Preisbremse für Gas und Strom: Etwas mehr im Sparschwein
Die Preisbremsen für Gas und Strom sind auf den Weg gebracht worden. Sie sollen Privathaushalte und die Industrie entlasten. Die Maßnahmen im Detail.
1. Im Moment sinken die Energiepreise auf dem Weltmarkt. Die Lage entspannt sich doch gerade, oder?
Nein, leider nicht. Punktuell wird es möglicherweise für jene einfacher, die als Mega-Großkunden direkt auf dem Weltmarkt einkaufen. Wird es kälter oder sinkt die zur Verfügung stehende Energiemenge etwa durch Kapazitätsausfälle, wird es aber auch für die wieder teurer. Privathaushalte haben zunächst nichts von sinkenden Preisen, denn sie sind an ihren Versorger, etwa die örtlichen Stadtwerke, gebunden.
„Versorger decken sich mittelfristig ein“, erklärt Thomas Engelke, Energieexperte des Verbraucherzentralen Bundesverbands (VZBV). Die Unternehmen legen die Preise deshalb für längere Zeit fest. Wenn überhaupt, kommen vorübergehend sinkende Preise zeitversetzt bei Verbraucher:innen an. Dass die extremen Preisspitzen der jüngeren Vergangenheit die Verbraucher:innen bald erreichen werden, ist dagegen wahrscheinlich. „Wir rechnen eher mit steigenden Preisen“, sagt Engelke.
2. Im Dezember soll eine einmalige Entlastung für Haushalte kommen, die mit Gas- und Fernwärme heizen. Wie funktioniert das?
Haushalte und kleinere Unternehmen sollen eine einmalige Entlastung in Höhe einer Abschlagszahlung bekommen. Das heißt: Die Abschlagszahlung für Dezember übernimmt der Staat. Die Regierung überweist den Versorgern über die KfW die Abschlagssumme, die die Versorger von ihren Kunden bekommen würden. Kompliziert kann die Sache für Mieter:innen werden, die keinen eigenen Vertrag mit dem Versorger haben und ihre Energie über die Nebenkosten mit dem Vermieter abrechnen.
„Bei Mieterinnen und Mietern, deren Verbrauch von Gas oder Fernwärme erst mit zeitlicher Verzögerung über die jährliche Betriebskostenabrechnung des Vermieters abgerechnet wird, erfolgt die Entlastung über eine Gutschrift auf die Betriebskostenabrechnung“, heißt es in dem Beschluss der Bund-Länder-Konferenz von Mittwoch. Haben Mieter:innen 2022 bereits eine Erhöhung ihrer Abschlagszahlung bekommen, sollen sie im Dezember um diese Erhöhung einmalig entlastet werden. Details stehen noch nicht fest.
3. Welche Entlastungen bei den Energiekosten gibt es noch?
Die Bundesregierung wird die Preise für Strom sowie für Gas und Fernwärme subventionieren. Dazu werden Preisbremsen eingeführt, die für Strom zum 1. Januar und die für Gas und Fernwärme zum 1. März, eventuell rückwirkend zum 1. Februar. Haushalte, Vereine und kleinere Unternehmen müssen ab dann maximal je Kilowattstunde 12 Cent für Gas und 9,5 Cent für Fernwärme zahlen. Das gilt aber nur bis zu 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Überschreiten sie diese Grenze, sind die hohen Marktpreise fällig. Teurer wird es auf jeden Fall: Auch die subventionierten Preise sind bei vielen doppelt so hoch wie die bisherigen.
Sie liegen aber deutlich unter den mehr als 20 Cent, die viele Neukunden aktuell zahlen müssen. Der Strompreis soll für Kleinverbrauchende bei 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt werden – ebenfalls bis zu einer Grenze von 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. Der Staat will die Energiepreise bis April 2024 subventionieren. Finanziert werden soll das vor allem aus dem 200 Milliarden Euro schweren Wirtschaftsstabilisierungsfonds, dem „Doppelwumms“.
4. Und was ist im Januar? Da ist es ja am kältesten.
Die Einmalzahlung im Dezember ist als Überbrückung gedacht. Zwar gibt es etwa im Kreis der Ministerpräsident:innen viele Stimmen, die auch eine Entlastung für Januar fordern – es sieht aber nicht so aus, als würden sie sich durchsetzen.
5. Die hohen Gaspreise treiben die Inflation, weil alle Produkte teurer werden. Wie werden Industrie und kleinere Unternehmen unterstützt?
Für Großabnehmer in der Industrie gelten die Preisbremsen schon ab dem 1. Januar 2023. Sie bekommen für 70 Prozent ihres vorherigen Verbrauchs einen vergünstigten Preis von 7 Cent netto pro Kilowattstunde bei Gas und von 13 Cent für Strom. Für kleine und mittlere Unternehmen gelten aber die gleichen Preise wie für Privathaushalte.
Der Druck auf die Regierung ist groß, für eine weitere Entlastung zu sorgen. Wirtschaftsvertreter:innen fordern, dass auch für kleinere Betriebe die Gasbremse ab dem 1. Januar gilt. Viele energieintensive Betriebe wie Bäckereien oder Keramikhersteller stehen vor finanziellen Problemen. Unternehmen drohen mit Abwanderung wegen der hohen Energiepreise, manche warnen gar vor einer Deindustrialisierung Deutschlands. Das ist übertrieben. Aber zu hohe Energiepreise können tatsächlich zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führen. Um gegenzusteuern, führt die Bundesregierung einen Härtefallfonds für Unternehmen, aber auch Einrichtungen wie Kliniken ein, die trotz der vorgesehenen Maßnahmen aufgrund der hohen Kosten in Schwierigkeiten geraten.
Die Nichtregierungsorganisation Finanzwende und andere fordern, dass die Staatshilfen für die Unternehmen nicht auf den Konten von Aktionär:innen landen dürfen. Sie wollen deshalb, dass Konzerne keine Dividenden ausschütten dürfen, wenn sie die Preisbremsen in Anspruch nehmen. Das ist bislang nicht vorgesehen.
6. Viele Haushalte heizen mit Öl oder Holzpellets, das ist auch teurer geworden. Bekommen die nichts?
Sie erhalten möglicherweise einen Ausgleich, wenn sie bedürftig sind. Zwar heizt in Deutschland rund ein Viertel der Haushalte mit Öl. Die Bundesregierung will sie und die Nutzer:innen anderer Heizarten aber nur entlasten, wenn sie finanziell überfordert sind, und zwar „im Sinne einer Härtefallregelung“. Verbraucherschützer:innen finden das nicht richtig. „Diese Haushalte müssen so behandelt werden wie Gaskunden“, fordert VZBV-Experte Engelke.
7. Manche Energiekonzerne machen jetzt Profit ohne Ende. Was ist aus der Diskussion über die Übergewinnsteuer geworden?
Die Bundesregierung will die Gewinne der Energiekonzerne abschöpfen, die aufgrund der Preisentwicklung explodiert sind. Das gilt vor allem für die Betreiber erneuerbarer Energien wie Windkraft, aber auch für die Eigentümer von Atom- und Kohlekraftwerken. Details stehen noch nicht fest. Nach den Plänen der Bundesregierung soll die Abschöpfung für den Zeitraum September 2022 bis April 2024 gelten.
Wie viel dabei herausspringt, hängt von der Entwicklung der Preise ab. Es könnten bis zu 35 Milliarden Euro sein. Allerdings: Die Energiekonzerne werden die Gewinnabschöpfung sehr wahrscheinlich nicht kampflos hinnehmen. In Italien etwa haben Unternehmen die dort vorgeschriebene Abgabe einfach nicht bezahlt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül