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Presseplätze bei NSU-ProzessMindestens vier türkische Medien

Die Presseplätze beim NSU-Prozess werden verlost. Kontingente, zum Beispiel für türkische Medien, sollen Vielfalt sicherstellen. Ein Journalist will klagen.

Vom NSU-Prozess wird unter Garantie jetzt auch auf türkisch berichtet. Bild: dpa

FREIBURG taz | Nun können auch türkische Medien sicher vom NSU-Prozess am Oberlandesgericht (OLG) München berichten. Zehn von fünfzig Presseplätzen sind für internationale Medien reserviert, davon sollen mindestens vier Plätze an türkisch-sprachige Medien gehen. Innerhalb der Kontingente wird jeweils gelost. Anträge können bis Dienstag mittag gestellt werden.

Die Neuregelung des Akkreditierungsverfahrens war nötig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht vor einer Woche in einem Eilbeschluss entschied, dass auch türkische Medien einen sicheren Platz im Gerichtssaal bekommen sollen. Bis dahin hatte kein einziger türkischer Journalist einen der 50 begehrten Presse-Plätze ergattert - obwohl doch acht von zehn NSU-Mordopfern türkischen Hintergrund hatten.

Johannes Götzl, der Vorsitzende des 6. OLG-Strafsenats, hat daraufhin am Montag entschieden, dass die Akkreditierung nicht um einige Plätze für türkische Medien ergänzt wird, sondern dass ein ganz neues Akkreditierungsverfahren stattfinden soll. Der Prozessbeginn wurde deshalb vom 17. April auf den 6. Mai verschoben.

Götzls neue Regelungen, die am Freitag morgen bekannt gemacht wurden, sehen nun zwei wichtige Änderungen vor: Die Presseplätze werden nicht mehr nach Reihenfolge der Anträge vergeben, sondern ausgelost. Gleichzeitig werden aber viele Kontingente gebildet, um sicherzustellen, dass unterschiedlichste Medien zum Zug kommmen. So werden zunächst drei große Gruppen gebildet: „In- und ausländische Nachrichtenagenturen“ (5 Plätze), „deutschsprachige Medien mit Sitz im Ausland und fremdsprachige Medien“ (10 Plätze) sowie „auf Deutsch publizierende Medien mit Sitz im Inland“ (35 Plätze).

Absurde Ergebnisse möglich

Innerhalb jeder Gruppe gibt es wieder Unterkontingente. So sind von den zehn Plätzen für internationale Medien vier Plätze für türkischsprachige Medien reserviert. Je ein Platz geht an griechisch- und persisch-sprachige Medien, weil ein Mordopfer Grieche war und bei einem Sprengstoffanschlag in Köln eine Deutsch-Iranerin schwer verletzt wurde.

Das Losverfahren ist sicher zulässig, könnte aber natürlich auch zu absurden Ergebnissen führen, zum Beispiel dass ausgerechnet die größten deutschen und türkischen Medien nicht ausgelost werden. Hier soll aber die Möglichkeit einer „nachträglichen Poolbildung“ helfen. Wer ausgelost wurde, kann seinen Platz auch anderen Medien zur Verfügung stellen. Das stellt sicher, dass am Ende wohl alle zum Zuge kommen, ist aber auch ein Anreiz mit möglichst vielen Strohbewerbern (freien Journalisten, befreundeten Medien) ins Losrennen zu gehen.

Alle, die bisher einen Platz sicher hatten (taz-Redakteur Wolf Schmidt stand sogar auf Platz eins der alten Liste), haben diesen nun verloren. Der freie Journalist Martin Lejeune will dagegen zwar beim Bundesverfassungsgericht klagen. Er dürfte aber keine Chance haben, da Karlsruhe die Wiederholung des Akkreditierungsverfahrens ausdrücklich als Möglichkeit genannt hatte.

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5 Kommentare

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  • PF
    Presseplätze für Bergstämme?

    Und was ist mit den Zonenzombies, die 25 Jahre nach der Wiedervereiterung noch immer kein Deutsch können, welche Medien berichten für sie, die TAZ?

    Wie man auf der Glotze sehen konnte, verständigen die sich untereinander in seltsamen Grunzgeräuschen, hoffentlich wird der Angeklagten ein Übersetzer gestellt, doch wer soll das übersetzen können und wenn ohne dabei sein Frühstück zu verlieren?

  • IN
    Ihr neuer Pappsi

    bis jezt habe ich immer gedacht, es kommt darauf an, was geschrieben und veröffentlicht wird. Doch das ist falsch.

    Es kommt darauf an, wer und wieviele da sitzen.

  • HK
    Hady Khalil

    Gerade lief im N24 Ticker, das Innenminister Friedrich an Zschäpe appellierte, doch endlich auszusagen:

    Megaphonisch

    Der erste April ist doch schon vorbei. Wie hat man sich das vorzustellen? Hat er ihr eine email geschickt, oder getwittert. Wahrscheinlich hat sie kein Handy, dann hat er ihr am Tisch mit Megaphon gegenüber gesessen und appelliert, sie möge doch dem lieben Herrn Uhl alles sagen. Oder ist das ein Appell, besser eine Beruhigungspille an die kritische Öffentlichkeit, das die CSU doch an Aufklärung interessiert ist und nicht versucht durch Skandale an nichtigen, eigentlich Selbstverständlichkeiten von den wirklichen Fragen abzulenken, um den Prozess zu kontrollieren.

  • I
    ion

    Egal, was die Auslosung ergibt, einige Vertreter der türkischen Presse, Medien (in D) wussten unmittelbar nach Bekanntgabe des neuerlichen Akkreditierungsverfahrens sofort wieder vehement Kritik zu üben; Wird als nächstes verlangt, den Prozess in die Türkei zu verlegen‽ Die Bedeutung eines Strafprozesses wird in Hinsicht darauf, dass sich die in den Medien zwischenzeitlich hinlänglich zu Wort gekommenen Verwandten der Opfer so etwas wie: „Vollkommene Aufklärung darüber, wie all das passieren konnte.“, versprechen, völlig mißverstanden. Das wird dieser Prozess definitiv nicht erfüllen, ist auch nicht dessen Aufgabe; Also, wozu dieses affengeile Interesse an einem Strafprozess?!

    Zur Selbstdarstellung und nationalpolitischen Stimmungsmache.

  • C
    Celsus

    Das klingt doch alles schon einmal viel besser. Nur dem Freistaat Bayern will ich dann noch einmal ein Armutszeugnis für geistige Armut ausstellen:

     

    Bei einem derart bedeutenden Prozess hätte Bayern frühzeitig dafür sorgen sollen, dass ein hinreichend großer Saal nach dem Vorbild von Stuttgart-Stammheim zur Verfügung steht. Die wussten in Bayern fürhzeitig Bescheid und haben absichtlich nichts getan!

     

    Das sollte allerdings auch ein parlamentarisches Nachspiel haben.