piwik no script img

Pressefreiheit in PalästinensergebietenAutonomiebehörde erlässt Sendeverbot für Al-Jazeera

Dem katarischen Sender Al Jazeera wird Verbreitung von „Falschinformationen und Hetze“ vorgeworfen. Auch Israel hat schon ein Sendeverbot erlassen.

Darf jetzt nicht mehr in Palästinensergebieten senden: der katarische Sender Al Jazeera Foto: dpa/Tim Brakemeier

Ramallah (AFP) | Die im Westjordanland regierende Palästinensische Autonomiebehörde hat vorübergehend ein Sendeverbot für den katarischen Senders Al Jazeera in den palästinensischen Gebieten erlassen. Die Ausstrahlung von Al-Jazeera-Sendungen sei am Mittwoch per Anordnung ausgesetzt worden, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa.

Die Autonomiebehörde von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas begründete den Schritt demnach mit der Verbreitung von „aufrührerischen Inhalten und Berichten, die durch Falschinformationen, Aufwiegelung, Hetze und Einmischung in die inneren Angelegenheiten Palästinas gekennzeichnet sind“.

Zudem sei beschlossen worden, „alle Aktivitäten des Senders und seines Büros in Palästina einzufrieren“, berichtete Wafa weiter. Der Schritt sei erfolgt, nachdem der Sender auf dem Ausstrahlen der als „aufrührerisch“ eingestuften Inhalte und Berichte „beharrt“ habe.

Das Verbot umfasst demnach auch den vorübergehenden Stopp der Arbeit „aller Journalisten, Mitarbeiter, Crews und angeschlossenen Kanäle, bis ihr rechtlicher Status geklärt ist, da Al Jazeera gegen die in Palästina geltenden Gesetze und Vorschriften verstößt“.

Ein von der Nachrichtenagentur AFP kontaktierter Al-Jazeera-Mitarbeiter bestätigte, dass das Büro des Senders in Ramallah am Mittwoch eine Aussetzungsanordnung erhalten habe. Auf später von Al-Jazeera ausgestrahlten Aufnahmen war zu sehen, wie palästinensische Sicherheitsbeamte das Büro des Senders in Ramallah betreten und die Anordnungen übergeben. Der Sender äußerte sich jedoch zunächst nicht dazu.

Die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas und die mit ihr verbündete militante Palästinensergruppe Islamischer Dschihad verurteilten den Schritt scharf. Die Hamas forderte die Regierung im Westjordanland auf, die Entscheidung „unverzüglich rückgängig zu machen“.

Spannungen nach Bericht über Jenin

Die Spannungen zwischen Al Jazeera und der säkularen Fatah-Partei von Abbas hatten in den vergangenen Wochen zugenommen, nachdem der Sender mit Sitz in Doha über gewaltsame Zusammenstöße zwischen palästinensischen Sicherheitskräften und bewaffneten Palästinensern in Jenin berichtet hatte.

Anfang Dezember war es in der als Hochburg der islamistischen Hamas und weiterer radikaler Palästinensergruppen geltenden Flüchtlingssiedlung zu heftigen Schusswechseln zwischen militanten Palästinensern und palästinensischen Sicherheitskräften gekommen, nachdem Fahrzeuge der Palästinensischen Autonomiebehörde gestohlen worden waren. Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen wurden elf Menschen getötet, unter ihnen auch Sicherheitskräfte.

Al Jazeera hatte kurz darauf angegeben, dass bei der Berichterstattung „über die tragischen Ereignisse in Jenin alle Stimmen“ zu Wort gekommen seien. Der Sender verurteilte damals eine „Aufwiegelungskampagne“ gegen seine Berichterstattung seitens der Fatah.

Sendeverbot auch in Israel

Auch in Israel besteht gegen Al Jazeera inzwischen ein Sendeverbot. Ermöglicht worden war dies durch ein im April beschlossenes Gesetz, das das Verbot ausländischer Medien vorsieht, die als schädlich für die Sicherheit Israels angesehen werden. Israels Kommunikationsminister Schlomo Karhi hatte den Sender als „ein Sprachrohr des Terrorismus im Dienste der Hamas“ bezeichnet. Der Sender weist die Anschuldigungen zurück.

Israel befindet sich seit 14 Monaten im Krieg mit der im Gazastreifen herrschenden Hamas. Den Krieg hatten die Hamas und mit ihr verbündete militante Palästinensergruppen, darunter der Islamische Dschihad, am 7. Oktober 2023 mit einem Großangriff auf Israel ausgelöst. Dabei wurden nach israelischen Angaben 1208 Menschen getötet. 251 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. 96 der Geiseln sind demnach noch immer in der Gewalt der Hamas. 34 von ihnen wurden von Israel offiziell für tot erklärt.

Israel geht seit dem Hamas-Überfall massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bislang mehr als 45.500 Menschen getötet. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Wirklich leid tut es mir um Al Jazeera nicht. Der Sender arbeitet professionell und ist gut gemacht - genau das ist auch ein Problem.



    Ich habe mir gestern eine "Doku" von AJ über den 7. Oktober angeschaut. Lügen und Verschwörungstheorien, gut aufbereitet.



    Am Schlimmsten waren die Kommentare drunter, die zum größten Teil aus dem anglo-amerikanischen Raum gestammt haben dürften: Unverhohlene Freude über das Massaker...echt schlimm.

    • @Kai Ayadi:

      AJ hat die Kommentarfunktion bereits 2017 abgeschafft; es ist also eher unwahrscheinlich, dass Ihre Behauptung zutrifft.

      • @O.F.:

        Ich hatte den erwähnten Beitrag auf youtube gesehen; es handelte sich also um die Kommentare dieser Zuschauer.

  • Gute Nachrichten aus der Region sind nicht so häufig wie ich sie mir wünsche, die Schließung von Al Jazera hier durch die PA ist allerdings eine gute Nachricht.

    Presse setzt Standards voraus, Prozedere und dass du nicht terroristische schwarze Propaganda verbreitest. Dies tut der Sender.

    • @ToSten23:

      Nun ist der Propaganda-Vowurf grundsätzlich problematisch, weil er fast beliebig gegen unliebsame Meinungen erhoben werden kann und auf diese Weise die Pressefreiheit grundsätzlich in Frage stellt. Hier ist er aber besonders schlecht begründet: AJs Berichterstattung über Gaza deckt sich weitgehend mit dem, was etliche Menschenrechtsorganisationen, unabhängige Experten und inzwischen sogar einige europäische Regierungen sagen, und auch Kritik an der vorsichtig formuliert ambivalenten Rolle der PA ist auch kein akzeptabler Anlass, einen Sender zu schließen. Eine gute Nachricht ist das nur für diejenigen, die über eine Strafexpedition mit mittlerweile genozidalen Ausmaßen gerne einen Mantel des Schweigens legen würden.

  • Wenn man alJazeera mit KAN11 oder privaten israelischen Sendern vergleicht, fragt man sich, wer mehr Propaganda macht.

    • @Joachim Kappert:

      Die Frage ist berechtigt. Sie ändert aber nichts daran, dass Al Jazeera offenbar SO tendenziös berichtet, dass der Fatah (die zwar im Vergleich zur Hamas gemäßigt ist, aber unverdächtig sein dürfte, deshalb gleich Netanjahu in die Karten spielen zu wollen) jetzt die Hutschnur geplatzt ist: Abbas & Co. dürften wissen, wie schwer diese Entscheidung im globalen Krieg um die Deutungshoheit im Nahen Osten wiegt (und welche Partys daraufhin gerade bei rückhaltlos proisraelischen Medien gefeiert werden). Sie werden sie nicht leichtherzig getroffen haben.

      • @Normalo:

        Fatah hatte früher schon Haftbefehl gegen Edward Said erlassen, die Hutschnur scheint hier also sehr eng zu sitzen.

        • @Jo Lang:

          Wann soll denn das gewesen sein? Said ist seit bald 22 Jahren tot (und ich konnte zumindest auf die Schnelle nichts zu einem Haftbefehl finden).

          Dass er Yassir Arafat querkam und der kein Freund von Widerrede war, dürfte auch inhaltlich eine etwas andere Geschichte sein als, was heute geschieht: Hamas ist eine intolerante islamistische Terrororganisation mit Vernichtungsphantasien, und Al Jazeera (und Andere) verharmlost das konsequent. Said dagegen mag vielleicht einen Teil der Ideologie entwickelt haben, auf der heute die irrationale Unterstützung selbsterklärter "Postkolonialer" für den Narrativ der Hamas basiert, aber inhaltlich war sein Problem mit der Fatah wohl eher, dass er aus ihrer Sicht ein naiver säkularer Träumer von friedlicher, einstaatlicher Koexistenz mit Israel war.

          • @Normalo:

            "[...] inhaltlich war sein Problem mit der Fatah wohl eher, dass er aus ihrer Sicht ein naiver säkularer Träumer von friedlicher, einstaatlicher Koexistenz mit Israel war."



            Said hat die Gründe seiner Ablehnung des Oslo-Abkommen und der Rolle der PLO dabei 1993 ausführlich beschrieben, das von Ihnen gezeichnete Bild kann ich dort nicht erkennen. Vielmehr kritisierte er die PLO für eine Kapitulation und das "degrading spectacle of Yasser Arafat thanking everyone for the suspension of most of his people’s rights".



            www.lrb.co.uk/the-.../the-morning-after

  • "Autonomiebehörde erlässt Sendeverbot für Al-Jazeera



    ... Auch Israel hat schon ein Sendeverbot erlassen. "



    Schau, schau. Wie war das noch? Nur die Juden verbieten arabische Sender?



    Irgendwie scheint das Problem doch breiter zu sein...



    "Anfang Dezember war es in der als Hochburg der islamistischen Hamas und weiterer radikaler Palästinensergruppen geltenden Flüchtlingssiedlung zu heftigen Schusswechseln zwischen militanten Palästinensern und palästinensischen Sicherheitskräften gekommen, nachdem Fahrzeuge der Palästinensischen Autonomiebehörde gestohlen worden waren. Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen wurden elf Menschen getötet, unter ihnen auch Sicherheitskräfte."



    Und wie war das hiermit? Der Angriff der Hamas auf Israel erfolgte ja seinerzeit, weil die unterdrückten Palästinenser im Westjordanland befreit werden mussten. Oder nicht?