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Prekäre Unterbringung von Geflüchteten„Gegen das Grundgesetz“

Geflüchtete leben in Hamburg mitunter jahrelang in Unterkünften ohne Privatsphäre. Am Mittwoch demonstrierten sie für eine bessere Unterbringung.

Demo gegen prekäre Unterbringung: Plakat vor der Hamburger Stadtentwicklungsbehörde Foto: Jonas Frankenreiter

Hamburg taz | Rund 50 Geflüchtete und ihre Un­ter­stüt­ze­r*in­nen haben am Mittwochnachmittag vor der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen im Stadtteil Wilhelmsburg mehr sozialen Wohnungsbau und eine bessere Unterbringung von Geflüchteten gefordert. Unter dem Tenor „Hamburg ich brauche eine Wohnung von dir“ hatte die feministische Gruppe „NINA – Frauen in Aktion e. V.“ (Nina) zu der Kundgebung aufgerufen.

Gerade kommt die Sonne heraus, als Ute Tschirner von Nina für einen Redebeitrag zum Mikro­fon eilt. Hin und wieder bleiben Passanten stehen, die vom S-Bahnhof kommen. Die Demonstrierenden haben einen Brief an Senatorin Karen Pein (SPD) vorbereitet und wollen ihr diesen überreichen.

Warum sie nicht nur eine bessere Unterbringung Geflüchteter fordern, sondern auch generell mehr sozialen Wohnungsbau, erklärt Tschirner in ihrer Rede: Zum guten Leben gehöre auch eine gute Wohnsituation. Die Realität in Hamburg sehe jedoch anders aus. Viele hätten kaum Raum und keine Ruhe. Beim Wohnen gehe es immer auch um die Würde des Menschen.

Die Geflüchteten, die vor der Behörde demonstrieren, leben selbst in Turnhallen, Containern und anderen provisorischen Unterkünften. Im Brief an die Senatorin schreiben sie, dass einige von ihnen „seit 3, 5, 8 oder sogar 12 Jahren in Unterkünften ohne Privatsphäre“ leben. Sie beklagen, dass es keinen Raum gebe zum Lernen und für ein Familienleben. Das sei vor allem für Kinder keine tragbare Situation und auch „mit dem Grundgesetz nicht vereinbar“, schreiben sie.

Leben in Turnhallen und Containern

Eine kurdische Irakerin erzählt während der Kundgebung, dass sie eine siebenköpfige Familie hat und schon seit 12 Jahren in einer Geflüchtetenunterkunft im Stadtteil Bergedorf lebt. Zur Kundgebung sei sie in der Hoffnung gekommen, ihre Situation verbessern zu können. Zwei andere Kurdinnen beklagen vor allem die Situation schwangerer Frauen. Beide erwarten ein Kind. Sie lebten schon jetzt auf sehr wenig Raum und hätten nur 200 Euro monatlich zur Verfügung.

Sadia aus Somalia erzählt, dass sie in einem Lager in Mecklenburg gelebt hat, bevor sie nach Hamburg zog und bei Nina aktiv wurde. Sie habe von der feministischen Gruppe gehört und erst gar nicht gewusst, wofür sie steht. Von den „jungen Frauen, die helfen wollen“, sei sie aber schnell überzeugt gewesen.

Die Gruppe geflüchteter, deutscher und migrantischer Frauen* gibt es seit acht Jahren. Simone ist von Anfang an dabei. In Sachen Wohnungsfrage habe es seit der Gründung keine Besserung gegeben, sagt sie. Im Gegenteil: Unterm Strich gebe es heute weniger Sozialwohnungen. Bereits 2018 hätten sie Briefe an alle Abgeordneten im Rathaus geschrieben und mit Aktionen auf das Thema aufmerksam gemacht, erzählt sie. So wurde im April 2018 ein Zelt in der Größe eines Zimmers einer Geflüchtetenunterkunft am Rathaus aufgebaut und begehbar gemacht.

Die Bürgerschaftsfraktion der Linken unterstützt die Kundgebung. Deren flüchtlingspolitische Sprecherin Carola Ensslen betont in einer Stellungsnahme den psychischen Druck, der mit der langjährigen „Unterbringung in Massenunterkünften“ verbunden sei. Es handele sich um „eine familien- und integrationsfeindliche Politik“, so Ensslen. Erschwerend komme hinzu, dass der Bund Haushaltskürzungen für beratende, psychosoziale Zentren um 70 Prozent und die Migrationsberatung für Erwachsene um 30 Prozent kürzen möchte. Es müsse letztendlich lokal gegengesteuert werden.

Exemplarisch für die miserablen Zustände in Hamburg steht die Zentrale Erstaufnahme Rahlstedt (ZEA). Antirassistische Gruppen und Vereine kritisieren die Zustände dort seit Jahren und rufen auch dort regelmäßig zu Protestkundgebungen auf.

Unter anderem fordert das Bündnis, die Dauer der provisorische Unterbringung zu verkürzen. Maximal dürfe man Menschen in der ZEA drei Tage unterbingen. Dort gebe es keine Möglichkeit, selbst zu kochen, nur eine Kantine. Ein junger Mann aus Syrien lebe seit vier Monaten in der ZEA, teile sich ein 36 Quadratmeter großes Zimmer mit 16 anderen Erwachsenen. All dies führe zum Eindruck, es gebe Menschen zweiter Klasse, kritisiert das Bündnis. Das Leben in der ZEA bestehe vor allem aus Warten.

Auch am Mittwoch warteten die Geflüchteten, in diesem Fall auf die Senatorin. Als sie den Brief schließlich überreichten, war sie jedoch außer Haus.

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6 Kommentare

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  • was sollen Proteste gegen Mangel nützen? Ich kann auch protestieren, dass es regnet.. nützt nur nichts......es gibt nicht nur für Gefüchtete zu wenig Wohnraum... es gibt überhaupt zu wenig ... bzw. ist das ja auch eine Frage der Verteilung. Wenn alle Menschen nur nach Hamburg oder Berlin fahren wollen, wird es dort eben immer voller. Es gibt Ortschaften, da stehen zig Häuser und Wohnungen leer, ... aber da will keiner hin. Es mangelt in Großstädten, die an ihre Aufnahmegrenzen kommen, ja nicht nur an Wohnraum, sondern allem anderen, was nicht unendlich da ist.. Behördenpersonal, Betreuungspersonal, Kindergärten(schulplätze, Infrastruktur, Versorgung, Rettungsdienste, Gesundheitsversorgung, Verkehrsmittel, etc... Durch Proteste fällt das Alles ja nicht vom Himmel...



    Gibt es einen Anspruch, an einem bestimmten Ort leben zu wollen? Kann ja nur gehen, wenn es ausreichend Recourcen von allem gibt...



    Die Frage ist auch und vor allem: wie wollen wir leben? Soll es nur noch dichtgedrängte Hochhauswohntürme geben - was ist mit Grün- Erholungsmöglichkeiten, Grünflächen, der Aufheizung der Städte entgegenzuwirken?



    Es war /ist ein großer Fehler, die begehrten Baugründe an Meistbietende zu verscherbeln- jetzt haben wir Bürobauten ohne Ende und keine Wohnungen... Sozialbindung der Wohnungen dürfte nicht enden... Baugrundvergabe nur mit zumindest teilweiser Zweckbindung für sozialen Wohnungsbau. Umbau der Bürohäuser zu Wohnzwecken. Wenn nicht anders möglich, muss der Staat eben bezahlbaren Wohnraum bauen, da die Privatunternehmer ja nur noch teure Eigentumswohnungen bauen.



    Es m u s s Mietendeckelung geben- Wohnen ist ein Grundrecht- und daran darf sich, genauso wie an Gesundheitsversorgung, Keiner über gerechtfertigtes Maß hinaus bereichern.

    • @brotbier:

      "Es m u s s Mietendeckelung geben"

      Das Problem mit solchen Preisdeckelungsversuchen ist, dass sie nur eingeschränkt durchsetzbar sind. Die Marktkräfte von Angebot und Nachfrage werden dadurch nicht außer Kraft Gesetzt. Eher führt so etwas dazu, dass man versucht die Deckelung durch allerlei juristische Schlupflöcher und auch illegal zu umgehen (z.B. Provision unter der Hand, praktisch erzwungene Übernahme der Einrichtung gegen Aufpreis, etc.), wenn nur die Marge hoch genug ist. Wenn man solche Preiskontrollen durchsetzen will, brauchen sie auch Bürokratie, Kontrolleure, die man wiederum auch bezahlen muss - da stellt sich die Frage, ob das Geld nicht besser in Wohnungsbau gesteckt wird.

  • Tja, dumme Sache. Es gibt halt keine Wohnungen. Sozialer Wohnungsbau lohnt sich seit Jahren nicht, deshalb werden auch keine Wohnungen gebaut. Das wird sich so schnell nicht ändern, aber protestieren kann man natürlich immer.

    • @Stefan Schaaf:

      Ja klar. Das ist die richtige Einstellung. Nützt nix, also lassen wir alles laufen und versuchen erst gar nicht, etwas zum Besseren zu wenden. Keine Zeit oder was?

      • @Perkele:

        Naja, da dies schon seit Jahren so geht, werde zumindest ich langsam etwas zynisch, das muss ich zugeben. Es ist ja nicht so, daß es nur für Migranten keine Wohnungen gibt. Einheimische haben es da kaum besser. In der Stadt, in der ich lebe, droht bei Verlust der Wohnung Obdachlosigkeit. Bezahlbarer Wohnraum ist nicht nur knapp, sondern gar nicht vorhanden. Und unter der Ampel ist dies nicht besser geworden. Mit zwei Parteien, die sich ja (zumindest war dies einmal so) als im weitesten Sinne "links" begreifen. Da ist es schon schwer, positiv gestimmt zu bleiben.

  • In Bremen gab es vor 3 Wochen auch solche Proteste. Hoffentlich lassen sich Verbesserungen durchsetzen.