neutralen Icsid-Schiedsgerichten.

Schiedsverfahren sind nicht immer mit EU-Recht vereinbar

Seither nutzen Konzerne den Energiecharta-Vertrag aber immer wieder auch zu Klagen gegen westeuropäische Staaten. Am bekanntesten wurde die Klage des schwedischen Unternehmens Vattenfall gegen den deutschen Atomausstieg. Im März 2021 erhielt Vattenfall aufgrund eines Vergleichs (ohne Schiedsurteil) 1,4 Milliarden Euro.

Allerdings hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im September 2021 in seinem Komstroy-Urteil entschieden: Energiecharta-Schiedsverfahren sind mit europäischem Recht unvereinbar, wenn EU-Staaten von Unternehmen aus anderen EU-Staaten verklagt werden.

Der EuGH folgte damit seiner Linie aus dem Achmea-Urteil von 2018, mit dem er bilaterale Investorenschutzverträge zwischen zwei EU-Staaten für unzulässig erklärte. Dem EuGH geht es dabei offenbar vor allem um seine eigene Stellung; er will verhindern, dass private Schiedsgerichte das EU-Recht anders auslegen als er.

Nun berufen sich auch Deutschland und die Niederlande auf die EuGH-Rechtsprechung, um die gegen sie eingeleiteten Icsid-Verfahren zu verhindern. Beide Staaten haben daher vor deutschen staatlichen Gerichten geklagt, um feststellen zu lassen, dass die konkreten ICSID-Schiedsverfahren unzulässig sind. Sie argumentieren auf Grundlage eines Paragrafen der deutschen Zivilprozessordnung.

Die Konzerne halten diese Norm jedoch für nicht anwendbar, wenn es um Icsid-Schiedsgerichte geht. Deutsche Gerichte urteilten bisher uneinheitlich. Das Kammergericht Berlin entschied zugunsten der Konzerne, das Oberlandesgericht Köln zugunsten der Staaten.

Nun muss der BGH entscheiden, was gilt. Der Vorsitzende Richter Thomas Koch ließ klar erkennen, dass sein Senat die Argumentation der Staaten überzeugender findet. Seit der EuGH die Schiedsklausel des Energiecharta-Vertrags bei Verfahren zwischen EU-Staaten und EU-Unternehmen für rechtswidrig erklärte, fehle die „Brücke“ zu den Icsid-Schiedsgerichten.

Stellvertretend für die Konzerne warnte Rechtsanwalt Thomas Winter vor dem „verheerenden Eindruck“, den ein entsprechendes BGH-Urteil weltweit machen werde: „Was sagen wir dann, wenn staatliche Gerichte in Brasilien oder Chile ebenfalls die Schiedsgerichte aushebeln?“ Der BGH wird sein Urteil am 27. Juli verkünden.

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4 Kommentare

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  • "Was sagen wir dann, wenn staatliche Gerichte in Brasilien oder Chile ebenfalls die Schiedsgerichte aushebeln?"

    Unternehmerisches Risiko. Caveat emptor. Satz mit X.

    • @Ajuga:

      Der wesentliche Unterschied ist: Der Bundesgerichtshof legt hier nur europäisches Recht aus. Da die EU eine staatsähnliche Rechtspersönlichkeit hat, hat der EUGH die Zuständigkeit über zwei Parteien innerhalb seines Gerichtsbezirkes.

  • Auf was für Schnapsideen auch diese neoliberalen Politiker kommen. Private Schiedsgerichte.

    Irgendwie schön, dass der Boomerang zurückkommt, obwohl ich RWE und Uniper (und deren Aktionären!) wahrlich Pest und Pleite an den Hals wünsche.

  • Diese ganze Bande gehört wegen staatsgefährdender Verschwörung in den Knast



    Für lange Zeit !



    Und wegen der exorbitanten Übergewinnen nochmal ein paar Jahre oben drauf.