Private Investoren bei der Lkw-Maut: Zu viel Geld für Autobahnfirmen
Weil das Mautsystem große und kleine Lastwagen nicht unterscheidet, kassieren private Investoren Millionen Euro vom Bund, die ihnen nicht zustehen.
Die Unternehmen, die im Rahmen von ÖPP Autobahnen bauen oder sanieren, bekommen im Gegenzug meist über einen Zeitraum von 30 Jahren Geld vom Staat. Bei Projekten, die vor 2009 gestartet wurden, richtete sich die Summe nach der Mauthöhe, die auf dem entsprechenden Autobahnabschnitt anfällt.
Entstanden ist das Problem folgendermaßen: Während bis 2015 nur große Lkws mit einem Gewicht von mehr als 12 Tonnen Maut bezahlen mussten, fällt sie seitdem auch für kleinere Laster ab 7,5 Tonnen an. Die Mehreinnahmen, die der Bund damit erzielt – in der Begründung des Gesetzes ist von rund 7 Prozent die Rede – stehen den privaten Investoren aber nicht zu, weil die ÖPP-Verträge nur die Maut für die 12-Tonner zur Grundlage der Zahlung machen, erklärte das Verkehrsministerium am Montag.
Trotzdem haben die Betreiber dieses Geld erhalten – denn das Gewicht der Laster wird vom Mautbetreiber Toll Collect überhaupt nicht erfasst. Das sei aber nicht die Schuld von Toll Collect, sagte Pressesprecherin Claudia Steen der taz. „Technisch möglich wäre es.“ Das Verkehrsministerium als Auftraggeber habe eine Erfassung nach Gewicht jedoch nicht gefordert, so Steen.
Von der Größenordnung ist der Schaden übersichtlich, denn das Problem tritt nur bei ÖPP-Verträgen auf, die vor 2009 abgeschlossen worden sind. Das Verkehrsministerium geht von einer Summe von 5 Millionen Euro pro Jahr aus. Insgesamt dürfte sich der Schaden damit auf 15 Millionen Euro belaufen. Denn ab 2018 wird das Mautsystem laut Verkehrsministerium Daten zum Lkw-Gewicht bereitstellen. Zudem sind die zusätzlichen Gelder bisher nur unter Vorbehalt ausgezahlt werden und sollen zurückgefordert werden. „Ziel ist es, dass der Bundeshaushalt nicht belastet wird“, sagte ein Sprecher.
Kritiker von ÖPP sehen sich durch das neue Problem dennoch bestätigt. „Die unnötigen Lkw-Maut-Überweisungen sind ein weiterer Beleg für den Charakter dieser Verträge“, meint etwa Carl Waßmuth von der Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand: „Ändert sich was, zahlt der Staat.“ Grünen-Haushaltsexperte Sven Kindler kritisierte, dass der Verkehrsminister nicht von sich aus über dies und andere ÖPP-Probleme informiert hat. „Dobrindt muss das Palament und die Öffentlichkeit über den ÖPP-Skandal endlich umfassend informieren, anstatt weiter zu täuschen und zu vertuschen.“ Auch vom Koalitionspartner SPD, der ÖPP lange unterstützt hatte, kam nun scharfe Kritik. „Dobrindts Unfähigkeit kostet uns Millionen“, sagte der haushaltspolitische Sprecher Johannes Kahrs.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste